Nahwärme-Netz geht in Betrieb
Kuschelig – das geht auch mit Hackschnitzeln: So wärmt der Stadtwald in Wasserburg
In diesem Winter wird es in Wasserburgs Bibliothek, in Kulturforum und Volkshochschule kuschelig warm. Dafür sorgen aber nicht Öl und Gas, sondern Hackschnitzel. Einblicke in ein Nahwärmesystem, bei dem der Stadtwald die Hauptrolle spielt.
Wasserburg – Bei Festen ist es die Rolle von Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl, das erste Fass Bier anzustechen. Am Donnerstagabend (23. Oktober) hieß es für ihn: anzünden. Der Rathauschef schüttete gemeinsam mit dem Leiter des städtischen Liegenschaftsamts, Robert Mayerhofer, und Roy Tinter von der Bauverwaltung die ersten Schaufeln Hackschnitzel in den Bunker, der mit den neuen Leitungen des Nahwärmenetzes in der Salzburger Straße 15, 17 und 19 verbunden ist. Die Heizung ging mit diesem symbolischen Akt in Betrieb. Ein wichtiges Projekt für die angepeilte Klimaneutralität der Stadt. Pro Jahr spart diese sich nun 67 Tonnen des klimaschädlichen CO2.
Meilenstein auf dem Wasserburger Weg zur CO2-Neutralität
Doch die Eröffnung der Hackschnitzel-Heizzentrale ist nicht nur ein Meilenstein im Klimaschutz. Das Vorhaben symbolisiert auch treffend, wie komplex der Umsteig auf regenerative Energien oft ist. Wobei dieses Projekt in Wasserburg noch weitere Hürden überwinden musste. Denn die drei Immobilien– Volkshochschule, städtische Bibliothek und Kulturforum mit Theater und Tanzschule – gehören zwei Eigentümern: der Stadt und der von ihr verwalteten Heiliggeist-Spitalstiftung. Letztere unterliegt dem Stiftungsrecht mit seinen speziellen Anforderungen, etwa im Steuerwesen. Das „Bürgerhaus“ mit Vhs und Musikschule, Wohn- und Gewerbeeinheiten ist außerdem ein historisches Gebäude: ein eingetragenes Denkmal, das eine sensible Herangehensweise fordert. Außerdem musste das Areal an der Salzburger Straße 15, 17 und 19 mit Leitungstrassen und Lieferwegen für die Hackschnitzel versehen werden, nannte Kölbl als weitere Herausforderung.
Trotzdem ging es die Stadt an und stieß auf eine weitere Hürde: Nach dem Maßnahmenbeschluss des Stadtrates im November 2022 hieß es, über ein Jahr auf den Zuwendungsbescheid des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu warten. Eine Zeit, in der die Projektanten manchmal am Verzweifeln waren. Als die Bewilligung des Zuschusses endlich eintraf, gaben sie dafür richtig Gas: Von dem Baustart bis zur Inbetriebnahme dauerte es nur neun Monate, berichtete Kölbl beim Festakt im Beisein von Vertretern der Verwaltung, des Stadtrates und der beteiligten Firmen.
Wie wichtig die öffentliche Förderung ist, zeigte die Summe, die Kölbl bei der Einweihung nannte: 560.000 Euro musste die Stadt investieren. 300.000 Euro gab es als Zuschuss.
Alte Öl- und Gasheizungen ausgetauscht
Doch ein Heizungsaustausch hätte sowieso angestanden. Die alten Öl- und Gaszentralanlagen in den drei Gebäuden waren in die Jahre gekommen und reparaturanfällig, berichtete Kölbl. Noch vor der Pandemie stand laut Projektleiter Michael Kas eigentlich eine Umrüstung auf Blockheizkraftwerk mit Gaskesseln an, davon nahm die Stadt jedoch als Folge des Ukrainekriegs und der Gaskrise Abstand. Und blickte nicht nach Russland oder in den Ölländer, sondern in den Stadtwald. 200 Hektar gehören der Stadt und der Stiftung Heilig-Geist. Im Forst fallen genügend Hackschnitzel an, um die 400 Schüttraummeter pro Jahr zu liefern. Das ist auch die günstigste Lösung, denn für diese Energielieferanten muss die Kommune jährlich 10.000 Euro (Wärmpreis von rund 15 Cent netto je kWh) zahlen, für Pellets wären es 50.000 Euro, ebens wie Heizöl, für Gas sogar 80.000 Euro. Im Jahr muss die neue Heizung 250 Megawattstunden Wärme liefern, hieß es.
Damit diese nicht verpufft, sind die Gebäude schon vorher gedämmt und saniert worden: 2011 im Bürgerhaus (oberste Geschossdecke), 2003 in der Bibliothek (Wintergarten), berichtete der Bürgermeister. Auf das Kulturforum kommt außerdem noch eine PV-Anlage, auch für den Eigengebrauch der Bibliothek, kündigte Kölbl an.
Engelsgeduld bewiesen
Klingt alles schlüssig und zukunftsweisend, doch es gäbe das Klimaschutz-Vorhaben nicht, hätten nicht die vielen Planer und ausführenden Handwerker eine Engelsgeduld bei der Umsetzung gehabt. Denn die ersten Überlegungen kamen schon 2016 auf, es brauchte also acht Jahren bis Inbetriebnahme, berichtete Bauleiter Kas, der von Energieberater Jörg Plottke unterstützt wurde. Liegenschaftsamtsleiter Mayerhofer hatte dem Bürgermeister für seine Rede deshalb ein Zitat von Josh Billings, ein amerikanischer Schriftsteller, aufgeschrieben: „Sei wie eine Briefmarke. Bleib an einer Sache dran, bis du am Ziel bist.“ Die Briefmarke klebt.

