Tragisch, niedlich, kurios
Hund, Vogel, Bär und Wolf im BGL: Ein tierischer Jahresrückblick 2023
Herzzerreißend ist die Geschichte der Hündin Agape, die von einem Jäger erschossen wurde. Der Fall liegt nun bei Gericht. Aber auch andere Tiere haben die Menschen im Berchtesgadener Land im Jahr 2023 bewegt, vom ausgesetzten Rüden Moritz über die großen Beutegreifer Bär und Wolf bis hin zum ausgebüxten Nymphensittich Coco und kuriosen, ungeklärten Fällen.
Berchtesgadener Land - Bunt ist die Mischung aus tierischen Geschichten in diesem Jahr. Der Landkreis hatte nicht nur Wolf und Bär zu Besuch, sondern auch die Schicksale einzelner Haustiere gingen ans Herz. Ganz besonders das von Agape.
Hündin wird von Jäger erschossen
Warum musste Agape sterben? Der Artikel über die Appenzeller Sennenhündin war einer der meistgelesenen im Jahr 2023. Agape wurde am frühen Morgen des 6. Februar von einem Jäger in den Kopf geschossen. Ihr Schicksal schockiert, berührt und wirft viele Fragen auf. Für einen Abschuss eines Hundes müssen nämlich drei Dinge zutreffen: Der Halter darf nicht in Sichtweite sein, der Hund muss frei laufen und wildern. Agapes Frauchen befand sich jedoch nur etwa 15 Meter von ihr entfernt. In dem Gebiet müssen Hunde nicht angeleint werden und Agape lief lediglich zusammen mit vier weiteren Hunden über eine Wiese und hat nicht gewildert.
In einem Gespräch, das am Nachmittag des besagten Tages zwischen der Halterin, dem Schützen, weiteren Jägern und der Polizei stattfindet, sprechen die Jäger von einer tragischen Verwechslung: Es sei Fuchsjagd gewesen und der Schütze habe Agape mit einem solchen verwechselt. Schwer zu glauben, wenn man bedenkt, dass Agape viel größer als ein Fuchs war und auch völlig anders aussah. Außerdem fiel der Schuss aus einer Entfernung von nur 32 Metern. Durch das Zielfernrohr sollte man einen Hund bei Tagesanbruch klar erkennen können.
Am 8. Februar erstattet die Petra Wanie Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Traunstein. „Da wurde mit einer scharfen Waffe geschossen. Ein Jäger darf nur dann schießen, wenn er sich absolut sicher ist, was er im Visier hat“, erklärt die Rechtsanwältin der Halterin im Gespräch mit BGLand24.de. Das Tier wird in München obduziert. Wegen Tiertötung und Sachbeschädigung soll der Schütze schließlich 120 Tagessätze Strafe zahlen. Doch gegen den Strafbefehl legt er Einspruch ein.
Beim Gerichtstermin im Amtsgericht Laufen am 21. November dann der Paukenschlag: Der Nürnberger Anwalt des Schützen wirft gleich zu Beginn Richter Josef Haiker Befangenheit vor, weil dieser die Nebenklage der Halterin zugelassen hat. Eine Zulassung scheide jedoch „bei leichter Verletzung und Sachbeschädigung“ aus. Es folgt eine fast zweistündige Unterbrechung. Da die Entscheidung über den Befangenheitsantrag am selben Tag nicht mehr möglich ist, wird die Verhandlung ausgesetzt. Der Veterinär-Pathologe als Sachverständiger, die sechs Zeugen sowie die Hundebesitzerin mit ihrer Anwältin werden wieder nach Hause geschickt.
Petra Wanie bestätigt im Gespräch, dass der Befangenheitsantrag am 6. Dezember von der Amtsgerichtsdirektorin Daniela Krammer als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nun wurden statt einem einzigen neuen Termin gleich drei Tage im Januar und Februar 2024 für die Hauptverhandlung bestimmt, in der die Zeugen und der Sachverständige zu Wort kommen. Was natürlich auch höhere Kosten zur Folge haben wird. Sollte der Jäger schuldig gesprochen werden, muss dieser die Kosten übernehmen. Agapes Frauchen darf wegen der Nebenklage die ganze Zeit im Gerichtssaal anwesend sein. Wir werden vom Prozess berichten.
Vor dem Tierheim ausgesetzt
Herzlos wird im März der Mini-Bullterrier Moritz vor dem Freilassinger Tierheim ausgesetzt. An einen Laternenmast angebunden, wird er einfach sich selbst überlassen. Die Leiterin Christine von Hake erklärt, dass sich viele während der Pandemie einen Hund angeschafft hätten. Doch die Finanzierung und Erziehung eines Hundes überfordere oft die Halter. Der Besitzer wurde ausfindig gemacht, hat den Hund jedoch nicht zurück bekommen.
In der Zwischenzeit wurde der Rüde auch schon einmal vermittelt. „Die Leute haben es aber einfach unterschätzt, wie viel Management anfangs notwendig ist“, sagt von Hake. Moritz ist nun wieder im Tierheim. „Mittlerweile haben wir ihn medizinisch auf den Kopf stellen lassen. Wir haben gerade mit der Schilddrüsenbehandlung angefangen und hoffen, dass er bald gut eingestellt ist. Aber das dauert natürlich ein bisschen.“ Er habe sich mit der Hündin Sina angefreundet und sei ansonsten guter Dinge. Hoffentlich findet Moritz bald ein Zuhause, wo er all das Schlimme vergessen kann, das ihm zugestoßen ist.
Der Bär geht um
Über einen Monat lang streunt im Frühjahr ein Braunbär durch Südostbayern. Am 16. April hinterlässt er ein Haarbüschel am Sudelfeld. Es folgen Risse und Spuren in Richtung Osten. Am 6. Mai nimmt ihn eine Wildkamera in Siegsdorf auf, zwei Tage später eine in Schneizlreuth. Dort läuft er keine 200 Meter entfernt an der Forellenzucht der Pichlers vorbei. Das Paar hat jede Menge Tiere: Lamas, Ziegen, Enten, Gänse, Hühner und Hunde. Zum Glück scheint der Bär nicht hungrig zu sein. Auf ihrem Anwesen bleiben alle Tiere unversehrt. Bürgermeister Wolfgang Simon stellt sich bei der Diskussion, was mit dem Bären passieren soll, klar hinter die Landwirte von Schneizlreuth: Sollte er zum Problem werden, „muss er erschossen werden.“
Am 15. Mai erreicht Meister Petz Maria Gern bei Berchtesgaden und reißt dort zwei Schafe. Für den Bauern beginnt eine Odyssee. Der Riss wird zunächst vom LfU (Landesamt für Umwelt) unter dem Verdacht Wolf geführt. Nach langen zehn Tagen wird ihm mitgeteilt, dass das Ergebnis der Spurenanalyse da ist, aber nicht, wie das Ergebnis lautet. Erst am 30. Mai, kurz vor der offiziellen Pressemitteilung, wird ihm gesagt, dass es doch ein Bär war.
In der Zwischenzeit ist der Braunbär ins Salzburger Land abgewandert. Sein tragisches Ende: Er wird am 23. Mai im Pongau von einem Zug erfasst und erliegt seinen Verletzungen. Die Verschwörungstheorie, Wilderer hätten das Tier erschossen und auf die Gleise gelegt, bestätigt sich durch die Obduktion nicht. Ein genetischer Abgleich beweist zudem, dass es sich um dasselbe Tier handelt, das am Sudelfeld Haare und am Riss in Maria Gern Spuren hinterlassen hat. Der Bär wurde inzwischen präpariert und als Lehrmittel im Jagdzentrum der Salzburger Jägerschaft in Stegenwald bei Werfen öffentlich aufgestellt.
Erneut ein Bär oder Wolf?
Das Bader-Meinhof-Phänomen beschreibt eine kognitive Täuschung. Dinge, die einem besonders auffallen oder mit denen man sich gerade beschäftigt hat, sieht man plötzlich überall. Dieses Phänomen scheint auch nach dem Bären aufgetreten zu sein. Denn plötzlich können sich die Redaktion sowie diverse Social Media Gruppen nicht mehr vor Meldungen über angebliche Bärensichtungen retten. Sogar Landrat Bernhard Kern appelliert an die Bevölkerung, angebliche Sichtungen nicht leichtfertig zu verbreiten. Eine Bärensichtung mit Bild aus Bischofswiesen erweist sich im Mai nämlich als Falschmeldung.
Eine besonders witzige Auflösung einer Sichtung findet in der Bartgeier-Community statt. Über die Webcam des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz kann man den beiden neu ausgewilderten Bartgeiern im Klausbachtal per Webcam beim Heranwachsen zusehen. Doch am 25. Juni ist da plötzlich ein ganz anderes Tier mit einem wuchtigen Körper und scheinbar runden Ohren zu sehen. Die Spekulationen gehen von einem Wildschwein über einen Wolf bis hin zum Bären, für den sich die meisten User aussprechen. Doch die Größe täuscht. Ein späterer Screenshot bringt Gewissheit: Es ist nur ein kleiner Fuchs. „Der streift an der Stelle öfter herum und sucht nach Futter“, erklärt eine Sprecherin des Nationalparks gelassen.
Im Oktober dann erneut ein kurioser Fall. Ein Reh wird in der Oberau gerissen. Vom hinteren Teil des Körpers ist fast nichts mehr übrig. Im Verdacht steht ein Wolf. „Am gleichen Tag wurde ein Mitglied des Netzwerks Große Beutegreifer mit der Begutachtung des Kadavers beauftragt“, erklärt das LfU auf Anfrage. Als der Mitarbeiter zur Begutachtung eintrifft, ist der Kadaver jedoch verschwunden. Ob jemand das Reh weggeschafft hat oder es von einem anderen Tier verschleppt wurde, lässt sich nicht mehr klären.
Kleiner Ausreißer wird gefunden
Ein glückliches Ende nimmt die Geschichte des Nymphensittichs Coco in der Schönau. Nachdem die 85-jährige Marianne Hasenknopf keine Laufenten mehr halten kann, besorgt ihr die Familie den hübschen Vogel. Coco darf den ganzen Tag über im Wohnzimmer frei fliegen. Doch am 9. September passiert es: „Die Haustüre war offen und ich bin ins Wohnzimmer gegangen wie sonst auch. Da kam er gleich angeflogen und hat sich auf meinen Kopf gesetzt. Ich hatte die Hände voll und konnte nicht die Türe zu machen. Und da war er schon weg“, erzählt die Besitzerin. Coco ist nirgends zu finden.
Verzweifelt ruft sie ihre Nachbarin Vroni Grüßer an. Diese nutzt ihren Facebook-Account und postet die Suche nach dem Vogel in diversen Gruppen. Jede Menge Sichtungen werden gemeldet, von Bad Reichenhall bis Rosenheim. Doch kann ein Nymphensittich in so kurzer Zeit so weit fliegen? Nach vier langen Tagen kommt endlich der erlösende Anruf. Coco sitzt am Kneippbecken im Löslerpark, nur etwa zwei Kilometer entfernt. Er setzt sich auf die Schulter seiner Retterin und die spaziert mit ihm nach Hause und sperrt ihn in die Garage, von wo ihn Vroni Grüßer abholt. „Er hat gefressen wie ein Weltmeister“, lacht sie. Marianne Hasenknopf ist glücklich. „Ich habe ihn schon sehr vermisst.“ Auf erneute Anfrage von BGLand24.de erklärt Vroni Grüßer, dass es der Besitzerin mit ihrem Vogel bestens geht. „Mit 85 Jahren keine Selbstverständlichkeit“, freut sie sich.
mf







