Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Anlieger setzen sich durch

„Dorf-Frieden nicht gefährden“: Haag denkt um bei Flüchtlingsunterkunft - aber wie geht‘s weiter?

Hatte Grund zur Freude: die Initiative von Anliegern unter Leitung von Stefan Kern (Dritter von links) hat sich mit ihren Argumenten durchgesetzt.
+
Hatte Grund zur Freude: die Initiative von Anliegern unter Leitung von Stefan Kern (Dritter von links) hat sich mit ihren Argumenten durchgesetzt.

Voller Sitzungssaal, Jubel, Applaus: Haag wird den Mietvertrag mit dem Landkreis für ein Grundstück, auf dem Container zur Unterbringung für Flüchtlinge aufgestellt werden sollten, nicht unterschreiben. Über glückliche Anlieger und ein Problem, das trotzdem noch lange nicht gelöst ist.

Haag – Der volle Parkplatz am Bürgerhaus ließ erahnen, dass am Dienstagabend, 9. April, eine wichtige Entscheidung auf der Tagesordnung des Marktgemeinderates Haag stand. Im Sitzungssaal: etwa 70 Bürgerinnen und Bürger mit gespannten Gesichtern. Sie erlebten eine Lehrstunde in Sachen Demokratie und Bürgernähe. Denn ihr Wunsch, den Parkplatz hinter der ehemaligen Post nicht als Containerstandort für die Unterbringung für Flüchtlinge zu nutzen, fand Gehör. Der Gemeinderat entschied einstimmig, den Mietvertrag zwischen der Kommune als Eigentümerin der Fläche und dem Landkreis als potenziellen Mieter nicht zu unterschreiben. Die Marktgemeinde hatte dem Landkreis das eigene Grundstück für eine Überprüfung auf die Eignung vorgeschlagen.

Das Umdenken wurde mit Applaus belohnt. „Respekt!“, zollte im Anschluss an die Sitzung Stefan Kern als Sprecher der Bürgerinitiative dem Gremium und Bürgermeisterin Sissi Schätz (SPD). Denn sie hatten mit ihrem Nein eine vorherige Entscheidung, die den Standort nicht ausschloss, zurückgenommen. „Ich finde es anerkennenswert, dass der Gemeinderat den Mut hatte“, sagte Kern.

Überzeugende Argumente

Der Druck war zu groß, „der Dorffrieden in Gefahr“, stellten die Fraktionssprecher in ihren Ausführungen deutlich heraus. Und die Kritiker hatten überzeugende Argumente, denn nach Meinung von Kern und seinen Mitstreitern eignet sich der ins Auge gefasste Standort hinter der Post nicht für Container zur Flüchtlingsunterbringung. Hier steht eine Fläche von etwa 800 Quadratmetern zur Verfügung, die in kommunaler Hand ist. Die Kritiker hatten ihre Einwände – mitten im Zentrum, zu nah an der Wohnbebauung – in mehreren Anträgen, Besprechungen und bei einem Ortstermin mit anschließender Aussprache im Pfarrheim deutlich gemacht.

Mit Erfolg: Auch Bürgermeisterin Sissi Schätz empfahl den Gemeinderatsmitgliedern, dem Abschluss eines mittlerweile vorliegenden Mietvertrags nicht zuzustimmen. Denn das Grundstück liege zu nah an Wohnhäusern. Dass es nicht ideal sei, hatte Landrat Max Heimerl eingeräumt, doch die Umsetzung einer Container-Wohnanlage auf dem Parkplatz an der früheren Post erwies sich bei einer Prüfung des Landratsamtes trotzdem als möglich.

Vorher hatte der Landkreis ein anderes Grundstück, diesmal in eigener Hand, weil auf dem Parkplatz am InnKlinikums gelegen, abgelehnt. Auch in diesem Fall hatte es großen Bürgerprotest gegeben. Die Argumente ähnlich: zu nah an der Wohnbebauung.

Notwendig und verhältnismäßig?

Bei der Bewertung des zweiten Grundstückes, jenes an der Rainbachstraße, sei jedoch nicht nur zu beurteilen, ob es möglich sei, hier Container zu realisieren, sondern auch, ob dies als notwendig und verhältnismäßig bewertet werden könne sei, fand Siegfried Maier, SPD. Es gebe im Landkreis Mühldorf schließlich noch Kommunen, die anders als Haag keine Flüchtlinge aufgenommen hätten.

Egon Barlag (FWG) erinnerte an den großen Gegenwind, den der Gemeinderat auch gespürt habe, als es um den Parkplatz am Innklinikum gegangen sei. Der Landrat habe reagiert und der Landkreis von diesem ersten Standort selber wieder Abstand genommen. Auch beim zweiten Areal, beim Parkplatz hinter der früheren Post, gebe es Kritik und Einwände aus der Bevölkerung. Diesmal habe die Gemeinde als Eigentümerin der Fläche die Sache selber in der Hand. „Können wir den Bewohnern zumuten, wovor der Landrat andere bewahrt hat? Nein“, so Barlag. Er sah den Frieden im Dorf bei einem Ja zum Mietvertrag gefährdet.

Verständnis für Unzufriedenheit

Stefan Högenauer (CSU) teilte die Meinung, warb jedoch auch für Verständnis für den Landkreis. Dieser stehe angesichts der Flüchtlingspolitik mit dem Rücken zur Wand, wenn es um die Unterbringung gehe. Deshalb sei der Landkreis auch an alle Kommunen herangetreten und habe um Nennung möglicher Flächen für Container gebeten. Die große Unzufriedenheit über die Vorschläge in der Bürgerschaft könne er jedoch sehr gut verstehen. Diese hatte sich auch in Unterschriftenlisten und Leserbriefen kundgegan.

Dr. Florian Haas (PWG) machte es kurz: Alle Argumente seien ausgetauscht, die Sachlage entscheidungsreif. Er würdigte das Auftreten der Bürgerinitiative rund um Kern, Georg Thaler und Elisabeth Irrgang, deren Argumentation stets von Sachthemen und nie von fremdenfeindlichen Aussagen geprägt gewesen seien. Kern legte Wert auf die Feststellung, dass der Standort auf dem Parkplatz hinter der ehemaligen Post auch für Flüchtlinge ungeeignet sei: zu eng, zu klein die Fläche für bis zu 100 Bewohner, keine Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten, gelegen an einer gefahrvollen Straße. „Menschenunwürdig“ sei eine solche Unterbringung.

Gefahr der Belegung von Turnhallen?

Die Entscheidung gegen eine Vermietung an den Landkreis fiel einstimmig. „Damit wird die Sache nicht leichter“, sah sich die Bürgermeisterin jedoch gezwungen, auf die Tatsache hinzuweisen, dass die Suche nach Standorten weiter geht. Die Gefahr: eine Belegung der beiden Turnhallen an Real- oder in der frisch sanierten Mittelschule.

Auch die Frustration auf kommunaler Ebene darüber, dass Gemeinden die Fehler bei der Flüchtlingspolitik ausbaden müssten, kam am Rande zur Sprache. Högenauer sprach von viel Druck, der auf die Kommunen ausgeübt werde. Barlag von der Hoffnung, die Bundespolitik komme schleunigst in die Gänge, damit das Land sich auf die Unterbringung und Integration von Zuwanderern konzentrieren könne, die wirklich als Flüchtlinge anzuerkennen seien. Den Einstieg in eine größere Debatte zur Flüchtlingspolitik auf Bundes- und EU-Ebene unterband die Rathauschefin jedoch.

Kommentare