Nach Fotobeweis in Schneizlreuth
Braunbär auf Beutezug? Er lief direkt an Fischen, Lamas und Ziegen vorbei
Die Forellenräucherei der Pichlers liegt direkt zwischen den beiden Stellen, an denen Wildtierkameras den Braunbären fotografiert haben. Neben den Fischen befinden sich auf dem Hof in der Gemeinde Schneizlreuth noch jede Menge weitere Tiere - ein wortwörtlich gefundenes Fressen für den Bären?
Ristfeucht/Schneizlreuth - Im Gespräch mit BGLand24.de erzählt das Paar, wie es mit der neuen Situation umgeht. Und auch Bürgermeister Simon bezieht klar Position. Der 500 Jahre alte Hof von Hermann und Manuela Pichler liegt nur 200 Meter von der Stelle entfernt, an der eine Wildtierkamera am 8. Mai den Bären aufgenommen hat. „Der Bär muss oberhalb des Hauses am Zaun vorbei und hinauf zum Motzenwirt gegangen sein. Die Hunde haben auch nach oben hin angeschlagen“, erklärt Hermann Pichler. Kurz darauf hat eine zweite Kamera den Bären in der Nähe des Motzenwirts aufgenommen. Besonders brisant: Die Pichlers betreiben eine Forellenräucherei und halten neben den rund 1000 Kilogramm lebenden Fischen auch noch Lamas, Ziegen, Enten, Gänse und Hühner. - Also jede Menge potentielles Futter für einen Bären. „Heute Nacht sind zwar zwei Enten verschwunden, aber das ist bei uns oftmals auch der Fuchs.“ Dass sich der Bär näher ans Haus heran traut, glaubt Manuela Pichler nicht. „Wir haben einen Zaun und drei Hunde, einer davon wiegt 70 Kilo. Auch ein Jagdhund ist dabei. Aber ungut ist es trotzdem. Wir gehen da immer in der Früh vorbei. Man weiß ja nicht, wie so ein Bär reagiert.“
Ein Nachbar des Paares ist Jäger und besitzt schottische Hochlandrinder. „Wenn ein Kalb dabei ist, ist das auch gefährlich. Die kann man nicht einsperren“, sagt Hermann Pichler. Und auch der Sohn der Pichlers war am besagten Tag gleich gegenüber beim Jagen. „Am ersten Tag habe ich dem Sohnemann schon angeraten, er soll nur bewaffnet spazieren gehen. Am zweiten Tag nicht mehr, weil man sich ja auch wieder beruhigt.“
Bürgermeister Simon sieht noch keine große Gefahr
Von dem Bären hat Schneizlreuths Bürgermeister Wolfgang Simon erst zwei Tage nach den Aufnahmen von einem Bürger erfahren, der wegen einer anderen Angelegenheit bei ihm war. „Da ist einiges im Umlauf und es entstehen immer neue Varianten und Geschichten zu den Bildern“, schmunzelt er. Daraufhin habe er einen Jäger angerufen, der ihm dann mitteilte, wo genau die Bilder entstanden sind. „Dann habe ich noch einen Berufsjäger angerufen, der in Weißbach groß geworden ist. Der erzählte mir dann, dass ein Problembär dadurch entsteht, dass der Mensch ihn anfüttert.“
Ähnliche Geschichten kennt Simon bereits über den Fuchs: „Vor vielen Jahren hat etwa ein Fremdenverkehrsbetrieb Füchse angefüttert, damit die Leute was zu schauen haben. Dann ist das problematisch: Wenn der Bär den Menschen damit verbindet: ‚Oh, da bekomme ich was zu essen.‘ Er hat ein gutes Geruchsorgan. Angeblich riecht er einen Kadaver auf eineinhalb Kilometer. Dann riecht er auch die Wurstsemmel im Rucksack und läuft hinterher.“
Große Angst bereitet Simon der Besuch von Meister Petz allerdings nicht. Mit den Behörden sei er daher bisher auch noch nicht in Kontakt getreten. „Der letzte bayerische Bär ist 1835 erlegt worden. Der Bär gehört also schon zu Bayern, aber man muss genau hingucken, wie viel Platz er hat.“ Der Bär ernähre sich zu über 80 Prozent vegetarisch und stelle somit eine geringere Gefahr dar als etwa der Wolf. „Jetzt war der da, der wird schon wieder weiter sein. Und wenn er wieder weiter zieht: was soll’s? Genauso beim Wolf: Der rennt hier durch und sucht die Population in der Schweiz. Das ist für die Landwirte ärgerlich genug. Aber richtig zum Thema wird es nur werden, wenn er sich im Rudel niederlässt.“
„Wenn er dem Menschen zu nahe kommt, muss er weg“
Sollten der Bär oder auch der Wolf irgendwann wirklich zum Problem werden, ist die Position des Bürgermeisters eindeutig. „Man muss sich klar zur Landwirtschaft bekennen und sagen: dann muss er weg. Er ist nicht vom Aussterben bedroht. Ein wildernder Hund wird ja auch erschossen. Hier sehe ich keinen großen Unterschied. Für viele bin ich vielleicht hartherzig, das ist mir dann aber auch egal. Da stehe ich voll auf der Seite der Bauern, obwohl ich nicht immer auf ihrer Seite bin. Die Bergbauern, die wir gerne erhalten wollen, sind davon abhängig, dass ihr Vieh auf die Almen kann.“ Der Anwohner Hermann Pichler sieht das genauso: „Wenn er dem Menschen zu nahe kommt, muss er weg. Er gehört auch nicht zu uns her. Hier ist es zu dicht besiedelt.“
Zu seiner TV-Aussage auf News5.de, der Bär müsse, falls er zum Problem wird, erschossen werden, hat Simon eine wütende E-Mail bekommen, in der er als grausam bezeichnet wird. „Wenn ich ‚entnehmen‘ sage, ist das aber dasselbe“, entgegnet er. Simon geht davon aus, dass für die Entnahme eines Bären das Landratsamt zuständig wäre. „Manche Jäger werden auch Angst davor haben, das zu tun. Es gibt eine Tierlobby. Da muss man auch Sorge vor Anfeindung haben. Das ist nicht schön, aber da muss dann ein Profi, also ein Berufsjäger ran.“
Touristen sollen auf den Wegen bleiben
Rückmeldung von besorgten Bürgern gab es bisher keine. Die Landbevölkerung sehe das recht entspannt und könne die Situation auch besser einschätzen als Menschen in einem urbanen Umfeld. Allerdings sind auch viele Touristen auf den Wanderwegen unterwegs. Dem Bürgermeister kommen dann doch Bedenken: „Wenn da mal was passieren sollte und es publik wird,...“
Eine konkrete Handlungsempfehlung möchte Simon nicht an die Bürger geben. Keine Tiere mehr auf die Weide zu lassen, hält er für unmöglich. „Du kannst den Bauern nicht einschränken, weil da ein Bär rumläuft. Wir sind in einem Kulturraum. Bälle kann ich viele lostreten. Die Frage ist, ob es berücksichtigt wird. Ich glaube, die Landbevölkerung füttert den schon nicht an.“ Ein Bär auf der Terrasse sei schon auch eine andere Kategorie als ein Fuchs. Solange er nicht angefüttert werde, „reicht es auch zu sagen: Leute, geht nicht näher ran.“
Die Pichlers hoffen, dass der Bär nun weiterzieht. Doch unweit von Ristfeucht, nämlich im österreichischen Unken, wurde erneut ein Bär von einer Kamera eingefangen. Bis dorthin sind es nur ein paar Kilometer. Ob es sich um denselben handelt, ist bisher unklar. In dem Gebiet befinden sich Schafe auf der Weide. Zum Glück ist aber auch dort bislang nichts passiert. Die Pichlers sind gelassen. „Man muss einfach jetzt mit der Situation leben, es hilft nichts. Das wird immer wieder mal vorkommen, dass der Bär durchzieht“, so Hermann Pichler. „Man kann nicht den ganzen Tag bewaffnet herum laufen. Das Leben geht weiter. Wir haben nachts sowieso die Tiere im Stall. Bis auf die Ziegen, die können wir nicht einsperren. Die wird er aber nicht so schnell erwischen.“ Auf den Almen könne man gut mit Herdenschutzhunden arbeiten, meint seine Frau. Und die Touristen sollen einfach auf den Wegen bleiben und nicht quer durch die Wälder laufen.
mf

