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Jahresrückblick 2023

Jahresrückblick: Massive Widerstände in der Region: Bürger protestieren gegen Flüchtlings-Unterkünfte

Am Sonntag (3. Dezember) fand eine Demonstration gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung von Geflüchteten in Rott statt.
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Nach der Demo ist vor der Demo: Wiederholt demonstrierten die Rotter gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung von Geflüchteten.

Kolbermoor, Soyen, Haag: In der Region ringen die Kommunen mit den Herausforderungen der Flüchtlingsunterbringung. Besonders in Rott sorgte die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für hitzige Debatten. Die Emotionen und Ängste der Bürger spiegeln die gesellschaftlichen Herausforderungen wider.

Von Anja Leitner und Kathrin Gerlach

Rott/Kolbermoor/Soyen/Haag – Es ist das vorherrschende Thema in der Region: die Unterbringung von Geflüchteten. Kaum eine andere Thematik erhitzt die Gemüter so sehr. Wie viele Personen muss jede Gemeinde aufnehmen? Wo sollen sie untergebracht werden? Wie werden die Geflüchteten in die Gesellschaft integriert? Viele Fragen beschäftigten die Bürger und die Verwaltungen – und wird es sicherlich auch im nächsten Jahr tun.

In kaum einer anderen Gemeinde kam es heuer so knüppeldick wie in Rott. Direkt nach den Landtagswahlen im Oktober erhielten Bürgermeister Daniel Wendrock und die rund 3.700 Einwohner die Nachricht: Die kleine Gemeinde bekommt eine Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“. Rund 500 Personen sollen darin unterkommen. Im Gegenzug würden die Sammelunterkünfte in Raubling und Bruckmühl aufgelöst werden. Das teilte Landrat Otto Lederer einen Tag nach den Wahlen mit.

Das Vorhaben und vor allem der Zeitpunkt der Bekanntgabe löste bei den Rottern Empörung aus. Von einer „skandalösen Entscheidung“ war die Rede. Rathauschef Wendrock kündigte „massiven Widerstand“ gegen die Einrichtung an. Die Gründe seien vielfältig. „Wir halten es für grundlegend falsch, dass Aufnahmeeinrichtungen in zwei Gemeinden, die zusammen über 30.000 Einwohner haben, zulasten einer Gemeinde mit etwas mehr als 4.000 Einwohnern aufgelöst werden. Damit wächst unsere Bevölkerung quasi über Nacht um circa acht Prozent“, teilte der Rathauschef im Oktober schriftlich mit. Weiter verwies er auf die fehlende Infrastruktur in Rott.

Vorschläge für alternative Standorte

In der Bürgerversammlung, die Ende Oktober zu der Thematik abgehalten wurde, machten die Rotter ihrem Ärger Luft. Die Emotionen im Gasthaus Stechl kochten hoch und Landrat Lederer musste viel Kritik einstecken. „Ich habe Angst um meine Kinder“, sagte ein junger Vater. Eine junge Frau forderte vom Landkreis eine Bezuschussung von Selbstverteidigungskursen für Frauen. Die Einwohner machten sogar Vorschläge für alternative Standorte, wie die Mangfall-Kaserne in Bad Aibling oder das ehemalige Wasserburger Krankenhaus. Beides komme nicht infrage, so Lederer. Er betonte, er verstehe die Ängste und Sorgen der Bürger, meinte aber auch: „Wir müssen die Menschen, die zu uns geflüchtet kommen, vor Obdachlosigkeit schützen.“

Doch die Rotter geben nach wie vor nicht auf und kämpfen weiter gegen die Erstaufnahme-Einrichtung. Im November gründete sich sogar die Bürgerinitiative „Rott rot(t)iert“, allen voran Nepomuk Poschenrieder, Klemens Seidl, Heike Bachert und Günther Hein. Sie sprechen sich vehement gegen die Flüchtlingsunterkunft aus. Bis zu 500 Personen unter einem Dach, in einer Gewerbehalle ohne viel Privatsphäre: Da ist Konfliktpotenzial zu erwarten, meinte Seidl im Gespräch mit der Redaktion. Bisher hat Rott die aufgenommenen Flüchtlinge gut integrieren können, ergänzt Heike Bachert. Aber: „Bei so vielen Neuankömmlingen, die immer wieder wechseln, ist es nicht möglich, dass Vertrautheit entsteht“, zeigte sich die Kleinunternehmerin überzeugt.

Gleichzeitig wandten sich die Jusos Rosenheim-Land mit schweren Vorwürfen gegen die BI. Sie warfen der Organisation „Widerstand gegen Menschen, die wegen Krieg, Hunger und Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen mussten“ vor. „Diesen Menschen ein Dach über dem Kopf verweigern zu wollen, ist unmenschlich“, so Jusos-Sprecher Luca Fischer.

Gerüchte in Kolbermoor

Auch in Kolbermoor brodelte es gewaltig zu der Thematik rund um die Flüchtlings-Unterbringung. Schon im Februar kam das Gerücht auf, dass das Altenheim „Haus Mangfall“ in der Oberen Breitenstraße in ein Asylbewerberheim umgewandelt wird. Die Sorge der Bürger: Dass „in der Siedlung mit vielen Familien, Kindern, alten Menschen, Grundschule, Spielplätzen, Schwimmbad und Naherholung“ eine „Massenunterkunft das gewachsene soziale Gefüge stören“ könnte.

Kolbermoors Bürgermeister Peter Kloo.

Doch der Protest nützte nichts: Im August bezogen die ersten Geflüchteten das ehemalige Seniorenheim. Der Einzug sei laut Bürgermeister Peter Kloo „absolut problemlos verlaufen“. Auch im Hinblick auf weitere Zuzügler ins ehemalige „Haus Mangfall“ zeigte sich der Bürgermeister sicher: „Da wird es keine Probleme geben.“ Unbestritten bleibt: Die steigende Zahl an Flüchtlingen in Deutschland ist eine enorme Belastung für die Kommunen. „Wir müssen vor Ort Probleme lösen, auf deren Entstehung wir auf kommunaler Ebene keinen Einfluss haben“, machte Bürgermeister Peter Kloo im September auf die große gesamtgesellschaftliche Herausforderung aufmerksam.

80 Asylbewerber in Soyen

Diskussionen über Flüchtlingsunterbringung gab es ebenfalls in Soyen. Hier plante das Landratsamt die Umwidmung des Hotels „Haus am See“ in eine Unterkunft. 80 Asylbewerber sollen dort unterkommen. Das stieß auch bei den Soyenern auf Unmut, besonders Michaela Kern, Inhaberin der Ferienwohnungen „Kern‘s Hoamat“, die sich unmittelbar neben dem Hotel befinden, zeigte sich besorgt. „Wir haben kein Problem damit, dass Asylanten zu uns kommen“, unterstreicht Kern. „Aber wir haben ein Problem mit der Anzahl und der Unterbringung mitten im Dorf“, kritisierte die 23-Jährige. „Ich weiß nicht, ob meine Gäste weiterhin kommen, wenn sie erfahren, was in unmittelbarer Nachbarschaft los ist“, sagte sie im November im Gespräch mit der Redaktion.

Michaela Kern und ihr Nachbar Thomas Schöberl vor den Ferienwohnungen „Kern‘s Hoamat“, die sich die 23-Jährige vor drei Jahren aufgebaut hat. Direkt dahinter ist der Eingang zum leerstehenden Hotel „Haus am See“ zu sehen.

Auch der Soyener Gemeinderat war erzürnt über das Vorgehen des Landratsamts. Aufgrund einer versäumten Frist wurde das gemeindliche Einvernehmen automatisch erteilt. Ein Unding für die Ratsmitglieder, da ihnen so die Gelegenheit genommen worden sei, dazu Stellung zu nehmen. Letztendlich entschied sich das Gremium, in der Niederschrift der Sitzung seine Bedenken und Einwände zum Ausdruck zu bringen.

Bisher kein geeigneter Standort gefunden

Auch in Haag ist eine Diskussion über die Unterbringung von Geflüchteten entbrannt. Der Gemeinderat diskutierte in den vergangenen Sitzungen immer wieder über einen Standort. Zur Auswahl standen: der Parkplatz am Krankenhaus, der Parkplatz hinter der ehemaligen Post, das Areal am Freibad, ein Grundstück in Rosenberg in der Nähe der Bogensportanlage und die leerstehende Fläche neben dem Wertstoffhof in der Heimgartenstraße.

Während das Landratsamt den Standort am Krankenhaus prüfte, regte sich großer Protest bei den Bürgern. Es wurde sogar die Haager Bewegung „Containeralternative für Flüchtlinge“ ins Leben gerufen. Doris Köhnlein, Mitglied der Bewegung, kritisierte: „Das wäre der Dolchstoß fürs Haager Krankenhaus. Der Gemeinderat hat überhaupt nicht nachgedacht und uns diese Lage eingebrockt“, so Köhnlein.

Dann die Absage des Landratsamts: Der Standort am Krankenhaus komme nicht infrage. Wegen der „unmittelbaren Nähe zu angrenzender Wohnbebauung sowie baulichen Schwierigkeiten“ entschied sich die Behörde dagegen. Außerdem habe der Vorstandsvorsitzende des InnKlinikums, Thomas Ewald, auf die „zu erwartenden negativen Auswirkungen auf den Krankenhaus-Standort Haag hingewiesen“, teilte das Landratsamt weiter mit.

Als Nächstes prüft die Behörde, ob der Parkplatz hinter der ehemaligen Post infrage komme, doch auch hier regt sich bereits Widerstand aus der Bevölkerung. In einem Leserbrief wandte sich Stefan Kern aus Haag an die Redaktion: „Nachdem der erste Standort aufgrund der Bürgerproteste verworfen wurde, wird mit dem Parkplatz hinter der ehemaligen Post eine Lösung verfolgt, die sehr ähnliche Rahmenbedingen erfüllt. Ein Container-Dorf für Flüchtlinge im Zentrum von Haag widerspricht dem Wunsch der Bürger“, so Kern. „Die Standortwahl ist nicht nachvollziehbar, da besser geeignete Lösungen außerhalb der Wohngebiete verfügbar wären“, kritisierte er.

Prüfung noch nicht abgeschlossen

Die Prüfung ist laut Landratsamt noch nicht abgeschlossen. Die Behörde geht davon aus, dass im Januar 2024 „eine konkrete Aussage“ darüber getroffen werden kann.

Haags Bürgermeisterin Sissi Schätz.

„Die Diskussion um den Standort für die Flüchtlingsunterkunft hat auch bei uns gezeigt, dass die Menschen besorgt sind“, sagte Haags Bürgermeisterin, Sissi Schätz, in ihrer diesjährigen Weihnachtsansprache. „Ich verstehe die Ängste der Einwohner. Was ich nicht verstehe, sind die teilweise unterirdischen Kommentare in den sozialen Medien“, kritisierte die Bürgermeisterin. „Ich möchte an alle appellieren, bei einer sachlichen Diskussionskultur zu bleiben“, so die Rathauschefin.

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