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„Musste Reißleine ziehen“

Wirtshaus-Sterben im Wasserburger Land: Wer aufgeben musste – und wer einen Neustart gewagt hat

Feiern, mit Freunden treffen, ratschen: Idealer Ort ist das Valentino in Haag. Doch das Kult-Lokal schließt Mitte/Ende März, nach 34 Jahren.
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Das Wirtshaus-Sterben in der Region geht weiter, auch im Wasserburger Land. Das Valentino in Haag hat im März dichtgemacht. Doch es gibt auch Hoffnung.

Essen gehen, feiern, ratschen: Dafür ein Lokal zu finden, ist mittlerweile schwierig geworden. Auch im Wasserburger Land gab es 2024 zahlreiche Hiobsbotschaften. Allen voran die Schließung des „Valentino“ in Haag und des Brauerei-Gasthofs „Gut Forsting“. Wer noch dichtgemacht hat und wer einen Neustart gewagt hat.

Wasserburger Land – Es ist nur eine Wirtschaft in einer langen Reihe von Gasthäusern, die in den vergangenen Jahren dichtmachen musste: der Brauerei-Gasthof Gut Forsting. Nach 51 Jahren zieht sich die Pächterfamilie Luger aus dem Gastgewerbe zurück. Das berichteten Robert und Lore Luger im Oktober im Gespräch mit der Redaktion. „Es geht nicht mehr“, bedauerten die beiden Wirtsleute. Die Größe der Gaststube, die hauseigene Metzgerei und das Hotel mit 25 Zimmern: sie schaffen es nicht mehr. Die Kraft fehle, genauso wie das Personal. „Wir können die Qualität auf Dauer nicht halten und bevor sie abnimmt, haben wir beschlossen, die Reißleine zu ziehen“, sagte die Wirtin. Auch Georg Lettl, Vorsitzender der Genossenschaftsbrauerei Gut Forsting, meinte: „Eine Ära geht zu Ende“.

Neuer Pächter gefunden

Gute Nachrichten gibt es aber trotzdem: Laut Medienberichten übernimmt Franz Fiedler (26) ab Mitte Februar die Brauereigaststätte in Forsting. Der ehemalige Privatkoch von Bundesliga-Stars wie Reece Oxford und Konrad Laimer wolle die Tradition des Gasthauses bewahren und setze auf bodenständige Küche.

In Forsting geht eine Ära zu Ende: Lore und Robert Luger (Mitte und rechts) haben sich entschieden, die Pacht des Gasthofs zu beenden. Brauereichef Georg Lettl (links) sucht nach einem Nachfolger.

Auch Wolfgang Thüring vom Gasthaus Perfall machte im Januar die Schotten dicht. Der 75-jährige Gastronom hatte seine Karriere in Schloss Hart in Edling gestartet, übernahm dann 1993 die Schächinger Mühle, 2007 das Palmano in Wasserbug, 2015 das Restaurant Perfall. Anfang des Jahres verabschiedete sich Thüring dann in den wohlverdienten Ruhestand. Ebenso schlossen das Gasthaus Bichler in Ramerberg und die „Pizzeria bei Giovanni“ in Obing heuer ihre Pforten.

Einen weiteren Schock erlebten die Unterreiter im Dezember, als Wirt Philipp Huber erklärte, er öffne ab Januar 2025 nur noch donnerstags. Das Gewerbeaufsichtsamt habe bei einer Kontrolle Mängel beim Brandschutz beanstandet und einen Austausch oder eine Schließung der Innenräume gefordert. Eine Investition im unteren fünfstelligen Bereich wäre dies gewesen, berichtete Huber. Deswegen und auch aus gesundheitlichen Gründen entschied sich der Wirt, das Gasthaus zu schließen. Einen Trost für die Unterreiter gibt es aber: Donnerstags bleibt die Gastro weiterhin offen, der beliebte Pizza-Tag bleibt also erhalten. „Der Pizzaofen ist nicht an die Abluftanlage angeschlossen und ist deshalb nicht von den beanstandeten Mängeln betroffen“, erklärte er.

Wirtshaus bleibt weiterhin geöffnet

Ein weiterer Wermutstropfen: die Inhaberin der Paulanerstuben, Gabriele Heindl, hat heuer beschlossen, den großen Saal, die Inn-Terrasse und zwei Hotelzimmer in Wasserburg wegen Personalmangels nicht weiterzubetreiben. Der große Saal in der Stadt mit 100 Plätzen ging somit verloren – die letzte Heimat für viele Vereinstreffen. Heindl betonte aber, dass das Hotel mit zwölf, anstatt mit 14 Zimmern weitergeführt werde und das Wirtshaus geöffnet bleibe.

Auch das Cafesito im Bürgerbahnhof in Wasserburg musste heuer „aus wirtschaftlichen Gründen“ geschlossen werden. Besonders bitter: Es handelte sich um eine inklusive Einrichtung, in der auch Menschen mit Behinderung gearbeitet haben. Doch ein neuer Betreiber wurde bereits gefunden: Im Dezember eröffnete Rainer Gottwald, Inhaber des Kino Utopia in Wasserburg, ganz offiziell seine „Kino-Werkstatt“. Hier dürfen auch Vereine rein. Am Rande der Altstadt gibt es also ein kleines, neues Kultur- und Begegnungszentrum. Wichtig nicht nur für die Vereine, die den Wirtshaussaal in den Paulaner Stuben nicht mehr nutzen können, sondern auch für den Bürgerbahnhof, die soziale Anlaufstelle der Stadt.

Rainer Gottwald vom Kino Utopia.

Obwohl das Wirtshaus-Sterben ein großes Problem in der Region ist, gibt es auch einige Lichtblicke: Nachdem Traudl und Bert Häuslmann im Juni 2023 bekanntgegeben hatten, dass sie den Wirt‘z Rieden schließen werden, haben Manuel Scheyerl und Stefan Staudinger von SAS Events dieses Jahr im Sommer den Biergarten wieder eröffnet. Die neuen Wirtsleute wollten es zunächst noch langsam angehen lassen, um Erfahrungen zu sammeln und „gemeinsam mit den Gästen“ das passende Angebot zu entwickeln. Die Saison sei aber gut gelaufen, wie Scheyerl im Gespräch mit der Redaktion im Oktober erzählte. „Wir werden im nächsten Jahr definitiv wieder eröffnen“, sagte er.

Die Leute freuten sich über die Neueröffnung des Wirt z`Rieden.

Neu eröffnen wird auch das umgebaute Bistro „Valentino“ in Haag. Es war ein harter Schlag für die Bürger, als bekannt wurde, dass die Familie Igerl im März nach über 30 Jahren das Restaurant mit Außenbereich dichtmacht. Gastronom Noah Igerl erklärte, dass sich der Standort „einfach nicht gerechnet“ habe. „Es ist so mühsam geworden, dass wir die Lust verloren haben“, bedauerte er. Doch der Leerstand ist seit Dezember vorbei. Jasvir Singh ist dort mit seinem Team eingezogen und bietet im frisch renovierten Restaurant indische Küche an. Der 36-Jährige betreibt bereits seit rund zehn Jahren ein Restaurant in Vaterstetten, hat heuer in Haar bei München ein zweites aufgemacht und nun ein drittes in der Marktgemeinde.

Eine Institution schließt: Das Valentino in Haag hat im März dichtgemacht.

Einen weiteren Lichtblick gibt es in Au bei Gars: Nach über zehn Jahren hat das Klosterstüberl wieder seine Pforten geöffnet. Es wurde aufwendig saniert und konnte im Oktober offiziell eingeweiht werden. Auch Landrat Max Heimerl war dabei und betonte, dass Wirtshäuser „gelebte bayerische Kultur“ seien. „Wir sind eine Tourismus-Region, da tragen das Bräustüberl und die zusätzlich entstandenen Gasträume zur Bereicherung des Angebots bei“, meinte er.

Auch in Penzing gibt es seit November einen neuen Betreiber des Gasthofs am Penzinger See. Nachdem Christian Fusaro im November 2022 mit seiner Pizzeria „Osteria da Christian“ in das ehemalige Gasthaus „Lax“ in Alteiselfing übergesiedelt war, zog zunächst im März 2023 der Österreicher Benno Neukamp in das Restaurant in Penzing ein. Nach rund eineinhalb Jahren haben nun Carina Gangkofer und Florin Neagu das Gasthaus am See übernommen und eröffneten dort das „Green18“. Dort werden internationale Gerichte, wie Burger und Pasta serviert, wie die beiden Betreiber im Gespräch mit der Redaktion berichteten.

Ebenso Ersatz gefunden wurde für die „Bar Helmut“ im Theater Wasserburg. Miko Rein, Wanja Belaga und Martin Rathmann übernahmen im April die Kneipe und benannten sie in „Der Berg ruft“ um. Seitdem gibt es dort viele verschiedene Veranstaltungen: Poetry-Slam, Lesungen und eine offene Bühne für unbekannte Künstler. Veränderung gibt es auch im Landgasthaus „Suranger“ in Amerang. Zum Jahreswechsel gibt es einen nahtlosen Übergang von den Besitzern und bisherigen Betreibern der beliebten Wirtschaft. Alois und Marion Grasser übergeben an die neuen Pächter Markus und Cindy Schmiedhuber. Das Konzept bleibt aber dasselbe, wie die beiden im Gespräch mit der Redaktion berichteten. Es gibt weiterhin bayerische, gutbürgerliche und regionale Küche.

Leerstand im „Unterauerhaus“

Leerstand gibt es aber weiterhin im „Unterauerhaus“ an der Innbrücke in Wasserburg, in dem sich die Pizzeria „Adria by Enzo“ befand. Das Gebäude ist im Besitz der Sparkasse. Sprecher der Unternehmenskommunikation, Robert Minigshofer, teilt auf Anfrage mit, dass derzeit Besichtigungstermine mit potenziellen Interessenten aus dem Gastronomiebereich durchgeführt werden. „Es gibt jedoch keine konkrete Zusage eines Interessenten, daher können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine detaillierten Auskünfte zur künftigen Nutzung geben“, so Minigshofer.

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