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Im OVB-Exklusivinterview

„Investitionsstau?“ „Ewigkeitsprojekte“? Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz spricht Klartext

Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz über Mega-Projekte wie den Ausbau des Zehentstadels.
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Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz über Mega-Projekte wie den Ausbau des Zehentstadels.

Turbulente Monate liegen hinter Haag. Im Interview steht Bürgermeisterin Sissi Schätz Rede und Antwort zu den kontroversen Themen rund um die Mega-Projekte in der Marktgemeinde – und zur Frage einer erneuten Kandidatur.

Haag – Hat Haag einen Investitionsstau? Kommen die großen Vorhaben nur schleppend voran? Und wenn ja, warum ist das so? Bürgermeisterin Sissi Schätz und ihre Antworten auf drängende Fragen.

Hat Haag sich finanziell übernommen?

Frau Schätz, in Haag stehen viele Projekte an. Größtes davon ist wohl der Zehentstadel. Es gibt immer wieder Kritik, dass sich Haag finanziell übernommen hätte. Können Sie die Sorgen verstehen?

Sissi Schätz: „Natürlich ist so ein Projekt immer mit finanziellen Risiken behaftet. Wir haben auch eine Kostensteigerung, weil die letzte Berechnung noch vor der Energiekrise war. Damals lag sie bei 9,2 Millionen Euro für alle drei Bauteile samt Außenanlagen. Auch durch gewisse Änderungen, die wir vorgenommen haben, zum Thema Kino, zu Mehrzweck- und Multifunktionsraum plus Café, stellt sich das Ganze kostenmäßig sich noch einmal anders dar. Aber wir haben geschaut, dass wir alle Fördermöglichkeiten so gut wie möglich ausschöpfen. Für den Zehentstadel haben wir Förderbescheide für 80 Prozent der förderfähigen Kosten. Der Gemeindehaushalt wird natürlich durch die Investition in dem Jahr, in dem das Geld ausgegeben wird, belastet, aber man wertet das Gebäude auch auf. Der Wert der Immobilie steigt und es ist besser, eine Immobilie zu nutzen, als sie leer stehen zu lassen.“

Im Mittelteil rechnet sich der Geschichtsverein Chancen aus, hier sein Museum errichten zu können. Bekanntermaßen gibt es aber Streitigkeiten zwischen Verein und Gemeinde. Gibt es die Möglichkeit einer Einigung?

Schätz: „Letztlich ist es die Entscheidung vom Gemeinderat. Seitens des Geschichtsvereins ist wieder ein Antrag gestellt worden. Ich persönliche sehe es so, dass ein potenzieller Einzug erst nach dem Ausbau des Ostteils möglich wäre. Wir haben ein Konzept mit der Regierung abgestimmt, bei dem der Mittelteil erst einmal unausgebaut bleiben soll, mit der Möglichkeit, das zu ändern. Mir würde es gut gefallen, wenn der Geschichtsverein erst einmal mit temporären Ausstellungen, wie vor Kurzem im Pfarrheim, arbeitet. Das könnte im Westteil, im Foyer oder auch mal im Mittelteil sein. Damit könnten wir ausloten: Kann der Verein ein Museum überhaupt stemmen? Stößt das auf Interesse? Oder sollten wir lieber immer mal wieder etwas Neues präsentieren, auch mit den anderen Vereinen zusammen? Meiner Meinung nach würde letzteres besser funktionieren. Ich schaue mir gerne Ausstellungen und Museen an, aber ich finde es schöner, wenn immer wieder neue Impulse kommen, als wenn man einen Standard hat.“

Beim Zehentstadel sprechen einige von einem Ewigkeitsprojekt. Was meinen Sie, wenn die Sanierung fertig ist?

Schätz: „Es ist richtig, dass wir hier schon lange dran arbeiten, aber wir haben Fortschritte im Westteil vom Zehentstadel gemacht. Dieser soll nächstes Jahr im Herbst fertig sein. Dann können hier die Bücherei und die Volkshochschule einziehen. Wir liegen bisher gut im Zeitplan. Ich glaube, wenn erst einmal dieser Impuls da ist, wenn die Leute einen Teil betreten können, dann wird das ganze Projekt eine andere Dynamik kriegen.“

Trotzdem: Der Zehentstadel wurde vor 25 Jahren gekauft. Vor allem die CSU spricht unter anderem deshalb immer wieder vom Investitionsstau. Können Sie das nachvollziehen?

Schätz: „Ja, das kann ich absolut nachvollziehen. Wir haben wirklich jahrzehntelang beim Zehentstadel nach Nutzungskonzepten gesucht. Aber trotz aller berechtigte Kritik verstehe ich nicht, warum bestehende Konzepte immer wieder bezweifelt und nicht umgesetzt werden sollen. Es spricht nichts dagegen, dass der Zehentstadel in zehn Jahren noch so dasteht wie heute – das Dach ist saniert, die maroden Stellen sind beseitigt – aber jetzt haben wir die Chance, das umzusetzen, was wir ursprünglich schon immer vorgehabt haben, nämlich das Gebäude mit Leben zu füllen. Ich finde es nicht gut, nun noch ewig zu zögern, dadurch wird der Investitionsstau nicht weniger.“

Die Kritiker sagen allerdings, dass es wichtigere Dinge gibt. Der Zehentstadel wäre „Nice-to-have“, aber andere Dinge, wie das Fernwärmennetz, sollten vorgezogen werden. Was sagen Sie dazu?

Schätz: „Ich finde auch, dass wir das Fernwärmenetz weiter treiben sollten. Aber auch der Zehentstadel ist kein ‚Nice-to-have‘, sondern ein ‚Must-have‘, weil die Ortsmitte belebt werden muss. Das ist eine zentrale Voraussetzung, dass auch unsere Geschäftsstraße weiter prosperiert und neue Geschäfte entstehen. Das sagt auch jede Stadtmarketingfirma. Außerdem haben wir uns der Regierung gegenüber mehr oder weniger verpflichtet, mit diesen geförderten Maßnahmen unsere Ortsmitte zu stärken.“

Apropos Ortsmitte: Mit Schuh Sax hat jetzt das nächste Geschäft geschlossen. Machen Sie sich Sorgen, dass Haag zu einem Geisterort wird?

Schätz: „Der Einzelhandel hat es schwer. Das sieht man auch in größeren Städten wie Rosenheim, auch dort gibt es Leerstände oder wechselnde Geschäfte, die einfach keinen Fuß fassen können. In Haag haben wir den Eindruck, dass wir bei allen Schwierigkeiten neue Geschäfte anzusiedeln, einen guten Besatz haben. Die Läden sind attraktiv, weil sie eine gute Beratung und Qualität haben und weil sie auch im Onlinehandel aufgestellt sind. Wir haben auch ein großes Einzugsgebiet, das kommt uns zugute.“

Mit dem Masterplan verfolgten Sie unter anderem die Idee, die Ortsmitte wiederzubeleben. Das Konzept steht aber in der Kritik. Warum sind Sie der Überzeugung, dass der Masterplan der richtige Weg ist?

Schätz: „Der Masterplan ist eine Fortführung des integrierten städtebaulichen Konzepts. Dieses ist die Grundlage für alle Maßnahmen, die mit der Regierung zusammen erarbeitet werden. Ich war schon 2020 der Meinung, dass dieses acht Jahre alte Konzept nicht mehr die tragende Rolle spielen kann. Die Kernaussagen waren wichtig. Damals war der Schlossturm nicht saniert, der Schlosshof noch nicht belebt. Das waren natürlich die ersten Maßnahmen, die wichtig waren. Aber um in diesen Zeiten überleben zu können, muss das Konzept neu betrachtet werden. Ich kann die Kritik nicht ganz nachvollziehen, weil wir eine intensive Bürgerbeteiligung gemacht haben. Dabei haben wir erfahren, was sich die Befragten unter einer agilen, lebendigen Ortsmitte vorstellen und festgestellt: Die Bürger wünschen sich eine Veränderung. Nun gibt es zwei Extrempositionen: Bürger, die sagen, die Hauptstraße soll Fußgängerzone werden und andere, die sagen: Alle Parkplätze sollen bleiben und die Straßenbreite soll erhalten werden. Im Masterplan geht es darum, diese zwei Extreme darzustellen und zusammenzuführen. Das ist das Ziel. Ich gebe zu, der Masterplan ist ein schwieriges Thema. Jeder hat sich etwas anderes darunter vorgestellt. Im ISEK weiß man genau, was drin stehen muss, denn es gibt Vorgaben. Im Gegensatz dazu ist der Masterplan eine Experimentiergeschichte. Aber wir brauchen nicht jede Untersuchung des ISEK neu aufzunehmen, denn es gehört nur in die heutige Zeit transferiert. Im Herbst wird der Masterplan wieder vorgestellt. Er ist auch noch einmal konkretisiert worden. Ich hoffe, er wird dann gebilligt. Denn erst dann können wir den nächsten Schritt gehen und die Sanierungspläne der Hauptstraße ausarbeiten, mit einem ein Ziel im Kopf, das alle oder zumindest die überwiegende Mehrheit mittragen können.“

Viele wünschen sich im Zuge der Wiederbelebung der Ortsmitte auch eine Wiedereröffnung vom Hofgarten. Immer wieder heißt es, die Gemeinde würde sich dagegen stemmen. Wie sehen Sie die Chancen?

Schätz: „Wir als Gemeinde haben uns nie gegen eine Wiedereröffnung des Hofgartens gestemmt. Ohne Zweifel ist der Biergarten einer der schönsten in der Umgebung. Wenn er wieder eröffnet wird, würde er das ganze Areal sehr aufwerten. Aber es gibt einige denkmalschutzrechtliche Bedenken. Der geplante Wintergarten wird zum Beispiel nicht nur von uns, sondern auch vom Denkmalamt kritisch gesehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht einer anderen Lösung, die optisch besser ins Ensemble passt, verschließen würden. Letztlich entscheiden aber sowieso das Landratsamt und das Landesdenkmalamt, ob dem Sanierungskonzept gefolgt werden kann. Wir sind da eigentlich das kleinste Rädchen. Aber natürlich, es sind einige Dinge dort gebaut oder beantragt worden, die meines Erachtens nicht nach Gesamtkonzept ausgeschaut haben. Läge ein solches vor, würden wir uns viel leichter tun. Aber ich will keinem privaten Eigentümer reinreden. Fest steht: Es müssen die Sachen abgearbeitet werden, die das Denkmalamt fordert. Der Hofgarten ist eines der bedeutendsten Denkmäler in Haag und man muss behutsam mit der Bausubstanz umgehen.“

Das Thema Flüchtlinge hat auch Haag im vergangenen Jahr beschäftigt. Bislang sind die Standorte für Container-Anlagen abgelehnt worden. Landrat Max Heimerl pocht immer wieder darauf, dass sich die Gemeinden solidarisch zeigen sollten. Kann man denn den Vorwurf gelten lassen, dass Haag unsolidarisch ist?

Schätz: „Nein, auf gar keinen Fall. Aktuell haben wir 63 oder 64 Flüchtlinge in dezentralen Unterkünften. Mag sein, dass das von der Quote her ein bisschen zu wenig ist, aber wir sind im guten Mittelfeld. Wir versuchen wirklich, Leute anzusprechen, die leerstehende Wohnungen haben. Wir machen immer wieder Appelle und haben nach wie vor ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung. Das, finde ich, macht Solidarität ebenfalls aus. Wir könnten uns natürlich hinstellen und sagen, jeder Flüchtling soll schauen, wie er zurechtkommt. Aber es ist sehr hilfreich, wenn die Flüchtlinge Hilfe bekommen.“

Trotzdem ist es so, dass Haag im Extremfall eine Belegung der Realschulturnhalle drohen könnte.

Schätz: „Das wäre eine große Einschränkung, sowohl für die Schule als auch für die Sportvereine. Das müssen wir vermeiden. Ich würde sagen, dann sollten wir uns lieber noch einmal mit den Containerstandorten beschäftigen, die im Übrigen alle nicht ideal sind. Sollte sich die Flüchtlingskrise im Winter wieder verschärfen, müssen wir wohl in den sauren Apfel beißen und unter den verbliebenen Standorten einen suchen, der noch am besten verträglich ist. Auch, weil ich finde, eine Turnhallenunterbringung ist nicht menschenwürdig. Die Container bieten immerhin noch eine gewisse Privatsphäre, obwohl auch sie nicht komfortabel sind.“

Im vergangenen Jahr wurde immer wieder über die Wiederbelebung des Krankenhauses diskutiert. In letzter Zeit war viel Lob im Gemeinderat zu hören. Würden Sie sagen, die Rettung des Standorts Haag ist gelungen?

Schätz: „Es tut noch immer ein bisschen weh, wenn man so wie ich selber in diesem Krankenhaus geboren worden ist. Klar, dass so ein Universal-Krankenhaus nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Das sieht man auch am Beispiel Mühldorf. Aber mir tut es leid um die Altersmedizin, die einen sehr guten Stand gehabt hatte und für unseren Ort wichtig war. Wir hatten uns dadurch einen guten Ruf erarbeitet. Die Maßnahmen, die jetzt getroffen worden sind, sind sicherlich noch ausbaufähig. Die ambulante Tagespflege läuft. Ich bin gespannt, wenn das betreute Wohnen kommt, wie das Ganze dann ineinander greift. Es kommt insofern dem sozialen Zweck schon nahe, den ein Krankenhaus auch erfüllt.“

Aber es ist kein Krankenhaus.

Schätz: „Es ist kein Krankenhaus. Das Schöne ist, dass eine Facharztpraxis und verschiedene Ärzte drin sind. Das macht die Wege leichter für die Patienten. Aber es tut immer noch weh.“

Wie schaut es mit der Hauptstraße aus?

Schätz: „Wenn der Masterplan eine Billigung findet, dann können wir auch hier starten. Sei es mit einem Wettbewerb oder einem kleinen Auswahlverfahren. Das Ziel ist: Noch vor 2026 werden ein Wettbewerb oder eine Planerauswahl gestartet. Es wird auf alle Fälle ein sehr sportliches Jahr.“

In eineinhalb Jahren stehen auch die Kommunalwahlen an. Haben Sie sich schon Gedanken über eine erneute Kandidatur gemacht?

Schätz: „Natürlich macht man sich Gedanken. Aber ich sage mal, ich habe noch Zeit. Ich entscheide das jetzt noch nicht, sondern werde es dann rechtzeitig bekannt geben. Es ist auf jeden Fall nicht so, wie beim Kollegen in Wasserburg, der ganz klar gesagt hat, dass dies seine letzte Amtszeit ist. Ich möchte die Entscheidung, ob ich noch einmal antrete oder nicht, erst reifen lassen.“

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