In „Rosenheimer Anzeiger“, „Wendelstein“ und OVB
Wünsche nach Normalität, Trauer um „Sissi“ und viele Feiern: Neujahr 1948, 1923 und 1898
Auch zum Jahreswechsel schauen wir ins Zeitungsarchiv: Diesmal gleich mit einer kleinen Zeitreise zu Neujahr in den Jahren 1948, 1923 und 1898.
Rosenheim - „Feuereinstellungsbefehl für Palästina - Erfolgreiche Operationen israelischer Truppen im Negev“ ist eine der Schlagzeilen auf der Titelsteite des Oberbayerischen Volksblatts am 31. Dezember 1948. Der Palästinakrieg oder israelische Unabhängigkeitskrieg war bereits Ende 1947 ausgebrochen und würde noch bis 1949 andauern. Am Ende konnte die jüdische Nationalbewegung ihren Staat etablieren. Auch sonst ist drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Weltgeschehen noch für Zeitgenossen beunruhigend. „Die wichtigste Tendenz des Jahres 1948 ist mit der Verschärfung des ost-westlichen Konflikts gegeben“, resümiert Winfried Martini in seinem Jahresrückblick, der ebenfalls auf der Seite 1 zu finden ist.
Gehen wir 25 Jahre weiter in der Zeit zurück ins Jahr 1923: „Jahreswende - Schicksalswende?“ lautet die Überschrift des Hauptartikels des „Rosenheimer Anzeigers“. Denn mit Hyperinflation, der Besetzung der Ruhr durch Frankreich und dem Hitlerputsch war es mehr als ein bewegtes Jahr, auf das die Menschen damals zurückblicken konnten. „So gehen wir denn in das neue Jahr wohl mit Sorge und Unruhe hinein, mit dem vollen Bewusstsein unseres schweren Schicksals auch in dem neuen Jahresabschnitt“, schließt der Artikel denn auch, verbunden mit Wünschen nach Besserung der aktuellen Lage.
Trauer um „Sissi“ 1898, Wünsche nach Normalität 1948
Machen wir einen weiteren Zeitsprung ins Jahr 1898: „Schwer getroffen wurde Österreich-Ungarn im alten Jahre durch den Tod seiner edlen Kaiserin-Königin Elisabeth, die am 10. September zu Genf dem Dolche eines elenden anarchistischen Fanatikers zum Opfer fiel“, beginnt der Jahresrückblick des „Anzeigers“ damals mit einer Erinnerung an den Tod von „Sissi“. Der „Wendelstein“, welcher sich als „Katholisches Volksblatt für das bayerische Oberland“ versteht, hat ein anderes Thema auf der Titelseite. Unter der Überschrift „Etwas weniger Begeisterung!“ fasst er Presseberichte zusammen, die jüngste Annäherungsversuche Kaiser Wilhelms II. an den Katholizismus kritisch betrachten. Erst zwölf Jahre zuvor war der „Kulturkampf“ zu Ende gegangen, der Konflikt zwischen Preußen und dann dem Deutschen Kaiserreich und der Katholischen Kirche.
Diese Blicke ins Zeitungsarchiv gab es schon:
Inflation und Mord-Drama am Waginger See: Das bewegte die Region vor 100 Jahren
Preußen-Bashing durch den „Kini“, Ehrungen und „Siegestropfen“: Die Zeitung vor 150 Jahren
150 Jahre alte Flachwitze, alles wird teurer und die Rinderpest rollt an
Der Kaiser dampft durch Rosenheim und ein grässlicher Unfall in Wasserburg
Post für den „Anzeiger“, Warnung vor Brasilien und drakonische Strafen für Landstreicher
Hoher Besuch auf der Weihnachtsdult, der Schmuggel blüht und „Krautwasserwurst“-Verbot
Marktverbot wegen Seuche, ein heftiger Sturm und zwei üble Verbrecher vor Gericht
„Der Wendelstein“ mag „Fischer-Franzl“ nicht, ein Hochstapler in Mühldorf und Altötting wird Stadt
Kommunisten-Sperlinge, Baustellenverzögerungen bei der Bahn und Streitaustragung per Anzeige
Wüster Zeitungs-Streit, Panik in Priener Pfarrkirche und Erbauliches zu Weihnachten
Zurück ins Jahr 1948: „Was sie vom neuen Jahr erwarten“ - Unter dieser Überschrift findet sich eine Reportage, in Rahmen derer „Menschen aus den verschiedensten Berufen und sozialen Schichten“ befragt wurden. „In all ihren Gedanken spiegelt sich die Sehnsucht zur Rückkehr normaler Zustände.“ Ein Beispiel daraus: „Lisbeth Zörr ist Kellnerin. Sie möchte im neuen Jahr ihren Gästen für weniger Marken und Geld fett- und fleischreichere Speisen servieren können. Den alten Stammgästen im Jahre 1949 wieder wie früher ordentliche Schweinshaxen mit Kraut auf den Tisch bringen zu können, ist ihr sehnlichster Wunsch.“
Letzte Messe des Jahres in der Wendelstein-Kappelle
„Der letzte Sonntag in diesem Jahre brachte von Mittag an wieder lustiges Schneetreiben“, heißt es ein Vierteljahrhundert zuvor im „Anzeiger“ in den „Stadtneuigkeiten“. „Heute nacht zog es dann wieder tüchtig an. Der letzte Tag des Jahres erwachte als einer der kältesten des zur Neige gehenden Jahres. Der gestrige Sonntag war sehr geruhsam. Man zehrte noch an den Weihnachtsfreuden und blieb im Kreise der Seinen. In der Umgebung der Stadt machte sich ein lustiger Sportsbetrieb breit.“
„Gestern, den 29. Dezember, ist die letzte heilige Messe für dieses Jahr im Kirchlein gelesen worden“, berichtet unterdessen der „Anzeiger“ vom Wendelstein, „48 Geistliche haben im Jahre 1898 im höchsten Kirchlein Deutschlands amtiert.“ Sowohl Anzeiger als auch Wendelstein berichten über einen Großbrand in der Spinnerei in Kolbermoor, der enormen Sachschaden hervorgerufen hat. „Trostberg wird eine Stadt!“, verkündet der Wendelstein dann, unter anderem, in den lokalen Nachrichten. „In der am Stephanitage einberufenen Gemeindebürger-Versammlung wurde auf Antrag des Gemeindekollegiums der einstimmige Beschluss gefasst, der königlichen Landesregierung das Gesuch zu unterbreiten.“
Und zuletzt finden sich in allen drei Jahren im Anzeigenteil Einladungen zu Neujahrs-Feiern und Glückwünsche zur Jahreswende. Beispielsweise 1898 wirbt „Thaller‘s Gasthof“ an der Bahnhofstraße für seine „Sylvester-Feier mit Streichmusik ausgeführt von der Panger Musikkapelle bei freiem Eintritt. Für guten Punsch, ausgezeichnetes, neugebrautes Bier aus der eigenen Brauerei wird bestens Sorge getragen.“ - „All unseren werten Lesern, welche uns bisher den schwierigen Verhältnissen zum Trotz unentwegt die Treue hielten, fener allen Inserenten, Geschäftsfreunden und Mitarbeitern zum Jahreswechsel die besten Glückwünsche“, wünscht dann der „Anzeiger“ im Jahr 1923. 1948 sind es dann gleich mehrere Seiten, auf denen sich Neujahrswünsche finden. Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur aus Stadt und Landkreis Rosenheim, sondern auch aus Mühldorf und Wasserburg. „Fort mit den schwarzten Bildern!“, heißt es schließlich am Abschluss einiger Gedanken in einem Beitrag voin August Leiß im OVB von Neujahr 1948, „Kann dich das neue Jahr nicht ebensogut zu Glück und Erfolg führen?“
hs