Der „Rosenheimer Anzeiger“ und der „Wendelstein“ vom 6. Januar 1899
Erstes Motor-Dreirad sorgt für Aufsehen und „Prinz Karneval tritt seine Herrschaft an!“
Wieder einmal schauen wir an diesem Samstag ins Zeitungsarchiv: Was berichteten unsere Kollegen im Jahr 1899? Blickt mit uns in die Ausgaben des „Rosenheimer Anzeiger“ und des „Wendelstein“ vom 06. Januar 1899:
Rosenheim - „Großes Aufsehen erregte ein von einer Augsburger Maschinen-Fabrik namens Heinle & Wegelin gebautes Motordreirad, das im Laufe der vorigen Woche durch die Straßen unserer Stadt fuhr“, berichtet der „Rosenheimer Anzeiger“ aus München. Der Autor lobt die elegante und praktische Bauweise des Fahrzeugs, welches die Strecke von Augsburg zur Landeshauptsatdt in zweidreiviertel Stunden zurückgelegt habe. „Der Automobilismus bricht sich, von Frankreich ausgehend, oder eigentlich zurückkehrend, auch bei uns stetig mehr Bahn.“
Letztere Aussage bezieht sich darauf, dass es zu diesem Zeitpunkt gerade mal 13 Jahre her war, dass Carl Benz und Gottfried Daimler ihre ersten Automobile zum Patent angemeldet hatten. Die genannte Firma Heinle & Wegelin wiederum bestand von 1890 bis 1900, sollte also zu diesem Zeitpunkt keinen langen Bestand mehr haben. Insgesamt nahm das hiesige Interesse am Automobil kurz vor der Jahrhundertwende nun zunehmend wortwörtlich Fahrt auf, so findet sich beispielsweise am 21. Juli desselben Jahres ein ausführlicherer Artikel im Anzeiger, in dem der Autor einräumt, dass sich das Automobil „erst in jüngster Zeit [...] auch in unseren Straßen einzubürgern“ beginne.
Der „Rosenheimer Anzeiger“ und der „Wendelstein“ vom 6. Januar 1899: Erstes Motor-Dreirad sorgt für Aufsehen und „Prinz Karneval tritt seine Herrschaft an!“
Im „Wendelstein“ wiederum berichtet aus dem Königlichen Landgericht Traunstein: „Der 35-jährige Tagelöhner Franz Braxenthaler von Eisenärzt verübte in den Jahren 1896 und 1897 an mehreren noch ganz jugendlichen Mädchen unsittliche Handlungen und wird deshalb zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt.“ Daneben mussten sich noch eine Reihe von anderen Personen, unter anderem überwiegend wegen Diebstahls vor Gericht verantworten.
Diese Blicke ins Zeitungsarchiv gab es schon:
Inflation und Mord-Drama am Waginger See: Das bewegte die Region vor 100 Jahren
Preußen-Bashing durch den „Kini“, Ehrungen und „Siegestropfen“: Die Zeitung vor 150 Jahren
150 Jahre alte Flachwitze, alles wird teurer und die Rinderpest rollt an
Der Kaiser dampft durch Rosenheim und ein grässlicher Unfall in Wasserburg
Post für den „Anzeiger“, Warnung vor Brasilien und drakonische Strafen für Landstreicher
Hoher Besuch auf der Weihnachtsdult, der Schmuggel blüht und „Krautwasserwurst“-Verbot
Marktverbot wegen Seuche, ein heftiger Sturm und zwei üble Verbrecher vor Gericht
„Der Wendelstein“ mag „Fischer-Franzl“ nicht, ein Hochstapler in Mühldorf und Altötting wird Stadt
Kommunisten-Sperlinge, Baustellenverzögerungen bei der Bahn und Streitaustragung per Anzeige
Wüster Zeitungs-Streit, Panik in Priener Pfarrkirche und Erbauliches zu Weihnachten
Wünsche nach Normalität, Trauer um „Sissi“ und viele Feiern: Neujahr 1948, 1923 und 1898
„Der närrische Prinz Karneval [tritt] seine Herrschaft an!“, berichtet der „Anzeiger“ in einer seiner Titelgeschichten. „Den Reigen der Vergnügungen eröffnet seit vielen Jahren der Turnverein mit einer geselligen Unterhaltung und darauffolgendem Tanz.“ Weitere Veranstaltungen wie der Bäcker-Ball aber bemerkenswerter Weise auch eine Reihe von Christbaumfeiern, würden in den nächsten Tagen noch folgen. „All diesen vielen gebotenen Unterhaltungen sei viel Vergnügen und günstiger Erfolg nach jeder Richtung zugerufen.“ Wie das Stadtarchiv berichtet, lässt sich die „narrische Zeit“ erstmals mit einem Bild aus dem Jahr 1890 nachweisen. „Damals postierte die ‚Zigeunertruppe‘ des Männerturnvereins Rosenheim im Innenhof des Hofbräus für den Fotografen.“ Auch später seien vor allem die Vereine die Träger der Faschingstraditionen gewesen. Der erste Umzug habe am 18. Februar 1912 stattgefunden.
hs