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Bär in Berchtesgaden nachgewiesen

„Vertuschen, weil sie keinen Plan haben“ – Landwirt nach Bären-Blutbad stinksauer

Ein von einem Bär gerissenes Schaf
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Eines der gerissenen Schafe der Renoths. Nun steht fest: Es war ein männlicher Bär.

„Ich komme mir verarscht vor.“ Christoph Renoth aus Maria Gern bei Berchtesgaden ist sauer. Richtig sauer. Zwei Wochen hat es gedauert, bis der Bauer Gewissheit hatte: Seine beiden Schafe, die gerissen wurden, waren nicht Opfer eines Wolfes, wie zunächst vermutet, sondern die eines Bären. Dabei erhebt er schwere Vorwürfe gegen das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Aber erst einmal von vorne:

Berchtesgaden – Renoths Vater Kaspar entdeckt am 15. Mai um 7.15 Uhr eines der getöteten Schafe. „Das ist ein ganz frischer Riss gewesen“, erklärt er. „Als ich die Schweine gefüttert habe, habe ich es gleich gesehen. Zuerst wusste ich nicht, was ich tun soll – hingehen oder nicht. Mir ist gleich klar gewesen, was das ist, daher habe ich eine Mistgabel mitgenommen. Dann habe ich die Eva zum fotografieren geholt.“ Eva, seine Schwiegertochter, bestätigt: „Kaspar hat gleich gesagt: ‚Jetzt hat es uns erwischt, das war ein Bär oder ein Wolf.‘“

Im Gespräch mit BGLand24.de beschreibt er den grauenvollen Anblick des Tieres, so wie es auch auf zahlreichen Fotos dokumentiert ist: „Kopf und Vorderbeine waren da, am Hals hat er ein großes Stück herausgerissen. Da waren große Löcher: einmal elf Zentimeter Abstand, einmal acht. Und hinten am Euter dasselbe. Der Oberschenkel hinten war auch noch da.“ Am Nachmittag wird noch ein zweites Schaf gefunden. Dieses ist fast bis auf die Knochen abgenagt. Vermutlich hat der Bär sich zuerst an diesem satt gefressen. Tragisch auch: Es handelt sich bei den Opfern um zwei junge Mutterschafe, eineinhalb und zwei Jahre alt. „Die Lämmer werden wahrscheinlich nichts werden. Sie wurden von keiner anderen Mutter angenommen.“

Schrecklich zugerichtet. Einzelne Körperteile der gerissenen Schafe lagen verstreut herum.

Die Anwohner hören den Bären noch brüllen

Christoph Renoth informiert um 9 Uhr das LfU über den Riss. Am Abend entnimmt eine Mitarbeiterin des Nationalparks im Auftrag des LfU DNA-Proben. Christoph Renoth lässt die gerissenen Tiere erst einmal ein paar Tage liegen. Er installiert Wildkameras, um zu sehen, ob der Wolf oder Bär wieder kommt. Auf den Aufnahmen sieht man allerdings nur Füchse, die sich nicht zum Riss hin trauen, sondern außen herum gehen. Auch der Hund des Jägers, der die Sicherung der DNA-Spuren begleitet hat, zieht den Schwanz ein und wagt sich nicht näher an das tote Schaf heran. Zusätzlich fotografiert Renoth die Spuren, die der Räuber hinterlassen hat und schickt diese ans LfU. - Von dessen Seite aber nicht viel zurück kommt. Aufgrund des Alters und des Zustandes der Spuren sei keine zuverlässige Beurteilung mehr möglich.

Am Abend hören sowohl die Renoths als auch ein Nachbar den Bären brüllen. Danach ist er offensichtlich weg. Die Schafe bleiben die ersten Tage im Stall. Inzwischen grasen sie auf einer Weide, die näher am Haus und von dort besser einsehbar ist. Renoth geht davon aus, dass der Bär drei Tage lang vor Ort war. „Für das erste Schaf hat er wohl zwei Tage gebraucht, wenn man sich anschaut, wie das ausschaut. Am dritten Tag hat er das zweite geholt. Und wenn der Bär satt ist, schläft er 20 Stunden laut Wikipedia. An dem Montag war viel Zirkus, da hat er gecheckt, dass er da nicht mehr hingeht. Und dann hat er gemotzt und sich verpisst.“

Hinten von links: Die Wolfsbeauftragte des Bauernverbandes Gabi Thanbichler, Christoph Renoth und sein Vater Kaspar. Vorne sitzend: Eva Renoth

Für den Bauern beginnt eine Odyssee

Das LfU listet den Fall zunächst unter dem Verdacht eines Wolfsrisses auf seiner Website auf. Laut Gabi Thanbichler, der Wolfabeauftragten des Bauernverbandes, ist das so üblich: „Verdachtsfälle werden immer unter Wolf geführt.“ Doch für Renoth beginnt nun das lange Warten, das für ihn eine starke Belastung bedeutet. Täglich telefoniert er mit dem LfU, das ihm bestätigt, dass er als erster das Ergebnis bekommen wird. Nach zehn Tagen, am 25. Mai, wird ihm schließlich mitgeteilt, dass das Ergebnis da ist. Doch mehr erfährt er nicht. „Das Wort Bär ist nie gefallen. Es hieß nur, dass der Fall ans Ministerium weitergeleitet wurde und sie nicht mehr zuständig sind.“

Ihm wird versprochen, dass es am 26. Mai eine Pressemitteilung geben wird, doch nichts passiert. „An dem Tag habe ich dann um 18 Uhr einen Anruf bekommen, dass die Pressemitteilung doch erst am Dienstag, den 30. Mai rausgeht.“ Weitere Fragen von Renoth lässt das LfU nicht zu, da nun das Ministerium für den Fall zuständig sei. Die Pfingstfeiertage vergehen. Renoth ruft am Dienstag schließlich im Vorzimmer der Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber an, da er immer noch nicht weiß, um welches Tier es sich handelt. Er vermutet von Anfang an, dass es ein Bär ist. „Es wird einfach von Haus aus beim LfU geblockt. Es wird dir nicht zugehört und dann heißt es, es war vermutlich ein Wolfsriss. Wir haben von Beginn an gesagt: Das war ein Bär. Das stinkt mir wahnsinnig.“

Um 16.15 Uhr, kurz vor der offiziellen Pressemitteilung, kommt endlich die Bestätigung vom LfU: „Ich habe dann nur die Aussage gekriegt, dass es sich um einen männlichen Bären handelt und mir die Entschädigungsunterlagen zugeschickt werden.“ Momentan läuft der DNA-Abgleich mit dem im Salzburger Land von einem Zug überfahrenen Bären. Renoth ist sich sicher, dass ohne seinen Druck die Information über den Bären erst später an die Öffentlichkeit gegangen wäre, nämlich nach dem Abgleich. Ihn ärgert die Hinhaltetaktik des LfU und des Ministeriums. „Mir stinkt, dass man für dumm verkauft wird. Es ist eine reine Zeitgewinnung. Sie vertuschen das, weil sie keinen Plan haben. Sie wissen gar nicht, wie man da jetzt vorgehen muss. Totale Planlosigkeit.“ Zudem sei Berchtesgaden voll mit Touristen, die über Pfingsten nicht über die mögliche Gefahr durch einen Bären Bescheid wussten, ergänzt seine Frau.

Was muss geschehen?

Die Wolfsbeauftragte Gabi Thanbichler wird wohl in Zukunft eher die Beauftragte für große Beutegreifer sein, denn schon jetzt ist sie eigentlich auch für den Bären zuständig. Gegen die Planlosigkeit bei der Bedrohung durch den Bären fordert sie nun Maßnahmen. „Der Bär ist ja geschützt. Wir brauchen einen neuen Managementplan mit einer zweiten Stufe, der auch Entnahmen zulässt.“ Außerdem sei die emotionale Belastung für betroffene Bauern extrem. „Die Leute sind im Ausnahmezustand und brauchen eigentlich auch Hilfe von außen, damit ihnen jemand hilft, das alles abzuarbeiten.“

Neben Entschädigungen pocht das LfU immer auf Prävention. Renoth ist da skeptisch. „Es gibt drei Herdenschutzmaßnahmen: Den elektrischen Zaun, den habe ich sowieso. Das zweite ist der Hund, aber mit Hunden bin ich nicht affin. Das dritte wäre der Herdenanhänger, wo man die Schafe nachts hineingibt. Wir haben uns vorab schon Gedanken gemacht.“ Bereits vor zwei Jahren hatte der Bauer ein solches Herdenschutzmobil beantragt. Dieses wurde allerdings abgelehnt. Den einzig effektiven Schutz seiner 20 Schafe sieht er darin, diese einzusperren. Aber Bären können sogar in einen Stall einbrechen. Zudem sei ein Einsperren für die Almbauern im Nationalpark keine Option.

Renoth beklagt sich, dass nichts unternommen wird. „ Die Behördenwege sind einfach zu lang. Da kann dann auch nichts gemacht werden. Wir sind ja nicht die ersten, die diese großen Beutegreifer haben. Wir brauchen nur nach Italien und in die Schweiz schauen. Die sind 15 Jahre voraus. Wie haben die das Problem gelöst? Gar nicht.“

Sollte sich herausstellen, dass es sich bei dem vom Zug erfassten Bären um denselben wie den in Maria Gern handelt, wären die Renoths sehr erleichtert. - „Fürs erste definitiv“, betont Christoph Renoth. „Aber damit ist das Problem nicht gelöst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas passiert.“ Eva Renoth geht seit dem Vorfall nicht mehr alleine aus dem Haus, „auch nicht mit meinem Dirndl oder einer Freundin. Mit dem Gedanken an den Bären ist man einfach eingesperrt.“ Auch ihr Schwiegervater mag sich nicht ausdenken, wenn er zwei Stunden früher vor Ort gewesen wäre und den Bären auf frischer Tat ertappt hätte.

mf

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