Ehemaliges Hotel „Haus am See“ in Soyen soll Flüchtlingen Schutz bieten
Asylheim direkt vor der Nase - Junge Soyener sehen Existenz bedroht: „Geht doch nur ums Geld“
Das ehemalige Hotel „Haus am See“ in Soyen soll in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden. Im Dorf mehren sich deshalb besorgte Stimmen, besonders aus der direkten Nachbarschaft.
Soyen - Michaela Kern steht vor ihren Ferienwohnungen. „Kern‘s Hoamat“ ziert die Hausfassade, insgesamt zählt das Gebäude neun Wohneinheiten. Auf der anderen Straßenseite die Kirche und der Friedhof, daneben ihr Elternhaus. Eine ruhige Lage am Soyener See.
Keine fünf Meter weiter, direkt neben ihrer neuen Pension, befindet das bis dato leerstehende ehemalige Hotel „Haus am See“. Doch lange soll es nicht mehr leer bleiben, denn der Landkreis plant hier eine Unterbringung von Flüchtlingen - bis zu 80 Personen.
„Wir wurden ins kalte Wasser geworfen“
„Wir haben kein Problem damit, dass Asylanten zu uns kommen“, unterstreicht Michaela. „Aber wir haben ein Problem mit der Anzahl und der Unterbringung mitten im Dorf.“ Diesen Tenor unterschreibt ihr Nachbar Thomas Schöberl eins zu eins. Er wohnt mit Frau und zwei kleinen Kindern in direkter Nachbarschaft zur geplanten Unterkunft.
Als er von der Neuigkeit erfuhr, dass das baufällige Gebäude in ein Asylheim umgewandelt werden soll, war er zunächst fassungslos: „Der Vertrag war zu dem Zeitpunkt schon unterschrieben, wir wurden komplett ins kalte Wasser geworfen. Der Gemeinde sind die Hände gebunden. Für alle, die hier in unmittelbarer Nähe wohnen oder sich eine Existenz aufgebaut haben, war die Nachricht ein Schock.“
Kaum Fortbewegungsmöglichkeiten ohne Auto
Einige hätten bereits einen „Umzug“ in Erwägung gezogen. Auch für die Dorfmitte Soyens sei ein Asylantenheim „kein Vorzeigeobjekt“. Darüber hinaus gebe es in der Gemeinde schon Container mit 48 Asylanten, die mit den Jahren hier integriert wurden.
Viel Möglichkeit zur Fortbewegung gebe es ohne ein Auto in Soyen nicht, gibt Michaela weiter zu bedenken: „Der Zug hält nur alle zwei Stunden. Mit dem Radl kommt man nicht weit. Den Menschen bleibt nur das ‚Haus am See‘ und die unmittelbare Umgebung. Wo sollen sie auch hin?“
„Das ist mein Lebenswerk“
Für Michaela, die erst vor drei Jahren im ohnehin schwierigen Corona-Jahr 2020 ihre Ferienwohnungen eröffnete, steht nun mit der Umnutzung des Nachbargebäudes die Existenz auf dem Spiel: Sie hat viel Herzblut, Arbeit und Kosten in das Haus gesteckt. Mit Erfolg: Die Wohnungen sind gefragt und ausgebucht.
„Das ist mein Lebenswerk“, untermalt die 23-Jährige. „Ich mache das mit viel Freude und meine Arbeit erfüllt mich. Ich weiß allerdings nicht, ob meine Gäste weiterhin kommen, wenn sie erfahren, was in unmittelbarer Nachbarschaft los ist. Wer zahlt mir den Ausfall, wenn Stornierungen eintrudeln?“
„Da geht es doch nur ums Geld“
Auch in Thomas Augen sei es „traurig“, was der Besitzer des „Hauses am See“, der überdies gar nicht in der Region wohnt, mit den alteingesessenen Soyenern betreibe.
„Wir leben hier seit Generationen, haben uns Existenzen aufgebaut, eine Dorfgemeinschaft gebildet, Siedlungsfeste gefeiert. Nun setzen sie uns 80 Flüchtlinge direkt vor die Nase. Reicht es nicht, dass wir schon die Containeranlagen haben? Und wer garantiert uns, dass es nicht noch mehr werden? Da geht es doch nur ums Geld“, ist Thomas überzeugt.
Kontakt zur Politik - eher schleppend
Aufgrund der wachsenden Sorgen habe er sich schon mit Landrat Otto Lederer und Bezirksrat Sebastian Friesinger aus Albaching in Verbindung gesetzt - mit eher mäßigem Ergebnis. Häufig bekomme er dann Argumente in Richtung Bundespolitik zu hören. „Das bringt uns aber nicht weiter. Wir brauchen jetzt Lösungen auf Landesebene und nicht erst in ein paar Jahren bei den nächsten Wahlen.“
„Wir wissen nicht, ob Familien kommen, wir wissen nicht, ob es sich um junge alleinstehende Männer handelt, wir wissen noch nicht einmal, aus welchen Ländern sie kommen. Wir wissen im Grunde überhaupt nichts“, sagt Thomas mit ernster Miene. Auch der Zeitpunkt des Einzugs sei noch ungewiss. Doch Protest rührt sich bereits im Dorf, gepaart von Ängsten und Skepsis.
Aufklärung für die Soyener Bürger könnte es am Donnerstag, 16. November, geben: Da findet - wie zuletzt in Rott am Inn, wo mehrere hunderte Flüchtlinge untergebracht werden sollen - eine Infoveranstaltung zu dem Thema statt. Michaela und Thomas hoffen, dass viele Soyener kommen und ihre Bedenken vortragen.
mb
