Unbehagen in der Region Südostoberbayern wächst
Der Foto-Bär von Siegsdorf und Schneizlreuth: Ein kräftiger Jungbär auf Heimatsuche?
Über Siegsdorf in den Südosten und auf und davon? Ein großer, kräftiger Bär, mutmaßlich der von Siegsdorf, ließ sich gleich nochmal fotografieren - diesmal in Schneizlreuth, Landkreis Berchtesgadener Land. Sind mehrere Bären in der Region unterwegs? Das Unbehagen wächst. Wie Experten die Lage einschätzen.
Schneizelreuth/Siegsdorf - Der Bär achtet offenbar auf sein Wohlbefinden. Ein Foto vom späten Montagabend (8. Mai) zeigt ihn an einer Salzlecke, nicht weit entfernt von Schneizlreuth. „Der wird sich schon auch Mineralien zuführen müssen“, sagt Jäger Jürgen Göpfert aus Berchtesgaden, der die Wildkamera postiert hatte. Ausreichend Bewegung scheint er sich auch zu gönnen. Ein anderes Bild, von einer Wildkamera an anderer Stelle aufgenommen, zeigt den Bären eine Dreiviertelstunde zuvor etwa eineinhalb Kilometer von der Salzlecke entfernt.
Der Bär von Schneizlreuth: „Ein Jüngling, aber kräftig“
Göpfert hat sich die Fotos genau angeschaut. Und er meint: „Nach dem Körperbau noch ein Jüngling, aber kräftig.“ Es handele sich bei dem Fotomotiv wohl um einen Jungbären, der lediglich mal durchs Gelände streift und die Region durchziehe, auf der Suche nach einem Gefährten oder einer Gefährtin. Schließlich ist noch nicht bekannt, ob es sich um ein Männchen oder Weibchen handelt. Oder auch nur, ob es wirklich das Exemplar aus Siegsdorf ist.
Das ist zwar wahrscheinlich, wird aber wohl nie zu beweisen sein - aus Trittspuren oder anhand von Fotos lasse sich kein Bären-Individuum bestimmen. Dazu benötige man DNA-Proben, etwa durch Bären-Kot. Derlei wurde aber weder in Siegsdorf noch in Schneizlreuth entdeckt.
Jäger sagt: Bär ist schon weitergezogen
So oder so, Jäger Göpfert lässt sich durch die Bärensichtung nicht beunruhigen. „Bären fressen Grünzeug, Beeren, Aas. Und ab und zu mal ein Tier - wenn er es denn bekommt.“ In der Umgebung, in der das Tier fotografiert worden sei, befinden sich Schafe, Rinder, Lamas. „Aber es ist nichts passiert.“ Er habe mit Leuten aus der Umgebung gesprochen. „Es hat nirgendwo Schaden angerichtet. Es hat nirgendwo an den Häusern rumgestöbert, hat keine Biotonne umgeworfen, um nach Fressbarem zu suchen, bewegt sich mitten in der Nacht, wenn keine Leute unterwegs sind.“ Sein Fazit: „Ein unauffälliger Bär.“
Auch zwischen Siegsdorf und Inzell war der Bär fotografiert worden - direkt von vorne. Außerdem waren zweimal Spuren von ihm ans Landesamt für Umwelt gemeldet worden. Auch aus dem Bereich Siegsdorf wurden keinerlei Risse, Beschädigungen oder umgestürzte Mülltonnen gemeldet. Der Bär scheint demnach zwar relativ jung zu sein, sich aber nicht wie ein Halbstarker zu gebärden. Göpfert glaubt ohnehin, dass der Besucher von Bayern schon genug hat. „Der ist schon wieder in Österreich“, vermutet er.
Warum es so schwer ist, Bären zu identifizieren
Von Bären werden meistens nur Spuren entdeckt, so genannte Trittsiegel. Oder sie tappen in den Bereich von Wildkameras, die bei Annäherung automatisch auslösen. Seltener sind Risse oder Bären-Kot, die sogenannte Losung. Nur durch organisches Material, gewonnen etwa durch Speichelabstriche, Haare und Kot können Bären nicht nur als Spezies identifiziert werden, sondern auch als Individuen.
Die Analyse des organischen Materials ist jedoch kompliziert und zeitaufwendig - und davon abhängig, wie gut das Ausgangsmaterial ist. Schon ein Regenguss kann das Material unbrauchbar machen. Außerdem sind nur wenige Labors dazu in der Lage, das Verfahren auf dem Wege zum genetischen Fingerabdruck zu meistern. Für Wölfe arbeitet das LfU nach eigenen Angaben mit dem Senckenberg-Forschungsinstitut, Fachgebiet Wildtiergenetik, Gelnhausen, zusammen.
Erst recht für Bären ist das schwierig. Seit 2006 sind nun erstmals wieder Bären in Bayern nachweisbar, diese großen Beutegreifer sind also alles andere als Stammkundschaft. Daher schicken die Bayern ihre Proben auch nach Österreich.
Wie viele Bären es sind? Unmöglich zu sagen
Gewissheit wird es also kaum geben, und wenn doch, dann nicht schnell. Denn der oder die Bären, die zuletzt zwischen Rosenheim und Berchtesgaden für Furore gesorgt haben, haben kaum Genmaterial hinterlassen. Aussichtsreich erscheint vor allem das Material, das der Bär bei einem Riss am 19. April unweit des Berggasthofs Bichlersee hinterließ. Doch das Ergebnis der Analyse wird noch Wochen auf sich warten lassen. Nochmal anders verhält es sich bei dem Bären von Siegsdorf und Schneizlreit: Der hat noch keinen genetischen Fingerabdruck hinterlassen.
Der Almauftrieb 2023, er wird anders werden als die der Vergangenheit. „Die Stimmung ist sehr angespannt“, sagt Rosenheims Kreisbäuerin Katharina Kern. Der Bär bestimmt zur Zeit die Schlagzeilen, doch fast noch mehr Sorgen macht den Almbauern der Wolf - auch wenn die Risse vom 22. und 23. April nahe dem Berggasthof Bichlersee nicht eindeutig bestimmt werden können. Wolf oder auch Hund, beides sei möglich, sagte das LfU dem OVB.
Die großen Beutegreifer wie Wolf oder Bär, sie setzen auch die Politik unter Druck. Die Forderung nach schnellerer „Entnahme“ der Raubtiere, zuletzt erhoben auch von Traunsteins Landrat Siegfried Walch (CSU), kursiert in manchen Gegenden hinter vorgehaltener Hand schon länger.
„Sauviecher“, sagt ein Jäger aus Tirol, der seinen Namen nicht genannt haben möchte. „Das wird auf den Almen wild aussehen.“ Es müsse wohl erst viel passieren, „damit die Leute wach werden“.

