„Die Immobilienpreise befinden sich im Berchtesgadener Land im freien Fall“, erklärte der Immobilienexperte Armin Nowak noch vor einem Jahr. Jetzt scheint der Trend gestoppt. Steigen nun wieder die Preise? Wie steht es um bezahlbare Mietwohnungen und warum stehen so viele Gewerbeimmobilien im Landkreis leer?
Berchtesgadener Land - Nachdem die Preise in den letzten Jahren stark gefallen waren, scheint der Abwärtstrend nun vorbei zu sein. Doch die Unsicherheit bleibt groß, insbesondere für Eigentümer von Immobilien mit Sanierungsbedarf. Die gestiegenen Zinsen und strengere Kreditvergaben erschweren den Erwerb von Wohneigentum. Und auch der Mangel an Mietwohnungen treibt den Einheimischen Sorgenfalten auf die Stirn. Immobilienmakler Armin Nowak aus Berchtesgaden erklärt im Interview die aktuellen Trends.
Herr Nowak,
vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass die Immobilienpreise um zehn Prozent gesunken sind.
Vor einem halben Jahr dann noch einmal um fünf Prozent. Wie schaut es denn derzeit aus?
Insgesamt waren es nun knapp 20 Prozent. Aber jetzt würde ich sagen, dass der Boden erreicht ist.
Geht es jetzt wieder aufwärts mit den Preisen?
Vor drei Monaten hieß es, die Preise sind gefallen. Vor 14 Tagen kam die
Meldung vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, dass die Preise wieder anziehen. Das trifft aber wohl nur auf die Großstädte zu. Bei kleinen Ortschaften gibt es zwar einen Mietspiegel und einen Kaufpreisrechner, aber es gibt trotzdem zu wenig Daten, sodass man keine klare Aussage machen kann. Bei Großstädten hat man eine Vielzahl von Daten und Verkaufsangeboten. Da wird der Durchschnitt schon stimmen.
Das ist aber bei uns nicht der Fall. Wenn Sie sich bei uns die Objekte mit ihren horrenden Preisen anschauen, wie zum Beispiel eine Wohnung von 1974: Es mag schon sein, dass so eine Wohnung schön aussieht, aber sie ist trotzdem alt. Die Heizung ist alt. Darauf schauen natürlich auch die Käufer. Die schauen auch, wie hoch die Rücklage einer Eigentümergemeinschaft ist. Sie schauen, ob man an der Heizung etwas machen muss. Besteht überhaupt die Möglichkeit, dass man was machen kann? Gibt es Fernwärme?
Wir haben bei der Fernwärme Fehlgebiete in der Region. Da sind auch die Gemeinden gefordert, einen Energieplan zu erstellen.
In Berchtesgaden und Schönau gibt es diese große Fernwärme. Die funktioniert. Aber auch die kann nichts mehr annehmen, sondern in den bestehenden Strecken nur noch verdichten. Am Obersalzberg und Untersalzberg etwa gibt es sehr viele Privathäuser, die Probleme haben, eine vernünftige Heizung hinzubekommen. Wärmepumpen sind dort nicht möglich, weil man nicht in den Boden kommt. Hier würde sich vielleicht eine kleine Fernwärme anbieten. Da würde ich der Gemeinde eine Umfrage empfehlen.
Ist der energetische Zustand eines Gebäudes inzwischen das Hauptkriterium beim Kauf einer Gebrauchtimmobilie?
Das Hauptkriterium bleibt: Lage, Lage, Lage. Aber gleich danach kommt der energetische Zustand. Die Leute schauen auf den Energieausweis. Wenn ich mich zurück erinnere: Vor fünf oder zehn Jahren war das überhaupt kein Thema. Das hat keinen interessiert. Die Käufer ziehen die Kosten für die Sanierung natürlich ab.
Gleichzeitig sind die Zinsen gestiegen.
Auch das spielt bei größeren Objekten wie einer Vierzimmer-Wohnung oder mehr eine Rolle. Junge Familien, die sich vielleicht nicht so viel angespart haben, sagen oft: Man kann sich das heute nicht leisten. Aber wenn man zurückgeht in die Siebzigerjahre, stellt man fest: Das Verhältnis vom Einkommen zum Preis ist gar nicht so schlimm. Und auch wenn man die Zinssituation vergleicht, sind die drei oder fünf Prozent eigentlich relativ human. Man ist verwöhnt worden über die vielen Jahre mit niedrigen Zinsen. Das hatten aber dann die Verkäufer drauf geschlagen. Ich denke, eine Immobilie ist nach wie vor die beste Anlage, die es gibt.
Wie viel Eigenkapital empfehlen Sie beim Kauf einer Immobilie?
Früher hieß es: Wenn man vermietet, 20 Prozent. Man kann ja abschreiben. Beim Eigenhaus kann ich nur sagen, so viel wie möglich, also 30, 40, 50 Prozent. Darunter braucht man gar nicht anfangen. Die Banken – die vor Ort zumindest – schauen sich die Bonität des Kunden und seinen Arbeitsplatz an. Denen geht es darum, dass der Kunde die Annuitäten auch wirklich leisten kann. Unsere hiesigen Banken sind da nicht so, dass sie ihre Kunden in die Versteigerung treiben wollen.
Wird im Moment viel neu gebaut?
Ich sehe nicht sehr viel bei uns in Berchtesgaden. Es wird eher in
Bad Reichenhall und Freilassing einiges gebaut. Wobei die hohen Baukosten alle treffen. Das einzige, wo es sich noch unterscheidet, ist der Grundstückspreis. Hier im Süden und Bad Reichenhall und Bayerisch Gmain ist er relativ hoch.
Sind die Baukosten heute überhaupt noch kalkulierbar?
Mittlerweile schon wieder. Aktuell bekommt man auch wieder Angebote von Handwerkern. Zuvor wurde oft kein Preis genannt oder mit Vorbehalt gebaut, falls das Material teurer wird. Inzwischen hat sich das etwas beruhigt und die Kosten sind kalkulierbarer.
Für Einheimische ist es im Moment sehr schwierig, etwas zum Mieten zu finden.
Ja, es wird sehr wenig gebaut. Ferienwohnungen lohnen sich da eher. Wenn Sie die 160 Tage gut belegen, haben Sie die Einnahmen für das ganze Jahr. Es ist schwierig.
Die Sparkasse baut Mietwohnungen, aber sie muss dann natürlich eine vernünftige Miete verlangen, die auch schon bei 14 Euro liegt. Wenn man als Mieter zehn Euro pro Quadratmeter zahlt, sollte man froh sein. Umzugsunternehmer haben festgestellt, dass die Leute bundesweit nicht mehr geneigt sind, gerne umzuziehen. Wenn jemand zum Beispiel eine große Wohnung hat und sich verkleinern möchte, zahlt man inzwischen oftmals für eine kleinere Wohnung mehr. Dann bleibt man doch lieber in der großen Wohnung. Der Umzug ist ja auch noch mit Kosten verbunden.
Was kostet bei uns der Quadratmeter zum Mieten und Kaufen?
Der Kaufpreis stagniert momentan bei 4000 bis 6000 Euro im Gebrauchtbereich. Ein Neubau muss bei 7000 losgehen, anders lohnt sich das für den Bauträger nicht. Neubaumieten gehen bei Erstvermietung bei zwölf Euro los und hören bei 16 auf. Die Bestandsmieten sind natürlich günstiger. Bei bestehenden Objekten kommt es auf den Zustand und die Nebenkosten an. Bei manchen Objekten hat man schon das Gefühl, dass die Nebenkosten höher als die Miete sind. Man spricht dann von einer zweiten Miete. In den Zeiten, als die Gaspreise so hoch waren, war es wirklich schwierig. Aber die Energiekosten haben sich wieder normalisiert. Ich glaube nicht, dass sie noch einmal so drastisch steigen. Man kann sich aber auch davon verabschieden zu denken, dass die Preise wieder so werden wie vorher.
Die CO₂-Umlage wird ja auch höher.Für Gewerbeimmobilien gibt es ja im Landkreis ein
neues Standortportal von der Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice GmbH. Macht so etwas Sinn?
So viele Objekte sind da noch nicht drinnen. Es finden sich mehr in Immowelt und ImmoScout. Aber jede Plattform nutzt, und diese ist kostenlos. Ein Suchender gibt jedoch bei Google Suchbegriffe ein wie: Ladenlokal, 80 Quadratmeter, Berchtesgaden. Und dann ist unter ferner liefen auch diese Plattform dabei. Suchende gehen eben nicht direkt auf eine Plattform, sondern über Google rein.
Man sieht in der Region viele Leerstände, besonders in B-Lage, außerhalb der Zentren.
B-Lage würde ich noch nicht so negativ sehen, eher die C-Lage. Kleine Einheiten mit 20, 30 Quadratmetern werden kaum mehr gesucht. Größere Einheiten schon, wie zum Beispiel vom
Hagebaumarkt, der ja aus Bischofswiesen weg muss. Und auch Discounter und Lebensmittelhändler brauchen große Flächen. Außerdem nimmt die Tendenz zu – das sehen wir hier in der Maximilianstraße – dass nun Büros in die Läden kommen, die zuvor im ersten Stock waren. Die Büros im ersten Stock kann man ja umwandeln in Wohnimmobilien. Als Wohnung kann man etwas immer vermieten, da hat man keine Probleme.
Ist das Nord-Süd-Gefälle im Landkreis bei den Immobilienpreisen weiterhin konstant?
Ja. In Piding und Anger dürfte es etwas günstiger sein. Auch in Saaldorf, aber da strahlt schon Freilassing rüber. Freilassing wird von den Österreichern überrollt. Das Interessante ist, dass Marktschellenberg auch nicht weit von Salzburg liegt, aber das ist etwas unentdeckt. Ich möchte jetzt aber auch nicht, dass da ein Hype entsteht, sonst haben auch dort die Einheimischen nichts mehr zum Wohnen.
Ist die Talsohle bei den Immobilienpreisen durchschritten?
Ja, die Talsohle ist durchschritten. Mehr traue ich mir gar nicht sagen. Ich würde sagen, es ist eine Breitenlinie. Das sieht man bei der Zinsentwicklung. Die USA wollen die Zinsen wieder ein bisschen senken. Auch hier wird aber der Zinssatz nicht extrem sinken. Eigentlich haben wir jetzt einen vernünftigen Zinssatz.
Sie machen den Job ja inzwischen schon viele Jahre und sprechen aus Erfahrung.
Das ist aber auch keine Gewähr. Man kann nicht immer aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Manchmal ist das ein großer Fehler. Bei der Börse funktioniert das ja auch nicht. Die Börse handelt mit Sicht auf ein Jahr, der Immobilienhandel aber mit Sicht auf zehn Jahre. Da bleibt es eher moderat.
Macht Ihnen der Job nach so langer Zeit noch Spaß?
Sicher macht er Spaß. Menschen zum Wohnheim zu bringen, bringt Freude. Uns ist es auch lieber, ein Objekt als Hauptwohnsitz und nicht als Zweitwohnsitz zu verkaufen. Ich möchte es hier nicht so haben wie in Garmisch Partenkirchen oder Kitzbühel, wo man tatsächlich von Overtourism sprechen kann. Das muss bei uns nicht sein.
Die Einheimischen sollen eine Wohnung finden. Von ihnen arbeiten viele in der Gastronomie, und wenn die auch noch verschwinden, weil sie keine Wohnung finden, wird der Mangel an Arbeitskräften noch größer.
Herr, Nowak, vielen Dank für das Gespräch. (mf)