„Wenn das so weitergeht, wird das System kollabieren“
„Lage spitzt sich zu“: Wo sollen 60 Flüchtlinge in Haag noch unterkommen?
Haag sucht verzweifelt nach einem geeigneten Standort, um rund 60 Geflüchtete in der Marktgemeinde zu beherbergen. Der Gemeinderat hat verschiedene Optionen diskutiert. Das ist das Ergebnis.
Haag – Die Marktgemeinde Haag ist immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Standort zur Unterbringung von Geflüchteten. Bereits im Juni hatte der Gemeinderat über diese Thematik diskutiert, nun stand sie wieder auf der Tagesordnung. „Die Lage spitzt sich zu, alle 14 Tage kommt im Landkreis ein Bus mit 50 Geflüchteten an, die wir unterbringen müssen“, so Landrat Max Heimerl, der in der Sitzung anwesend war. Die Unterkünfte des Freistaats seien über 96 Prozent belegt. „Wir wurden aufgefordert, Kapazitäten zur Verfügung zu stellen“, sagte er. „Wir wollen möglichst kleinere Standorte realisieren, bisher ist uns das nicht gelungen“. Die Kommunen würden sich „relativ taub stellen“.
Dem Landratsamt sei es bis dato möglich gewesen, alle Geflüchteten in Wohnungen „auf dem freien Markt“ unterzubringen. Diese Option sei aber „über kurz oder lang“ ausgeschöpft. Der nächste Schritt wäre dann die Belegung der Turnhallen, prophezeite der Landrat. „Auch im Nachbarlandkreis werden Hallen von Gymnasien genutzt. Das ist aber auf Dauer keine Alternative. Ohne Containeranlagen geht es nicht mehr. Wenn es uns gelingt, gleich mehrere Standorte zu finden, dann wären auch die Einheiten kleiner. Ansonsten gibt es große Anlagen und Belegung der Turnhallen“, so Heimerl. Circa 50 bis 60 Personen sollen in Haag unterkommen. „Wer genau dort wohnen wird – Männer, Frauen, Kinder – wissen wir vorher nicht“.
„Wenn es uns gelingen würde, die Geflüchteten in Wohnungen unterzubringen, wäre dann die Container-Frage vom Tisch?“ fragte Klaus Breitreiner (CSU), was der Landrat bejahte. „Erst einmal schon. Aber wir müssen trotzdem schauen, wie sich die Lage entwickelt. Versprechen kann ich es nicht“. Und auch die Suche nach Unterkünften gestalte sich sehr schwierig, wie Bürgermeisterin Sissi Schätz (SPD) erklärte. „Bisher haben wir eine Wohnung von einer Privatperson angeboten bekommen.“ Wolfgang Obermaier (FWG) fragte nach, wer die Kosten für die Containeranlage übernehme. „Das wird alles über das Landratsamt abgewickelt, finanziert wird die Unterkunft vom Freistaat Bayern“, erläuterte Heimerl.
„Wenn das so weitergeht, wird das System kollabieren“
Egon Barlag (FWG) zitierte aus einem Zeitungsartikel: „Wenn das so weitergeht, wird das System kollabieren“ und „Die Kommunen können nicht mehr, die Menschen wollen nicht mehr“, las er vor. Er befürchte, dass „Parallelgesellschaften“ entstehen würden, wenn die Marktgemeinde es nicht schaffe, die Geflüchteten zu integrieren.
„Die Grenze der Aufnahmefähigkeit ist erreicht, wenn die Menschen nicht mehr integriert werden können“, zeigte sich auch Heimerl überzeugt. „Doch momentan bestimmen die Schleuser in verbrecherischer Weise, wie die Personen zu uns ins Land kommen. Ich war Mitte Oktober nach dem schrecklichen Unfall auf der A94, bei dem sieben Geflüchtete ums Leben gekommen sind, vor Ort“, berichtete er. „Wir brauchen Kontrolle über Zugang ins Land. Ich kämpfe für eine menschenwürdige Unterbringung. Der Umgang mit den Ukrainern ist das beste Beispiel. Die Suche nach Unterkünften lief vorbildlich ab“, sagte Heimerl. Weiter erklärte der Landrat, dass es ab 75 Menschen, eine „Kümmerer-Stelle“ geben werde, also eine Person, die als Ansprechpartner für die Geflüchteten fungiere. Außerdem soll ein Sicherheitsdienst eingestellt werden, der – davon gehe Heimerl aus – Tag und Nacht vor Ort sei.
Sabine Binsteiner-Maier sprach sich ebenfalls für eine „menschenwürdige Unterbringung“ aus. Die geflüchteten Menschen sollen am besten dezentral beherbergt werden, damit die Integration funktioniere und auch die „Akzeptanz der Bevölkerung da ist“, so Binsteiner-Maier. Dem schloss sich Dr. Florian Haas (PWG) an. „Ich bin auch nicht glücklich über die Situation, aber wir müssen gemeinsam eine Lösung finden. Alle Kommunen müssen sich mit der Thematik befassen, es ist kein Haager Problem“, meinte er.
Schätz brachte die vom Gremium gesammelten Vorschläge für den Standort der Container-Anlage vor: Das Grundstück an der Bogenschießanlage in Rosenberg, das sich aber „weitab vom Schuss“ befinde, der Parkplatz hinter der ehemaligen Post und ein Grundstück in Winden, das an der B12 liege, wobei sich das Areal außerhalb von Haag befinde und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar sei, so die Rathauschefin.
Gremium macht verschiedene Vorschläge
Die Ideen fanden wenig Anklang im Gremium. Mehrere Gemeinderäte wiesen auch auf die Polizeistation in Haag hin, die grundsätzlich mit wenig Personal und nachts gar nicht mehr besetzt sei. „In Neumarkt-St. Veit gibt es auch keine Polizei und die Kommune hat doppelt so viele Geflüchtete aufgenommen, wie Haag“, entgegnete der Landrat. Breitreiner empfahl als alternativen Standort den Rathaushof. Das Grundstück sei erschlossen und es gebe genügend Parkplätze, meinte er. Eva Rehbein (SPD) war dafür, den Parkplatz hinter der ehemaligen Post auf Machbarkeit zu prüfen. Sie sprach sich gegen einen Container-Standort in Winden oder Oberndorf aus. Florian Haas fragte nach, ob das Gelände am Freibad nicht eine Möglichkeit wäre und Christine Sax (Grüne) schlug vor, den Parkplatz am Krankenhaus in Erwägung zu ziehen. Dieser Vorschlag stieß im Gremium auf Zuspruch.
Der Gemeinderat stimmte wie folgt über die verschiedenen Vorschläge ab: Der Standort „Parkplatz hinter der ehemaligen Post“ wurde mit 9:8 Stimmen abgelehnt, der Rathaushof ebenfalls mit 10:6 Stimmen, gegen das Areal am Freibad war das Gremium 14:2 und auch gegen den Platz neben dem Wertstoffhof in der Heimgartenstraße stimmten die Räte mit 9:8. Letztendlich entschied der Gemeinderat mit 15:1 Stimmen für den Standort „Parkplatz am Krankenhaus“.
Das Landratsamt muss für den Standort am Krankenhaus eine „baurechtliche Prüfung“ durchführen, so Heimerl. Nach der Ausschreibung könne die Containeranlage frühestens im Februar oder März 2024 in Betrieb genommen werden. Sollte sich die Lage bis dahin entspannen, dann werde die Anlage möglicherweise gar nicht benötigt, meinte der Landrat. Wenn der Parkplatz am Krankenhaus als Standort nicht infrage komme, werde der Parkplatz hinter der ehemaligen Post als Alternative in Betracht gezogen. Dafür stimmte der Gemeinderat mit 9:8 Stimmen.
