Kleine Stadt, großes Angebot: Wo es hakt
„Unausgewogen“: Warum Wasserburgs Kultur-Referentin die Geld-Verteilung kritisiert
Eigenes Profi-Theater, Kino, Tanzstudio, Galerie, Festivals und eine Kleinkunst-Bühne: Wasserburg ist stolz auf ein reiches Kulturleben. Doch Kultur-Referentin Edith Stürmlinger ist trotzdem besorgt. Was in ihren Augen fehlt, wer zu kurz kommt und warum sie findet, dass Gelder „unausgewogen“ verteilt werden.
Wasserburg – Wasserburg schmückt sich mit vielen Titeln: Sportstadt und Kulturstadt gehören dazu. Beides trägt die Kommune sicherlich zu Recht. Doch auf den Lorbeeren darf sich die Stadt in puncto Kultur nicht ausruhen, findet die zuständige Referentin, Dritte Bürgermeisterin Edith Stürmlinger (Bürgerforum). Sie legte bei ihrem Tätigkeitsbericht im Stadtrat den Finger in zwei Wunden.
Stürmlinger, die sich als Ansprechpartnerin und Vernetzerin in Sachen Kultur versteht, findet, dass die Kommune mit relativ geringen Mitteln ein großes kulturelles Angebot bietet. Zu verdanken hat die Stadt diesen Schatz in ihren Augen dem ehrenamtlichen Engagement vieler Künstler. Beispiele sind unter anderem der Kulturkreis, ein Zusammenschluss von Vereinen und Gruppierungen. Oder der Heimatverein mit Peter Rink als Vorsitzendem. Und die Künstlergemeinschaft AK 68, zusammengeschlossen in einem Verein.
780.000 Euro für die Kultur in Wasserburg
Rund 780.000 Euro standen laut Stürmlinger im vergangenen Jahr für die Kultur zur Verfügung. Auf den ersten Blick viel, „doch wenn man genauer hinschaut, wo das Geld vor allem hingeht, dann weiß man, dass davon für den laufenden Kulturbetrieb gar nicht so viel zur Verfügung steht.“ Archiv und städtisches Museum verbrauchen nach Angaben der Kulturreferentin 616.000 Euro. „Für alles andere bleiben rund 164.000 Euro, also vergleichsweise wenig“, warnte sie.
Ist die Kulturförderung also eher rückwärtsgewandt? „Wir haben eine Verpflichtung, unsere Vergangenheit zu bewahren, unsere historische Altstadt ist unser Kapital. Trotzdem meine ich, dass das Verhältnis unausgewogen ist“, kritisierte Stürmlinger. Fast 80 Prozent der Gelder, die für Kultur ausgegeben würden, „gehen in unsere Historie. Nur etwa ein Fünftel der Ausgaben bleibt für alle anderen kulturellen Angebote.“
Museum und Stadtarchiv unverzichtbar
Doch das Museum Wasserburg und das Stadtarchiv, nach Einschätzung von Stürmlinger von Sonja Fehler und Matthias Haupt „hervorragend“ geführt, seien unverzichtbar, die Förderung dieser Einrichtungen sei alternativlos. Das Museum hatte nach ihren Angaben im vergangenen Jahr 4.248 Besucher, deutlich mehr als im Vorjahr, „aber die Zahlen vor Corona mit 5000 bis 6000 im Schnitt haben wir noch nicht wieder erreicht“. Das Museum soll jedoch modernisiert werden. Viele Exponate werden ins neue Depot umziehen. „Das wird vermutlich wie ein Quantensprung für die Museumsarbeit sein. Endlich hat man dann Platz für eine zeitgemäße Präsentation und vor allem auch Platz für Museumspädagogik“, prognostiziert die Kulturreferentin.
Appell: „Mehr in Gegenwart und Zukunft investieren“
Trotzdem findet Stümlinger: „Um aber auf der Höhe der Zeit zu bleiben und Kultur lebendig zu halten, müssen wir in meinen Augen zusätzlich mehr in Gegenwart und Zukunft investieren.“ Wasserburg brauche dringend einen zusätzlichen Veranstaltungsraum. Für vieles sei der Gimplkeller mit seinen maximal 70 Plätzen zu klein, der Rathaussaal zu ehrwürdig und auch schon sehr stark ausgebucht und die Badria-Halle mit 1250 Plätzen zu groß.
Tatsache ist auch: Seitdem Simon Arnold im Stadtmanagement arbeitet, sind weitere kulturelle Veranstaltungen hinzugekommen. Arnold ist Initiator für Aktionen wie die „Innenhofkonzerte“, das „Sommerklavier“ und „Jugend musiziert für die Ferienkasse“.
Lob für das Bürgerspiel 2024
Ein herausragendes kulturelles Ereignis war in diesem Jahr das Bürgerspiel „Früher war’s auch nicht besser!“ „Ein Spektakel, ein Highlight für die Stadt und ein echtes Bürgerspiel“, so Kulturrferentin Edith Stürmlinger. Das Projekt war in ihren Augen auch eine logistische und finanzielle Meisterleistung, zu verdanken vielen Akteuren, allen voran Sepp Christandl und Christian Huber vom Theaterkreis. „Die kritischen Stimmen, wegen der großen Tribüne, die so lange inmitten der Stadt stand, und der Kollision mit dem Nationenfest sind angesichts des Erfolges deutlich leiser geworden“, freute sich die Kulturreferentin.
Theater Wasserburg: neues Konzept
Stürmlinger würdigte auch die Rolle des professionellen Theaters Wasserburg, das sich auch nach dem Tod von Uwe Bertram und der notwendigen Umstrukturierung hervorragend entwickele. Das junge Team um Nik Mayr, Constanze Dürmeier und Annett Segerer habe ein neues Konzept entwickelt, das einigen Künstlern statt unsicheren Zeitverträgen eine Festanstellung biete. Nicht nur ihre Theatertage seien ein weit über die Region hinaus bekanntes Leuchtturmprojekt. Eine kleine Stadt wie Wasserburg könne stolz darauf sein, „so ein herausragendes professionelles Theater zu beherbergen“. Eng verbunden mit dem Theater seien auch das Tanzstudio Belacqua von Uta Ziegler und die Theaterkneipe „Der Berg ruft“, die versuche, mit einem ambitionierten Kulturprogramm und Küche die Wasserburger aus der Altstadt hinauf zu locken in die Salzburger Straße.
Eine wichtige Rolle im Kulturleben spiele außerdem die VHS, ebenfalls an der Salzburger Straße, mit ihrem Angebot zur Erwachsenenbildung. Die dazugehörige Musikabteilung wurde nach Angaben von Stürmlinger vor kurzem reorganisiert. Ein neues Konzept mit Buchung von Zehnerkarten für Instrumentalunterricht habe sich für Lehrer und Schüler bewährt. In der städtischen Bücherei nebenan hätten sich die neuen Öffnungszeiten am Samstagvormittag als richtig erwiesen. Auch die angeregte Onleihe werde gut angenommen. Insgesamt bildeten die drei Häuser in der Salzburger Straße ein kulturelles Zentrum.
Stadtkapelle benötigt mehr Platz zum Proben
Auch außerhalb der Altstadt, oben beim Badria, agiere die Stadtkapelle. Nachdem der ehemalige Stadtkapellendirigent Michael Kummer nach 30 Jahren den Taktstock weitergegeben habe an Barbara Pschorr, herrsche ein eigentlich sehr erfreuliches Problem bei den Proben vor: Diese seien so gut besucht, „dass man beim Spielen schonmal den Ellbogen des Nachbarn im Gesicht hat“. Das bedeute, dass der Probenraum aus allen Nähten platze. Markus Obergehrer, Vorsitzender der Stadtkapelle, habe schon Platzbedarf bei der Stadt angemeldet und hoffe, dass der Verein bei Umbaumaßnahmen am Badria auch den Probenraum erweitern könne.
Skaterbahn als gefragter Treffpunkt für junge Leute
Neben der Stadtkapelle hat der Verein „MovInn Forward“ beim Parkplatz am Badria eine neue Heimat gefunden. Seit Fertigstellung der Skaterbahn ist der Verein im Aufwind und hoch motiviert, so Kulturreferentin Edith Stürmlinger. Der neue Vorsitzende Moritz Frei und sein Team wollen auch kulturell etwas bewegen, ist sie überzeugt. Sobald die Kinowerkstatt eröffnet, sollen dort regelmäßig Konzerte stattfinden und sobald es die Witterung wieder erlaubt, will man ab dem Frühjahr 2025 monatliche Konzerte auf der Skaterbahn anbieten. Die Idee für einen Doppeldeckerbus als Bühne und Aufenthaltsraum sei jedoch gescheitert, jetzt suche der Verein nach anderen Lösungen. „Auf jeden Fall bräuchte man noch Platz für eine Bühne. Ich meine, dafür könnte man ein paar Parkplätze opfern?“, fragte Stürmlinger in Richtung Stadt und Stadtwerke als Betreiberin des Familienbades Badria. Am 18. bis 19. Juli sei wieder ein „Bums on Wheels“ Festival geplant.
2025 wieder Biennale in Wasserburg
Wasserburg ist auch Festivalstadt. Seit 2021 findet die „Biennale Bavaria International“ alle zwei Jahre in Mühldorf, Burghausen, Altötting und Wasserburg statt. In den Jahren dazwischen gibt es mit „Neuer Heimatfilm unterwegs“ eine kleine Version des Festivals. Die Vorbereitungen für die Biennale Bavaria 2025 laufen laut Stürmlinger auf Hochtouren. Das Festival wird mit Rahmenprogramm vom 5. bis 11. Mai stattfinden. „Die Biennale soll neben dem kulturellen Angebot vor allem auch Filmförderung für unser kleines preisgekröntes Kino Utopia in Wasserburg sein, das wir unbedingt erhalten sollten.“
Eine weitere Veranstaltungsreihe sind die Rathauskonzerte, geplant von der Landkreiskulturreferentin Anke Hellmann. „Ausgesuchte Kammermusik auf hohem Niveau! Die Konzerte sind nach wie vor sehr beliebt und gut besucht. Mit 199 Abonnenten hat man auch schon einen guten Grundstock an Besuchern. Man muss sich wegen der Altersstruktur allerdings die Frage stellen, wie man in Zukunft auch jüngeres Publikum dafür begeistern kann“, so Stürmlinger.
AK 68 benötigt mehr finanzielle Unterstützung
Bildende Kunst werde hauptsächlich vertreten durch den AK68, der in Wasserburg fast schon die Funktion einer städtischen Galerie ausübe. Der AK68 sei aber ein eigenständiger Verein mit einem eigenen Haus, dem Ganserhaus. Weil das jetzt dringend gesichert und renoviert werden müsse, werde mit der Mitgliederausstellung im Dezember vorerst die letzte Ausstellung dort stattfinden. Für die Zeit der Bauarbeiten stelle die Stadt dem Kulturverein die Räume der ehemaligen Polizei im Salzstadel zur Verfügung.
Wasserburg unterstütze den AK68 vor allem mit der Beantragung von öffentlichen Geldern und nicht unerheblichen finanziellen Mitteln, sonst wäre eine Renovierung in der Größenordnung undenkbar. Der Verein brauche aber dringend auch mehr Mittel für den laufenden Betrieb, nachdem es neuerdings die Vorgabe gebe, dass man Künstler zwingend für jede Ausstellung bezahlen müsse. „Eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, fand Stürmlinger, die jedoch darauf hinwies: „Es kommen auf den Verein Zusatzkosten von mindestens 10.000 pro Jahr zu, die er so nicht leisten kann. Hier bitte ich dringend um Unterstützung!“
Das Kulturleben bereichern nach ihren Angaben unter anderem auch Bachchor, Kammerorchester, Klaviersommer, Volksmusiktage, Schulkonzerte, Adventssingen und die Musikakademie von Christopher Rakau sowie die Jazzinitiative.
„Herzensprojekt Gimplkeller“
Eine Kulturstätte, die sich fest etabliert habe, sei ihr eigenes „Herzensprojekt“: der Gimplkeller. Der Kulturkreis Wasserburg beitreibe ihn als Dachorganisation für Wasserburger Künstler. Die Kleinkunstbühne habe Platz für maximal 70 Zuschauer. Die Stadt Wasserburg bezuschusst die Miete dafür. Für einen minimalen Betrag von 50 Euro könnten Künstler den Raum mieten und Konzerte veranstalten. Das Angebot werde ausgesprochen gut angenommen.
Kultur sei ein wesentlicher Standortfaktor für eine Stadt, „ein großes Stück Lebensqualität, aber auch eine verpflichtende Aufgabe“, so Stürmlinger. Auch die Nachbarstädte hätten dies erkannt und würden kräftig in Kultur investieren, berichtete sie warnend. „Wir brauchen uns mit unserm kulturellen Angebot nicht verstecken, sollten es bewahren, aber gleichzeitig unser Hauptaugenmerk auf ein neues Zielpublikum lenken: Jugendliche und junge Erwachsene. Die brauchen wir schon aus demografischen Gründen in unserer Stadt.“


