OVB-Exklusivinterview: Kölbls letzte Amtsjahre
Wasserburgs Bürgermeister keine „Lame Duck“: Diese Mega-Projekte will er stemmen
Nur noch 20 Monate, dann endet die lange Amtszeit von Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl. Warum er den Verdacht, er sei nun eine „Lame Duck“, gelassen abwehrt, welche Mega-Projekte er noch stemmen will und bei welchem offenen Problem es jetzt eine Lösung gibt, verrät der Rathauschef exklusiv im Interview.
Wasserburg – Auf eine Frage reagiert er zwar mit einem Schmunzeln, doch auch leicht verschnupft: Bürgermeister Michael Kölbl mag es nicht, wenn man ihm angesichts des nahenden Endes seiner Zeit im Chefsessel des Wasserburger Rathauses Amtsmüdigkeit unterstellt. Wie er diese zurückweist und was er noch alles vorhat, darüber berichtet er im Interview mit der Wasserburger Zeitung und wasserburg24.de.
Nach der Verkündung eines von SPD, Grünen, Bürgerforum und CSU getragenen Kandidaten für Ihre Nachfolge: Wie waren nach Ihren Erfahrungen die Reaktionen in der Stadt?
Michael Kölbl: Viele haben mir gesagt, dass sie sich Bastian Wernthaler sehr gut als neuen Bürgermeister vorstellen können. Vielen gefällt es auch sehr, dass wir diesbezüglich überparteilich zusammenarbeiten.
Doch der Kommunalwahlkampf könnte langweilig werden, wenn es vielleicht sogar bei einem Kandidaten bleiben sollte.
Kölbl: Dann konzentriert sich der Wahlkampf in Wasserburg halt auf die Stadtratskandidatinnen und -kandidaten auf den vermutlich acht Listen.
Jetzt sind Sie nicht einmal mehr zwei Jahre im Amt. Doch eine „Lame Duck“ (aus dem Amerikanischen: lahme Ente, Synonym für Amtsinhaber, deren Amtszeit endet) wollen Sie sicherlich nicht werden. Was tun Sie gegen die Amtsmüdigkeit, die ja naturgemäß kommen könnte, wenn sich die Zeit im Rathaus-Chefsessel definitiv dem Ende nähert?
Kölbl: Über den Ausdruck kann ich nur schmunzeln. Ich werde bis zum letzten Arbeitstag kontinuierlich alle Themen, die anstehen, abarbeiten, so wie ich es die vergangenen 22 Jahre auch getan habe. Dafür bin ich schließlich gewählt worden. Meine Aufgabenstellung lässt Gedanken von Amtsmüdigkeit gar nicht zu, denn es gibt viel zu tun. Ich gehe außerdem nicht anders in Sitzungen des Stadtrates oder seine Gremien, nicht anders tagtäglich ins Rathaus als sonst. Das einzige, was mir manchmal durch den Kopf geht, ist die Feststellung, dass ich manches jetzt das letzte Mal tue. Beispiel Abifeier: Da es 2025 keine gibt, war der Festakt heuer der letzte meiner Amtszeit.
Sie überlassen ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin viele Mega-Projekte wie das neue Feuerwehrhaus, den Wertstoffhof-Bau oder die Grundschulerweiterung. Schlechtes Gewissen?
Kölbl: Im Gegenteil: Ich habe ein gutes Gewissen. Denn die schwierigen Entscheidungen für die meisten der vielen aufwendigen Projekte der nächsten fünf bis zehn Jahre sind bereits gefallen. Vor-Planungen, Ausschreibungen, Wettbewerbe: Bis zum Amtswechsel sind all diese Dinge bei fast allen Großprojekten erledigt. Ein Berg an Vorarbeiten, die bei meiner Nachfolge nicht mehr abgearbeitet werden müssen. Nach meiner Amtszeit geht es in vielen Bereichen schon in die Umsetzung. Doch fest steht auch: Fertig wird man nie. Es nie alles getan. Es hört nie auf mit der Stadtentwicklung. Das wäre ja auch fatal für eine wirtschaftlich starke und lebendige Kommune wie Wasserburg.
Wer soll das bezahlen? Das fragen sich viele Bürger angesichts der Millionen-Investitionen im zweistelligen Bereich. Wird Ihnen manchmal angst und bange?
Kölbl: Investitionen wie jene in den neuen Wertstoffhof oder in die Erweiterung der Kläranlage können wir mit gutem Gewissen kreditfinanziert abwickeln, denn es handelt sich um Einrichtungen, die kostendeckend betrieben werden müssen, finanziert über Gebühren und Beiträge. So will es das Gesetz. Für Großprojekte wie das neue Feuerwehrhaus und die Grundschulsanierung sowie -erweiterung haben wir in Wasserburg eine gute Ausgangslage: zehn Millionen Rücklagen, nur vier Millionen Schulden. Wir werden alle Fördermöglichkeiten ausschöpfen. Außerdem steht fest: Wir streben keine Luxuslösungen an. Keine goldenen Wasserhähne, sondern solche, die gut funktionieren.
Und gibt es einen Plan B, falls die Steuereinnahmen einbrechen würden?
Kölbl: Ich bin zuversichtlich, dass wir Plan B nicht benötigen werden. Die Corona- und Energiekrise hat uns gezeigt, dass wir selbst in solchen Situationen relativ gut aufgestellt sind in puncto Steuereinnahmen. Es gibt bei uns eine breite Spitze an guten, grundsoliden Gewerbesteuerzahlern, mit denen wir auf mittlere bis längere Sicht rechnen können. Und der Einkommenssteueranteil wächst kontinuierlich an.
Es gibt es jedoch noch ein paar Baustellen inhaltlicher Art. Beispiel: Ende des Seniorenheims St. Konrad. Wie ist der Stand der Dinge? Was geschieht mit der Immobilie?
Kölbl: Ich habe mit Frau Gabriele Stark-Angermeier, Vorstandsmitglied der Caritas, telefoniert. Sie hat mit erläutert, dass die Caritas mit der Kirche in Verhandlungen zum Erbbaurecht für das Grundstück stehe. Eine mehrjährige Zwischennutzung des Gebäudes für Wohnzwecke bis 2031 werde angestrebt. Mit einem Zwischenergebnis rechne die Caritas bis zum Herbst. Ich habe selber Gespräche mit Landrat Otto Lederer und Frau Brigitte Schulan von der Akademie für Sozialverwaltung geführt zwecks Nutzung des Hauses als Wohnheim für Pflegekräfte von Romed oder für Studierende. Ich hoffe, in diese Richtung gibt es eine Lösung.
Beispiel Kinderbetreuung: Reichen die Plätze aus?
Kölbl: Diesbezüglich bin ich völlig entspannt, denn wir haben schnell reagiert: mit einer weiteren Gruppe in Reitmehring, der Unterstützung für die Großtagespflege des BRK in der ehemaligen Polizei. Der Montessori-Verein nimmt 16 Kinder zusätzlich auf. Außerdem eröffnet zum neuen Kindergartenjahr die Kita am Burgstall, erbaut von der Adventgemeinde. Die Schließung des Kindergartens Gänseblümchen haben wir so aufgefangen. Wir haben derzeit sogar noch Krippenplätze frei.
Beispiel Wohnungsbau: Ist mittlerweile ein Investor für das Projekt an der ehemaligen Essigfabrik gefunden?
Kölbl: Die Ausschreibung für die Konzeptvergabe läuft. Bis Oktober haben Bewerber Zeit, im November soll die Vergabe stattfinden. Es gibt mündliche Interessensbekundungen von potenziellen Investoren. Das macht uns Mut, denn es ist eine schwierige Zeit für den Wohnungsbau. Ich hoffe, dass nach dem Planungsjahr 2025/2026 ab 2027 mit dem Bau begonnen werden kann.
Beispiel Romed-Klinik: Wird der Standort die Krankenhausreform überleben?
Kölbl: Ich bin Aufsichtsratsmitglied im Romed-Verbund und sage: Ja, Romed Wasserburg wird überleben. Das hat meiner Einschätzung nach gleich mehrere Gründe: Wir haben ein neues Haus mit einem modernen Konzept der Zusammenarbeit mit dem kbo-Inn-Salzach-Klinikum, in den Neubau wurden und werden rund 100 Millionen Euro investiert. Der Standort Wasserburg liegt sehr gut, weil zentral in einem Umkreis von 30 Kilometern zu anderen wichtigen Häusern wie Romed Rosenheim, Klinikum Ebersberg und Innklinikum Altötting-Mühldorf und an der Schnittstelle der Bundesstraßen 15 und 304. Romed Wasserburg ist das einzige Krankenhaus im nördlichen Landkreis mit einer Geburtshilfe: Etwa 1000 Geburten im Jahr sind eine Nummer. Wir brauchen das Haus für die Notfallversorgung dringend, wenn die Hilfsfristen eingehalten werden sollen. Die Romed-Klinik hat außerdem Potenzial, sich in einigen Bereichen zu spezialisieren. Ich sehe sie als dauerhaft gesichert an.
Viele Hausbesitzer sind angesichts der Heizungsdebatten verunsichert, weil sie nicht wissen, welche kommunale Nahwärmekonzepte realisiert werden. Wie weit ist die Stadt mit der Nah- und/oder Fernwärmeplanung?
Kölbl: Wir haben einen Förderantrag für ein kommunales Wärmekonzept gestellt, aber noch keine Zusage bekommen. Darauf müssen wir warten. Wenn die Zusage da ist, hoffentlich noch in diesem Sommer, wird der Auftrag an ein Fachbüro vergeben. Wir rechnen mit ein bis zwei Jahren Planung. Liegen die Ergebnisse vor, muss der Stadtrat entscheiden, welche Vorschläge er wo wie umsetzen will. Ich rate derzeit allen Bürgern: „Wenn Ihre Heizungsanlage defekt ist, lassen Sie sie reparieren, außer Sie haben eine CO2-neutrale Alternative.“
Das Badria ist das - finanzielle - Sorgenkind der städtischen Tochter Stadtwerke. Hat sich der Ärger um die Erhöhung der Eintrittspreise wieder gelegt? Wie geht es weiter mit der Konsolidierung? Wird eine Schließung nach wie vor ausgeschlossen?
Kölbl: Ja, die Stimmung hat sich wieder beruhigt. Ich halte eine Schließung mittelfristig für ausgeschlossen. Keine Fraktion im Stadtrat hat diesbezüglich jemals einen Antrag gestellt oder etwas in diese Richtung gefordert. Aber sicherlich wird es im Laufe der Zeit Änderungen im Konzept geben. Wir müssen weiter auf die Gegenfinanzierung des Minus durch Erlöse der Stadtwerke im E-Werk, durch Defizitausgleich und Mittel aus dem Stadthaushalt setzen.
Es gab ja schon einmal den Vorschlag, im Sommer das Hallenbad zu schließen und nur das Freibad zu betreiben.
Kölbl: Eine solche Zwischenlösung müsste durchgerechnet werden. Ich bin aber überzeugt davon, dass die Fixkosten, die auch bei einer Hallenbadschließung im Sommer anfallen würden, so hoch sind, dass es sich nicht lohnt. Wir brauchen außerdem die Flexibilität beim Badria: Wir würden an Attraktivität verlieren, wenn wir im Sommer nur das Freibad öffnen würden. Schließlich gibt es auch Tage mit schlechterem Wetter und auch viele Sportschwimmer, die im großen Hallenbecken trainieren.
In der Altstadt schließt in den nächsten Jahren der letzte größere Wirtshaus-Saal, viele Vereine werden quasi heimatlos. Eine Alternative wäre der Salzstadel, doch in den nächsten Jahren ist für die Generalsanierung kein Geld da. Gibt es noch andere Ideen?
Kölbl: Die erste Alternative ist das Cafesito im Bürgerbahnhof, das jetzt einen neuen Pächter gefunden hat. Mittelfristig stellen wir im neuen Feuerwehrhaus noch einen Saal für Veranstaltungen und Vereinsnutzungen zur Verfügung: mit bis zu 199 Plätzen.
Immer öfter ziehen sich karitative Einrichtungen aus sozialen Aufgaben zurück, auch in Wasserburg. Beispiel: Die Caritas schließt das Seniorenheim St. Konrad, die Stiftung Attl das Cafesito. Ist der soziale Friede in Gefahr? Wie kann die Stadt gegensteuern?
Kölbl: Der soziale Frieden ist meiner Erfahrung nach ein Garant für innere Sicherheit. Ich finde es schade, dass sich die Kirche aus vielen Bereichen zurückzieht. Wir steuern gegen: mit unserem Bürgerbahnhof als Anlaufstelle für soziale Belange, indem wir beispielsweise für das Cafesito einen privaten Betreiber gefunden haben, in dem wir so wie in der Ponschabaustraße barrierefreie Wohnungen für langes Leben daheim errichten. Doch die Stadt kann nicht überall einspringen. Wir bleiben aber kreativ und setzen auf Kooperationen.
Viele Bürger sorgen sich auch um die ärztliche Versorgung. Reicht sie aus?
Kölbl: Ja, doch die Situation wird schwieriger. Das Modell des ortsgebundenen Hausarzt, der alleine eine Praxis führt, stirbt aus. Unsere Niedergelassenen sind auch im Mittelzentrum Wasserburg zum Teil in einem Alter, in dem sie ans Aufhören denken. Der Nachwuchs ist nicht mehr so da wie früher. Viele Ärzte wollen lieber als Angestellte arbeiten. Viele, vor allem Frauen mit Kindern, benötigen Teilzeitmodelle. Noch ist Wasserburg aufgrund der Nähe zum Klinikum ein attraktiver Standort. Wie gesagt: noch.
Bräuchte Wasserburg nicht auch ein medizinisches Versorgungszentrum (Anmerkung der Redaktion: Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist eine ambulante medizinische Einrichtung,die verschiedene Fachärzte unter einem Dach vereint. Ein MVZ kann sowohl in privater als auch in öffentlicher Trägerschaft geführt werden)
Kölbl: Das ist eine Überlegung wert. Doch wir als Stadt greifen diesbezüglich nicht in das Marktgeschehen ein.