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Verhandlung vor dem Amtsgericht

Prozess gegen Hausbesetzer von Rosenheim: So fiel das Urteil aus – mit einer kuriosen Auflage

Die drei Aktivisten, die im April 2023 in der Rosenheim Innenstadt ein leerstehendes Gebäude besetzten, mussten sich am Montag (26. Februar) vor Gericht verantworten.
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Die drei Aktivisten, die im April 2023 in der Rosenheimer Innenstadt ein leerstehendes Gebäude besetzten, mussten sich am Montag (26. Februar) vor Gericht verantworten.

Es war mit Spannung erwartet worden: Am Montag (26. Februar) standen drei Aktivisten, die im April 2023 eine leerstehende Immobilie an der Münchener Straße 40 in Rosenheim besetzt hatten, vor Gericht. Wie hoch die Strafe ausfiel und warum das Urteil an einer Stelle auch kurios ist.

Rosenheim – Wirklich gewöhnlich war dieser Prozess nicht. Das wurde spätestens dann klar, als die drei Angeklagten – trotz einer Verurteilung – den Gerichtssaal am Rosenheimer Amtsgericht unter riesigem Applaus der rund 30 Zuschauer wieder verließen. Davor mussten sich die 19-Jährigen, darunter eine Frau und zwei Männer aus der Region, vor dem Gericht verantworten, weil sie im April 2023 in das ehemalige Hotel „Goldener Hirsch“ eindrangen und das Gebäude über Stunden besetzten. Dazu spannten die Aktivisten des Kollektivs „Rosenheim besetzen“ Stahlseile im Inneren des Hauses und ketteten sich an einem Rohr fest, um den Spezialkräften der Polizei die Räumung zu erschweren.

Angeklagte gestehen die Hausbesetzung

Dass sich das Geschehen vor rund einem Jahr genau so abgespielt hatte, räumten die Anwälte für ihre Angeklagten gleich zu Beginn des Prozesses ein. Unkommentiert wollten die drei Aktivisten das Ganze aber nicht lassen: „Ja, wir haben dieses Haus besetzt, wir lehnen aber eine Verurteilung wegen der Besetzung entschieden ab“, sagte einer der Angeklagten. Um ihre Motivation für ihr Verhalten, das als Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt war, zu erklären, hatten sich die Aktivisten etwas Besonderes überlegt. Abwechselnd lasen sie über mehrere Minuten hinweg ein Schriftstück vor, in dem sie unter anderem den Leerstand in Rosenheim und die Entscheidungen der Politik kritisierten.

Schließlich könne es nicht sein, dass trotz der Wohnraumkrise ein so großes Gebäude mitten in der Stadt leersteht. Dadurch verschärfe sich die Wohnraumknappheit weiter, was für viele Rosenheimer mehr und mehr zum Problem werde. „Es ist illegal, Häuser zu besetzen und so ein Zeichen gegen diese bedrückenden Verhältnisse zu setzen. Wieso ist es aber legal, ein Haus in der Innenstadt, jahrelang leer stehen zu lassen, während so viele vergeblich nach bezahlbarem Wohnraum suchen?“, fragte einer der Angeklagten.

Kritik der Aktivisten an den Behörden

Kritik gab es aber auch an der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Für die Aktivisten sei es unverständlich, dass eine Vielzahl von Polizeibeamten das Gebäude, in dem „drei Jugendliche friedlich Kekse futterten und Tee tranken“ lautstark stürmten. Zudem sei die Geldstrafe in Höhe von 1350 Euro, welche die Angeklagten laut dem Strafbefehl zunächst bezahlen sollten, viel zu hoch. Gegen diesen hatten die Aktivisten daher auch Einspruch eingelegt, weshalb es überhaupt erst zur Verhandlung vor dem Amtsgericht kam.

Die angeklagten Aktivisten mit ihren Verteidigern vor dem Rosenheimer Amtsgericht.

Damit aber noch nicht genug: Die Aktivisten beschwerten sich auch, dass der Hauseigentümer des ehemaligen Hotels noch nichts am Leerstand verändert hat und wollten seine Pläne für das leerstehende Gebäude wissen. Das ging Richter Marco Bühl allerdings zu weit. „Wir sind hier vor Gericht und in keiner politischen Arena“, sagte er. Diese Frage spiele für den Strafrahmen keine Rolle. In den Zeugenstand musste der Hauseigentümer trotzdem. Andere Erkenntnisse für den Prozess brachte seine Aussage allerdings nicht.

Anwendung des Jugendstrafrechts

Genauso wenig wie die Schilderungen der Beamtin der Kriminalpolizei, die den Fall bearbeitete. Auch zu den Vorwürfen der Verteidigung, dass die Angeklagten nach der Festnahme eine Stunde lang in nur Unterwäsche in der Zelle saßen und die damals 18-Jährige von männlichen Polizisten belehrt wurde, konnte sie nichts sagen. Als die Heranwachsenden im Vernehmungszimmer saßen, seien sie „ganz normal gekleidet“ gewesen. Damit konnte auch das – wie von der Verteidigung beabsichtigt – nicht als strafmildernder Umstand gewertet werden.

Die Frage, die hingegen noch zu klären war, war, ob die Angeklagten nach dem Jugendstrafrecht zu bestrafen sind. Für Staatsanwalt Wolfgang Fiedler war nach den Aussagen der Jugendgerichtshilfe nicht auszuschließen, dass bei den drei 19-Jährigen, von denen zwei studieren und einer sogar noch zur Schule geht, eine Reifeverzögerung vorliegt. Er plädierte daher dafür, dass die Aktivisten nach Jugendstrafrecht zu 160 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden.

Gemeinnützige Arbeit für alle drei

Das sah die Verteidigung ganz anders. Zwar sei es gut, dass die Staatsanwaltschaft von der härteren Bestrafung, wie sie zunächst im Strafbefehl gefordert hatte, Abstand nimmt, dennoch seien 160 Stunden „ein bisschen viel“. „In den 80ern haben Amtsgerichte Hausbesetzer sogar freigesprochen“, sagte die Verteidigerin der angeklagten Frau. Deshalb dürfen es maximal 50 Stunden gemeinnützige Arbeit sein, sagte die Anwältin. Ihre beiden Kollegen schlossen sich dem an.

Genauso wie Richter Marco Bühl. „50 Stunden gemeinnützige Arbeit halte ich für angemessen“, sagte er. Schließlich bräuchten die Angeklagten keine erzieherischen Tagesstrukturen, da sie mit ihren Lebensläufen und gesicherten Umfeldern vor dem Jugendgericht eher zur Seltenheit gehören. „Dass vor mir Studenten oder junge Menschen mit Abitur sitzen, kommt nicht so häufig vor“, sagte der Richter.

Besondere Aufgabe im Urteil

Dennoch hatte Bühl im Urteil noch eine „Spezialaufgabe“ für die Angeklagten: Alle drei müssen einen fünfseitigen Aufsatz für das Gericht schreiben. Zwei der Angeklagten zum Thema „Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Eigentumsgarantie: Warum gemäß der Verfassung und der Verfassungsgerichte Hausbesetzung zur Erreichung politischer Ziele nicht erlaubt sind“ und einer zum Thema „Bezahlbarer Wohnraum: Wie die Parteien im Bundestag in ihren Programmen damit umgehen“.

„Dabei geht es nicht darum, die drei von irgendwas zu überzeugen, sondern, dass sie sehen, wie die andere Seite diese Themen sieht“, sagte Bühl. Falls die Aufsätze „etwas werden“ wolle der Richter die Angeklagten im Sommer nochmal einladen, um über ihre Ansicht genauer zu diskutieren.

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