Rückblick ins Zeitungsarchiv
„Verödung“ des Max-Josefs-Platz? - Wie es vor 40 Jahren zur Fußgängerzone in Rosenheim kam
14.500 Autos rollten einst täglich über den Max-Josefs-Platz. Für manchen Zeitgenossen war es absolut unvorstellbar, das man diesen eines Tages, wie schließlich im November 1984 geschehen, zur Fußgängerzone deklarieren könnte. Sorgen kamen auf, der Platz könne „veröden“, es würde ein Fiasko für die Rosenheimer Geschäftswelt. Blickt mit uns und dem Stadtarchiv Rosenheim zurück auf die Debatten und die Entwicklung des Vorhabens in den 1970er und 80er-Jahren.
Rosenheim - „Der Versuch Fußgängerzone auf dem Max-Josefs-Platz in Rosenheim am dritten verkaufsoffenen Sonntag vor Weihnachten ist geglückt, darüber gibt es wohl keinen Zweifel: Nirgendwo traten Schwierigkeiten größeren Ausmaßes auf, das bestätigte auch die sonst sehr skeptische3 Landespolizei“, berichtete das Oberbayerische Volksblatt (OVB) am 18. Dezember 1972 in einem ausführlichen Bericht zu dem Experiment. „Ich bin nach diesem Versuch dafür, es mit der Fußgängerzone einmal zu probieren“, habe gar Polizeichef Albert Blaschke spontan geäußert.
„Viele ältere Leute diskutierten und begrüßten die Fußgängerzone in Gesprächen am Stammtisch“, berichtet Autor Günter Schießl weiter, „‘Heit is wia var 50 Jahr!“, habe einer von ihnen kommentiert. „Fazit des Versuchs also: Um Rosenheim mit seinem architektonisch reizvollen Platz noch attraktiver zu machen, hat die Stadt nicht nur eine Fußgängerzone nötig, sondern sie hat sie auch verdient.“
Aktuell gibt es wieder eine Debatte über die Schaffung einer neuen Fußgängerzone in Rosenheim. In der Münchener Straße, zwischen Gillitzer- und Salinstraße, sollen Autos bald tabu sein. Dafür haben sich die Stadträte jüngst ausgesprochen. Wie Ihr sehen werdet, erinnern die Argumente, die in der Diskussion dazu fielen durchaus an die erste Umsetzung eines solchen Unterfangens vor mehreren Jahrzehnten.
„Verödung“ des Max-Josefs-Platz? - Wie es vor 40 Jahren zur Fußgängerzone in Rosenheim kam
Wie das Stadtarchiv Rosenheim in einem Beitrag berichtet, war das Ganze die Folge von Forderungen eines Verkehrsausschusses des Wirtschafltichen Verbands, mit dem Ziel, den Durchgangsverkehr aus der Stadt herauszubringen und Rosenheims Stellung als Einkaufsstadt und Wirtschaftsstandort zu erhalten und attraktiv auszubauen. „Eine der Forderungen lautete, den Max-Josefs-Platz für den Verkehr zu sperren und in eine Fußgängerzone umzugestalten. Der damalige OB, Albert Steinbeißer, lehnte das Projekt jedoch ab, da es aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich sei, auch bestehe die Gefahr einer ‚Verödung‘ des Max-Josefs-Platzes. Dennoch wurde in der Vorweihnachtszeit 1972 quasi als Versuchsprojekt in der Münchener Straße zwischen der König-Otto-Kreuzung und der Kufsteiner Straße und auf dem Max-Josefs-Platz eine Fußgängerzone eingerichtet.“ .
Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis aus dem Versuch eine dauerhafte Einrichtung werden sollte. „Nach Fertigstellung der zweiten Innbrücke erfolgten ab 1978 weitere Probeversuche einer Fußgängerzone. 1983 wurde ein Wettbewerb zur Gestaltung der Fußgängerzone ausgeschrieben. Den ersten Preis erhielt ein fünfköpfiges Architektenteam. Für die Gestaltung des Max-Josefs-Platzes wurde ein kleinteiliges Pflaster gewählt, die Gehsteige entfielen; mit Rücksicht auf die Architektur wurde auf Bäume und feste Einbauten, wie sie von anderen Teilnehmern vorgesehen waren, verzichtet.“
Zuvor mussten auch noch weitere Details geklärt werden, wie man einem OVB-Bericht vom 19. November 1984 entnehmen kann: Wer durfte dort künftigt Würstl verkaufen? „Würstlbuden, so vermutete Oberbürgermeister Dr. Stöcker, müssen wohl die reinste Goldgrube sein, so viele Anträge sind bei der Stadtverwaltung eingegangen.“ Man einigte sich damals darauf, dass ausschließlich ansässige Metzgereien dort fürs erste Buden aufstellen dürften. Das war aber nur eine kuriose Sondernote aus dem Konzert der vielen Regelungen rund um die Einrichtung, welche etwa auch verkehrstechnisch getroffen werden mussten.
Hinfiebern auf Eröffnung im November 1984
Das OVB hatte in der Folge eine eigene Samstagsrubrik „Baustelle Fußgängerzone“ die bis zur Ausgabe vom 10./11. November 1984 mit dem Abschluss der Pflasterarbeiten lief. In der Ausgabe vom 14. November dann findet sich eine großflächige Anzeige „Rosenheims gute Stube lädt ein - Willkommen in der Fußgängerzone“. Diese war, wie das Stadtarchiv anmerkt, eigentlich schon im Oktober mit einem Flohmarkt der Wasserwacht quasi inoffiziell eingeweiht worden. Dann, am Freitag den 23. November 1984 war es endlich soweit: Die Fußgängerzone wurde offiziell eröffnet, worauf das OVB bereits in den Tagen zuvor mit ausführlichen Vorberichten und einer Quiz-Aktion hinarbeitete.
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„Schon vor der offiziellen Eröffnung haben die Fußgänger von ‚ihrem‘ Bereich Besitz ergriffen“, heißt es in einem Bericht vom Tag der Einweihung, „Autos werden von ihnen angefeindet.“ - Die Polizei gelobte zugleich verschärfte Kontrollen und konnte gleich am Eröffnungstag erste Strafzettel verteilen, wie es in einem Bericht tags darauf heißt. Gleichzeitig kündigte Bürgermeister Dr. Stöcker an, 60.000 Infobroschüren würden im Landkreis verteilt werden, um Autofahrer über die neuen Verkehrsregelungen zu informieren. „Immerhin wurde der Platz früher täglich von 14.500 Fahrzeugen überquert.“ Mit Blasmusik und viel guter Stimmung kam so die Einweihung zum Abschluss.
Wie wir bereits berichteten, bot diese Innovation übrigens auch gleich die Gelegenheit für eine Tradition, welche nach 40 Jahren inzwischen aus Rosenheim nicht mehr wegzudenken ist: Den Christkindlmarkt. Diesen hatte es in der heutigen Form zuvor nicht gegeben und wurde mit Erfolg dann in jenem Jahr auch gleich das erste Mal auf dem Max-Josefs-Platz veranstaltet.
hs

