Personalnot in der Gastronomie
Warum das Fischerstüberl Attel seit Jahren nur auf Sparflamme kocht
Teilweise nur Selbstbedienung, am Abend kalte Küche: Wenn Bedienungen und Köche fehlen, spüren das die Gäste schnell. Auch das Fischerstüberl in Attel leidet seit Jahren unter Personalnot. Woran dies nach Meinung von Juniorchef Matthias Eggerl liegt – und welche Lösungen er sieht.
Von Sophia Huber und Anja Leitner
Wasserburg – Fachkräftemangel in der Gastronomie ist nichts Neues. Bedienungen werden immer gesucht, das heißt es schon seit Jahren. Nach der Corona-Zeit ist die Situation noch gravierender. Besonders betroffen in der Region Wasserburg: Das Fischerstüberl Attel. Auch nach der Pandemie wird hier auf Sparflamme gekocht. „Wir bieten keine warme Küche nach 20 Uhr an. Im Atrium vor unserem Spielplatz herrscht Selbstbedienung und wir haben den Biergarten verkleinert“, erklärt Juniorchef Matthias Eggerl die Situation in seinem Restaurant.
Alles aufgrund von Personalmangel. Gemeinsam mit seiner Mutter Martina Fischer führt Eggerl das Gasthaus. Neun Zimmer haben sie hier, eine große Gaststube und eigentlich einen großen Biergarten. Eigentlich – denn die Hälfte der Tische ist abgebaut. „Wir können die verbliebenen Kräfte nicht alles bewirten lassen, das würde zu lange dauern und man verzettelt sich,“ weiß Eggerl. Stattdessen setze das Fischerstüberl lieber auf weniger Kunden und dafür guten Service.
Mit Kreativität und Flexibilität
Dennoch: Eggerl und Fischer mussten kreativ werden, um den Betrieb trotz der Personalsituation aufrecht zu erhalten. „Meine Mutter steht praktisch den ganzen Tag in der Küche“, erzählt Eggerl. „Eigentlich würden wir uns nur um die Verwaltung, die Organisation und alles im Hintergrund kümmern, aber das geht im Moment nicht.“ Auch er selbst hilft sehr oft aus, macht Salate und Beilagen. Nicht ideal und ursprünglich auch so nicht geplant. Wenn die Familie nicht selbst einspringen würde, wäre es nicht möglich, den sowieso schon eingeschränkten Betreib aufrecht zu erhalten. „Uns fehlen zwei Köche in Vollzeit und mindestens eine Bedienung.“
So ergeht es vielen in der Branche. „Grundsätzlich haben nicht nur wir Probleme. Der Fachkräftemangel zieht sich ja durch fast alle Unternehmen“, so Eggerl. Aber natürlich sei das Problem in der Gastro-Szene besonders groß. „Die Branche hatte schon immer eine hohe Fluktuation“, erzählt Eggerl. Die meisten Gasthäuser würden konstant nach Kräften suchen. „Das haben wir unter Corona ausgesetzt und uns seitdem nicht mehr davon erholt.“ Zudem sei das Fischerstüberl ein sehr personalintensiver Betrieb. „Wir haben neun Zimmer, das heißt wir brauchen Housekeeping-Kräfte und eigentlich jemanden für die Rezeption“, erklärt Eggerl, das Problem hätten andere Restaurants nicht. „Und bei uns findet man kaum Studenten, die nebenbei bedienen, so wie in Rosenheim.“ Das alles trage zur „prekären Situation“ bei.
Branche hat zu wenig auf Ausbildung gesetzt
Seit fünf Jahren würden sie nach Küchenkräften suchen, so Eggerl. „Man findet einfach kein qualifiziertes Personal, nicht im Gastro-Bereich.“ Ein bisschen sei es ein hausgemachtes Problem der Branche, gibt Eggerl zu. „Es wurde zu wenig auf Ausbildung gesetzt und die Löhne sind zu gering.“ Im Fischerstüberl hat man daraus gelernt, das Gasthaus bildet Köche selbst aus. Zudem habe die Gastronomie ein Imageproblem, gegen das die Branche bisher zu wenig vorgegangen seien. „Es heißt immer: In der Gastro ist es stressig, die Arbeitsbedingungen sind schlecht – aber das stimmt nicht.“ Natürlich sei der Beruf nicht für jeden etwas. „Man muss mit Menschen können“, gibt Eggerl zu, „aber ich arbeite sehr gerne in der Gastronomie. Es macht mir großen Spaß.“
Dass sich das Problem des Fachpersonalmangels nicht schnell lösen wird, ist auch Eggerl klar. Aber er hat Vorschläge, wie langfristig wieder mehr Kräfte in die Gastronomie kommen könnten. Mehr Mitarbeiterwohnraum, flexiblere Arbeitszeiten, zum Beispiel durch die Einführung einer Wochenarbeitszeit, sind nur ein paar seiner Vorschläge. Die wichtigste Forderung von Eggerl: „Wir müssen die Minijobgrenze nach oben setzen“, meint er. Viele seiner Angestellten würden gerne mehr arbeiten, es aber aufgrund der steuerlichen Abgaben, die sie als Teilzeitkräfte leisten müssten, nicht tun. Geschäftsführerin Martina Fischer sieht das ähnlich: „Arbeiten muss sich wieder lohnen. Wir müssen es attraktiver machen.“
„Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln“
Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) weiß, dass der Fachkräftemangel „die größte Herausforderung“ für die Branche sei. Darüber hinaus zeichne sich das Gewerbe dadurch aus, dass es viel Personal benötige. „Und auch der demografische Wandel spielt eine große Rolle“, verdeutlicht er. „Die ‚Babyboomer‘-Generation geht in Rente, gleichzeitig haben wir weniger Schuleintritte. Die Schere geht deutlich auseinander. Und die Gastro- und Hotelbranche spürt diese Entwicklung als erstes“.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken sieht er vor allem die Politik „auf allen Ebenen“ und die Gesetzgebung in der Pflicht. „Der Anreiz zum Arbeiten muss geboten werden. Es muss einfach mehr vom Lohn übrig bleiben“, so Geppert. Weiter setzt der Landesgeschäftsführer auf „qualifizierten Zuzug von Arbeitskräften“. Dazu müsse auch der Wohnraum für Mitarbeiter geschaffen und die Wochenarbeitszeit flexibel verteilt werden. „Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln“, so seine Aufforderung an die Politik.
Ein weiteres Problem: Die Frist der sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen läuft Ende 2023 aus. „Wenn wir wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen müssen ist das ein echtes Dilemma, nicht nur für Gastronomie und Hotellerie, auch für die zahlenden Gäste“, verdeutlicht er. Für ihn gilt es, die dauerhafte Entfristung der reduzierten Mehrwertsteuer zu erreichen.
