War‘s der aus dem Mangfalltal?
Bär auf Spaziergang in Siegsdorf: Wie die Menschen auf den ungebetenen Gast reagieren
Erneut wurde ein Bär in der Region gesichtet: Ein kräftiges Exemplar tappte nahe Siegsdorf im Landkreis Traunstein in eine Fotofalle. Und es hinterließ Spuren. War es der Bär von Oberaudorf? Politiker aus der Region sprechen Klartext.
Siegsdorf - Am uralten Mesnerwirt und an der Kirche St. Johann vorbei, dann auf einen halboffiziellen Pfad: Christine Paxmann spazierte am Samstag, 6. Mai, gerade auf ihrer Lieblingsrunde in Siegsdorf, als sie über die Spuren stolperte. Tief in den feuchten Wiesenboden gepresste Abdrücke von riesigen Pranken. Ein Bär, das war ihr fast sofort klar. Die Münchnerin zog ihr Smartphone, fotografierte die Stapfen - und benachrichtigte das Landesamt für Umwelt in Augsburg. „Wirklich spannend“, so empfindet sie ihre Entdeckung. „Meine Nachbarin dagegen war in heller Aufregung.“
Bären in Südostbayern: Das Unbehagen nimmt zu
Helle Aufregung, das ist auch das Stichwort für viele andere Menschen in der Region. Denn die Spuren, die Christina Paxmann entdeckte, sind nicht die einzigen vom vergangenen Wochenende. Am Sonntag lief der Bär bei Meisau zwischen Inzell und Siegsdorf in eine Fotofalle. Ebenfalls vom 7. Mai datieren die Beobachtungen eines Jägers, der nicht weit von der Fotofalle entfernt Spuren entdeckte. Beide Sichtungen wurden vom Landesamt für Umwelt (LfU) bestätigt.
Ein Bär, auf Tournee durch Bayern und Tirol?
Die Spuren aus der Umgebung von Siegsdorf sind die bislang letzten in einer langen Reihe von Bärensichtungen seit März 2023. Mittlerweile konnten die Tiroler Behörden Spuren eines Risses am 24. April bei Wildschönau einem Braunbären zuordnen. Auch die Spuren, die am 5. Mai im Glemmtal hinter Saalbach-Hinterglemm auf 2000 Meter Höhe entdeckt wurden, hat ein Bär hinterlassen.
Zuvor hatte sich der Bär zwischen dem 16. und 22. April in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach aufgehalten. Am Berggasthof Bichlersee in Oberaudorf hatte er drei Schafe gerissen. Eindrucksvolle Fotos von Bärenspuren konnten Skitourengeher am Sudelfeld aufnehmen.
Ist es immer ein und derselbe Bär, der seiner Tour in Bayern und Tirol nun einen Wochenend-Ausflug nach Siegsdorf anhängte? Möglich erscheint es: Bären können beachtliche Strecken zurücklegen. Das Tier müsste dazu allerdings auch noch die Inntalautobahn und den Inn gequert haben.
Der Bär müsste schon sehr viel Ausdauer haben
Und - es müsste wirklich sehr ausdauernd und wanderlustig sein. Denn schon am Samstag entdeckte Christine Paxmann die Spuren bei St. Johann, nur einen Tag nachdem die Spuren im Glemmtal einem Jäger aufgefallen waren.
Die Spuren im Schnee können sich zwar länger als einen Tag halten und somit älter sein. Aber auch für zwei Tage wäre die Entfernung zwischen Saalbach und Siegsdorf reichlich bemessen: Deutlich über 60 Kilometer Strecke, durchs Gebirge, mit Ortschaften, denen er ausgewichen sein müsste. „Zu weit weg“, sagt auch der Bezirksjäger von Kufstein, Michael Lamprecht.
Ein großer und ein kleiner Bär in Siegsdorf?
Weitere Spuren deuten darauf hin, dass mehrere Bären im Grenzraum zwischen Bayern und Tirol wandern. So passen die vom Jäger entdeckten Bärenspuren bei Meisau zu einem eher kleineren Tier. Das Foto - ebenfalls aus Meisau - zeigt allerdings einen ziemlich großen Bären.
Zu einem ziemlich großen Tier passten auch die Spuren von Oberaudorf und Sudelfeld - allerdings hielt dieser Besucher sich von Menschen fern und konnte auf bayerischem Boden nicht einmal fotografiert werden. Anders das oder die Siegsdorfer Exemplare, die nicht weit entfernt von Häusern registriert wurden.
Wie viele Bären sind nun eigentlich unterwegs?
Wie viele Bären unterwegs sind, wird sich kurzfristig nicht klären lassen. DNA-Analysen könnten schnell belegen, dass es sich um Braunbären handelt. Um ein Individuum zu identifizieren, benötigen die Fachleute sehr gutes DNA-Material. Und Geduld - bis zur Analyse können Monate vergehen.
Unterdessen schießen sich Politiker in der Region auf Bär und Wolf ein. „Entscheidend sind die Leute, die da leben und arbeiten“, sagt der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner (CSU). Wenn die Almbauern keine Zukunft mehr sehen, sei das nicht nur schlecht für den Tourismus, sondern auch für die Natur in der Region. „Dicht besiedelte Gebiete sind nichts für den Wolf und den Bär.“
„Diese Tiere finden bei uns keinen adäquaten Lebensraum“, sagt auch der Traunsteiner Landtagsabgeordnete Klaus Steiner (CSU). Mit Zäunen könne man die Nutztiere nicht schützen. Zudem schade man damit auch der Natur. „Mit der Einzäunung gegen Bär und Wolf zerschneiden wir die Landschaft für andere Wildtiere“, sagte Steiner dem OVB. „Wir zerschneiden Biotope.“
Auch Traunsteins Landrat Siegfried Walch (CSU) schlägt Alarm. „Bei uns stehen die Tiere auf der Weide. Gerade diese strikt tierwohlorientierte Haltung gerät in Gefahr.“ Wenn ein Bär bei uns in der Region heimisch würde, bedeute dies eine Gefahr für die Sicherheit von Mensch und Tier. „Wir werden umgehend die rechtliche Situation prüfen, ob und ab wann eine Entnahme geboten ist.“
Vertuschung? Unsinn, sagen die Staatsforste
So neu Bärensichtungen in der Region sind, so zahlreich sind mittlerweile Wolfsspuren. Nicht wenige Almbauern beargwöhnen den Umgang der Behörden mit den Raubtieren. Auch Mitarbeitern der bayerischen Staatsforstbetriebe schlug Misstrauen entgegen. Unterschlagen die Behörden Raubtiermeldungen? „Was sollten wir davon haben?“, fragt Joachim Keßler, Leiter des Staatsforsbetriebs Ruhpolding. „Die großen Beutegreifer wie Wolf und Bär sind Angelegenheit des Landesamtes für Umwelt. Dorthin geben wir alles weiter, was uns im Wald auffällt, zeitnah und objektiv.“
Auch dem Landesamt ist aus seiner Sicht kein Vorwurf zu machen. So viele Meldungen kämen in jüngster Zeit, „das wird schon langsam unübersichtlich.“ Die Vielzahl der Meldungen, die überprüft werden müssten, forderten auch das Amt in Augsburg.


