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Zeitgenössische Diskussionen in Rosenheim und Umgebung

Hausbesetzer der 80er: „Verfassungsprinzipien vergewaltigt“ oder „Finger in Wunde unserer Gesellschaft“?

1981 sorgte eine Welle von Hausbesetzungen auch in der Region für Diskussionen.  Wir haben in Ausgaben des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) aus jener Zeit geschaut und zeichnen die Debatten für euch nach:
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1981 sorgte eine Welle von Hausbesetzungen auch in der Region für Diskussionen. Wir haben in Ausgaben des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) aus jener Zeit geschaut und zeichnen die Debatten für euch nach:

1981 sorgte eine Welle von Hausbesetzungen auch in der Region für Diskussionen. Wir haben in Ausgaben des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) aus jener Zeit geschaut und zeichnen die Debatten für euch nach:

Rosenheim - Es gelte „doch längst als ‚legitime Form kollektiver Meinungsäußerung‘, durch Demonstrationszüge in verkehrsreichen Innenstädten oder Blockaden von Hauptverkehrsadern Tausende von Mitbürgern zu tyrannisieren“, klagt der Autor eines Leserbriefs aus Riedering, „Wer deshalb nicht mehr rechtzeitig die Intensivstation erreicht, hat zwar besonderes ‚Pech‘, aber auch die Gewissheit, in bester Gesellschaft begraben zu werden.“ Derzeit werde „ein gutes Stück unserer Grundrechtordnung unbemerkt beerdigt.“

Nach Urteil gegen Hausbesetzer: Demonstration in der Rosenheimer Innenstadt

Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer

„Und wenn ein paar tausend Hausbesetzer zwar fast durchwegs einen festen Wohnsitz nachweisen, aber mit behördlicher Duldung anderen (!) Misständen des (Wohnungs-)Eigentums mit ungesetzlichen Selbsthilfemethoden zu Leibe rücken, wird wieder ein ganzes Bündel von Verfassungsprinzipien ungestraft vergewaltigt“, heißt es, unter anderem, des weiteren in jener Zuschrift. Nein, das ist nicht aus dem Jahr 2024, sondern aus dem OVB vom 17. Dezember 1981.

Aktuell beschäftigt das Thema von Hausbesetzungen wieder die Rosenheimer. Am Montag, den 26. Februar standen drei Aktivisten, die im April 2023 eine leerstehende Immobilie an der Münchener Straße 40 in Rosenheim besetzt hatten, vor Gericht. Im Anschluss kam es zu einer Demonstration und es wurde wohl auch erneut ein Haus besetzt.

Hausbesetzer der 80er: „Verfassungsprinzipien vergewaltigt“ oder „Finger in Wunde unserer Gesellschaft“?

„Es ist soweit: Der Terror der Hausbesetzer und ihrer Sympathisanten fordert ein Todesopfer - An der Spree brennt das Fanal zum Bürgerkrieg“, heißt es in der Überschrift eines Berichts über Krawallen in Berlin im September 1981. Eine „Besetzungswelle“ ab Anfang 1981 in mehreren Großstädten sorgt bei manchen für Beunruhigung. Wie das OVB im März berichtet, kommt es bei der Besprechung des Themas im Bayerischen Landtag zu tumultartigen Szenen. Bayerns damaliger Innenminister Tandler sprach von einem „terroristischen Kern“ der Demonstrations- und Besetzerszene. Auch in bayerischen Städten, in Augsburg und München, sollte es zu Aktionen kommen.

In Rosenheim selbst kommt es damals zu keiner Besetzung, gleichwohl beschäftigt das Thema sowohl die Lokalpolitik als auch die Bürger selbst in dieser Zeit. So berichtet das OVB am 28. März 1981, Landtagsabgeordneter Konrad Breitrainer habe auf einer CSU-Veranstaltung in Höhenmoos auch das Thema der Hausbesetzer angesprochen gehabt. „In diesem Zusammenhang behandelte er drei nach seiner Meinung gesellschaftspolitisch wichtige Fragen: ‚Gibt es ein Grundrecht auf Wohnen?‘, ‚Ist die Überschreitung von Gesetzen Notwehr und welche Formen des Widerstandes sind tragbar?‘; ‚Wenn die Polizei in unserem Staate handlungsunfähig wird, ist das Ende des Rechtsstaats erreicht‘. Breitrainer rief leidenschaftlich ‚zum Kampf um die Jugend auf‘“, heißt es weiter in dem Bericht von jenem Abend.

Hausbesetzer 1981 auch Thema für Stadtjugendring

Nur ein paar Tage später fand dann eine Versammlung des Mietervereins Rosenheim statt. Dabei kam der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands bayerischer Mietervereine, Alfred Poll auch auf das Thema Hausbesetzungen zu sprechen: „Er stellte fest, dass der Deutsche Mieterbund die Hausbesetzungen grundsätzlich nicht gutheißen könne, er müsse aber darauf hinweisen, dass es eine unsoziale Nutzung von Wohnraum und Grund Boden gebe, die Hausbesetzungen ‚ermöglichen und notwendig machen.‘ Wörtlich sagte Poll: ‚Die Hausbesetzer legen einen Finger in eine Wunde unserer Gesellschaft.“

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Ende November jenen Jahres beschäftigte das Thema wiederum den Stadtjugendring auf seiner Herbstvollversammlung. „Nach der Haushaltsdebatte und den Wahlen begann der thematische Teil [...] mit einem Referat von Erwin Trainer zum Thema ‚Jugendliche Aussteiger und Hausbesetzer. Trainer umriss in groben Zügen die Situation der Jugendlichen.“ Eine der Reaktionen auf Probleme wie Arbeits- und Wohnungslosigkeit oder Ohnmachtsgefühle seien auch Hausbesetzungen oder Demonstrationen. „Eine teilweise heftige aber zum großen Teil sachliche Diskussion über diesen Themenkreis folgte“, so fasst es der Bericht dann zusammen.

Hausbesitzer findet Gebäude auf Besetzer-Liste

Nur etwas über eine Woche danach hielt dann der Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Haus- und Grundbesitzer, Rechtsanwalt Kellerhals aus München einen Vortrag: „Seiner Meinung nach haben die Hausbesetzer nicht auf den Miss- und Notstand reagiert - 90 Prozent der Hausbesetzer hätten ja selbst einen festen Wohnsitz gehabt - sondern sie haben ganz einfach ‚Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung‘ begangen.“ Er habe betont, „dass so manches leerstehende Haus vermietet werden könnte, wenn der Hausbesitzer die Gewähr haben dürfe, dass sein Haus auch wieder frei werde, wenn beispielsweise die erforderliche Renovierung anstehe.“

Der Bericht aus dem Dezember 1982 zur Sanierung des Hauses in der Hubertusstraße 7 in Rosenheim.

Bleibt zum Schluss die Frage: Hatten die Hausbesetzer, abgesehen von einer Reihe von Vorträgen, Meinungsäußerungen und Diskussionen, eine praktische Auswirkung auf die Region? - Zumindest in einem Fall scheint das so gewesen zu sein: „Als Hausbesitzer Ludwig Groß von der Polizei erfuhr, dass dieses und andere leerstehende Häuser auf einer Liste der Hausbestzer-Szene stände, beschleunigte diese Informatiion die Total-Renovierung des Gebäudes“, heißt es in einem Bericht über die Sanierung des Hauses Hubertusstraße 7 im Dezember 1982.

hs

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