Schocknachricht für den Markt Haag
Aus nach 92 Jahren: Schuhhaus Sax schließt in Haag – warum und wie es trotzdem weitergeht
Schlechte Nachrichten für den Markt Haag: Das Schuhhaus Sax schließt – nach 92 Jahren. Was die Gründe für diesen Schritt sind, warum es auch eine gute Nachricht gibt und wer davon profitiert.
Haag/Wasserburg – „Schuh Josef Sax“: Dieser Name hat einen Klang im Altlandkreis Wasserburg. Im Geschäft an der Münchener Straße kaufen seit fast 100 Jahren Familien die ersten Lauflern-Schuhe für das Kleinkind, später das Schuhwerk für Kommunion und Firmung, die Pumps für den Abschlussball und die Sommersandalen oder Winterstiefel. Jetzt geht diese Tradition in Haag zu Ende: Das Stammhaus schließt.
Eine Entscheidung, die den Inhabern Gabi und Josef Sax nach eigenen Angaben sehr schwerfällt. Doch: „Die Veränderungen im Einzelhandel und bei den Einkaufsgewohnheiten haben uns dazu bewogen, neue Wege zu gehen.“ Will heißen: Konzentration auf den Standort Wasserburg, wo Josef und Gabi Sax eine Filiale betreiben.
Deshalb ist für das Ehepaar Sax das Aus in Haag nicht das Ende, es markiere vielmehr einen Neuanfang. „Unser Fokus liegt nun auf dem Standort Wasserburg“, betont Gabi Sax. „Wir möchten unsere Bemühungen dort verstärken und sicherstellen, dass wir weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber und eine feste Größe im Einzelhandel bleiben.“
„Wasserburg hat Flair“
Die Entscheidung für die Innstadt liegt auf der Hand, sagt Gabi Sax. „Wasserburg hat Flair. Die Stadt ist lebendig, sie hat das, was Innenstädte heute brauchen: Aufenthaltsqualität.“ Denn es gehe beim Kunden längst um mehr als nur um das Einkaufen. „Die Leute wollen auch etwas erleben. Und wenn es nur eine kleine Kaffeepause ist.“ Deshalb würden die Menschen auch aus dem Umland gerne nach Wasserburg zum Einkaufen fahren: Hier gebe es viele zusätzliche Angebote, autofreie Gassen und Plätze, viel zu sehen und zu erleben. „Hier macht das Flanieren Spaß.“ Hinzu kämen die vielen Tagestouristen, außerdem würden die zahlreichen attraktiven Feste Gäste in die Stadt locken.
Zu wenig Entwicklung in Haag?
Eine solche Atmosphäre habe Haag leider nicht zu bieten, bedauert Gabi Sax. In den vergangenen gut zehn Jahren habe es diesbezüglich kaum noch Entwicklungen gegeben. Dabei hätten Plätze wie der Schlossturm und der Marktplatz durchaus Potenzial. Mit dem Masterplan für das Ortszentrum seien auch gute Ideen Richtung mehr Aufenthaltsqualität angestoßen worden, doch es gehe zu langsam voran. Das Stammhaus in Haag liegt außerdem nicht im Ortskern, sondern weiter draußen. Laufkundschaft, die am Schaufenster vorbeiflaniert, so wie in Wasserburg am Marienplatz direkt gegenüber dem Rathaus, wo auch noch der Stadtbus halte, gebe es in der Marktgemeinde eher wenig.
Attraktiver Ort für Mitarbeiter
In Zeiten des Fachkräftemangels müsse ein Geschäft auch daran arbeiten, den Mitarbeitenden attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Wasserburg sei auch diesbezüglich ein gutes Pflaster: Hier könne das Personal abends noch auf ein Gläschen einkehren, mittags im Café sitzen oder Besorgungen erledigen. Jedem Mitarbeiter aus Haag sei angeboten worden, nach Wasserburg zu wechseln.
Die Verkaufsfläche ist hier genauso groß wie in der Marktgemeinde: 140 Quadratmeter. In Wasserburg hat das Ehepaar Sax außerdem schon ein neues Konzept umgesetzt: Hier bietet es nicht nur Schuhe und Accessoires wie Taschen an, sondern auch die passende Kleidung. Das sei ein Wunsch von Kundinnen gewesen, berichtet Gabi Sax. Das Konzept geht nach ihren Erfahrungen auf.
Reaktion auf neues Einkaufsverhalten
Das neue Einkaufsverhalten sei außerdem ein Status quo, an dem sich nicht mehr rütteln lasse. „Da gibt es nur zwei Wege: jammern und aufgeben oder die Veränderungen annehmen und aktiv mitgestalten.“ Deshalb die Fokussierung auf Wasserburg. Und auch auf Marketing-Aktionen in den sozialen Netzwerken. Hier hat Gabi Sax während der Pandemie die ersten Auftritte gestartet, hier präsentiert sie weiterhin regelmäßig Videos mit sich selbst als Hauptdarstellerin. Eine ungewohnte Rolle, sagt sie, doch es funktioniere.
Etwa 40 Prozent der Schuhe werden nach ihren Angaben mittlerweile online gekauft. Das Stück vom Kuchen für den stationären Einzelhandel sei also kleiner geworden. „Wir wollen nicht nur den Veränderungen im Einzelhandel folgen, sondern sie auch aktiv gestalten“, sagt Josef Sax entschlossen.
„Unsere lange Geschichte im Schuhhandel ist eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft“, sind er und Ehefrau Gabi überzeugt. 1932 hatte Josef Sax Großvater das Geschäft mit Schuhmacherei gegründet. Sein Ziel: hochwertige Schuhe und exzellenten Service anzubieten. Der Firmengründer kam aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück, seine Frau Rosa schaffte es alleine, das Geschäft durch die Nachkriegszeit zu retten. Sohn Josef baute es gemeinsam mit seiner Frau weiter aus, vor 21 Jahren übernahm wiederum sein Sohn Josef mit Ehefrau Gabi. Stets hätten sie daran gearbeitet, dem Erbe gerecht zu werden. Es sei deshalb keine leichte Entscheidung gewesen, die Filiale in Haag zu schließen. Doch die Familientradition gehe weiter, wenn auch in Wasserburg. „Wir sind bereit für die nächsten 92 Jahre.“
„Wir werden die Gemeinschaft in Haag vermissen“, sagen Gabi uns Josef Sax. Die Zusammenarbeit unter den Geschäftsleuten sei immer sehr gut gewesen, auch in der Werbegemeinschaft „Haag aktiv“. Was mit dem Schuhhaus Sax an der Münchener Straße geschieht, steht nach ihren Angaben noch nicht fest. „Wir lassen derzeit alle Möglichkeiten offen“, sagen sie. Jetzt startet jedoch erst einmal der Räumungsverkauf: Am Montag, 27. Mai, geht es los.

