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Lieferschwierigkeiten und hohe Marktpreise bremsen den Ausbau

Berchtesgadens Fernwärmenetz hat viel Potential, steht aber vor großen Herausforderungen

Biomasseheizkraftwerk
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Das Biomasseheizkraftwerk versorgt hunderte Haushalte in drei Gemeinden mit Warmwasser.

Kein Öl, kein Gas, sondern Holz: Zwei riesige Heizkessel sind es, die Haushalte aus gleich drei Gemeinden im Berchtesgadener Land mit Warmwasser versorgen.

Berchtesgadener Land/Schönau am Königssee - „Die Nachfrage nach Fernwärme ist momentan riesig”, weiß Arnold Fellinger, seit 13 Jahren Geschäftsführer des größten Biomasseheizkraftwerkes weit über die Landkreisgrenze hinaus. Doch es gibt ein Problem: Die Wartezeit auf Material war noch nie größer.

Seitdem klar ist, dass Öl- und Gasheizungen keine Dauerlösungen sind und deren Einbau ab kommendem Jahr - staatlich auferlegt - nicht mehr gestattet ist, klingelt bei Arnold Fellinger häufiger das Telefon. Fernwärme ist begehrt. Ein 40 Kilometer langes Leitungsnetz liegt unter Berchtesgaden. Verfügbar ist sie nur dort, wo in der Vergangenheit in aufwändiger Weise Leitungen im Erdreich vergraben wurden. In Berchtesgaden startete der Ausbau vor 14 Jahren.

Dutzende Kilometer Straßen wurden aufgerissen, der Berchtesgadener Talkessel glich damals einer Riesenbaustelle. Seitdem sind drei Gemeinden an das Netz angeschlossen, mehrere hundert Haushalte beziehen Warmwasser, das ausgehend vom Biomasseheizkraftwerk in Schönau am Königssee durch das dichte Leitungsnetz gepumpt wird. Großabnehmer wie etwa die Kreisklinik in Berchtesgaden oder die Bundeswehrkaserne im Bischofswieser Ortsteil Strub heizen damit.

55 Millionen Kilowattstunden verkauft die Bioenergie Berchtesgadener Land pro Jahr. Legt man den Wirkungsgrad jener 55 Millionen Kilowattstunden auf fossile Energien um, entspricht das rund sechs Millionen Kubikmeter Gas, sagt Arnold Fellinger.

Im Herzen des Biomasseheizkraftwerkes ist es laut - und auffallend kühl. Das Gebäude entspricht einem überdimensionierten Kasten, der in die Höhe ragt. Oben drauf sitzt ein Schornstein. Hin und wieder erkennt man Dampfschwaden. Im Herzen des Kraftwerks stehen riesige Kessel, der eine stellt 6000, der andere 7000 Kilowatt Leistung zur Verfügung. Während in einem das Feuer mit über 1000 Grad lodert, ist der andere momentan inaktiv. „Die Temperaturen werden milder”, weiß Fellinger. Heizwärme ist im Frühling weniger gefragt als in der kalten Jahreszeit. Einmal im Jahr, wenn die Anlage knapp zwei Wochen in Revision geht, wird der Weiterbetrieb mit fossilen Energieträgern gesichert.

40 Kilometer Leitungen sind zwischen Berchtesgaden, Bischofswiesen und Schönau am Königssee verlegt..

Rund 100.000 Schüttraummeter Holz verfeuern Arnold Fellinger und sein Team pro Jahr am Standort. Vor dem Heizkraftwerk lagert unter Schrägdächern bergeweise “Landschaftspflegeholz”, so nennt es Fellinger, klein gehackt, Rinden und Stöcke, zerhackstückte dünne Bäumchen. Es ist der Brennstoff, der die Flammen im Kessel am Leben hält.

Holz gibt es in Hülle und Fülle, weiß Fellinger. Nur: Der Preis ist noch immer enorm hoch. Zwar nicht mehr so hoch wie in den vergangenen Jahren: Für ein „Abfallprodukt“ ist der Preis aber enorm. „Die Lage entspannt sich derzeit etwas”, weiß der Geschäftsführer.

An seinem PC hat der gebürtige Österreicher das Biomasseheizkraftwerk per Klick im Blick. Über bunte Grafiken, angereichert mit einer Menge an Zahlen, erkennt er, wie heiß es im Inneren des Kessels im Moment ist, wer wie und wo im Berchtesgadener Talkessel gerade aktiv Wärme bezieht oder ob etwa ein Leck ein Eingreifen notwendig macht.

Fellingers Arbeitsplatz ist sozusagen eine von mehreren Steuerzentralen des Kraftwerks, das mit wenigen Mitarbeitern auskommt. Drei Heizwarte sind hier beschäftigt, zwei Techniker, eine Bürokraft. Halbstündlich erfasst das System wichtige Parameter, die wöchentlich an die Regierung von Oberbayern geleitet werden. Das Fernwärmenetz steht pausenlos unter Beobachtung. Nachhaltiger und schadstoffärmer könne man sein Haus nicht warm halten, fügt Fellinger an. Was soll er auch anderes sagen?

Doch Tatsache ist: Der Bedarf an Fernwärme wird weiter steigen. Spätestens dann, wenn die alten Ölkessel aus den Kellern der Bürger fliegen und Gasheizungen nicht mehr zu erneuern sind. Technisch gesehen hat das Biomasseheizkraftwerk noch Potenzial nach oben. „Unser Leitungsnetz verläuft unter dicht bebautem Gebiet”, weiß der Geschäftsführer. 500 Kubikmeter Wasser fließen durch das 40 Kilometer lange Leitungsnetz. Nicht alle Haushalte darüber sind bislang angeschlossen.

„Wir haben massive Wartezeiten mit dem Material”, skizziert Fellinger sein derzeit größtes Problem. So schlimm wie aktuell war es noch nie. Würde er heute Rohre und Material für den Netzausbau für einen Hausanschluss bestellen, käme es erst im Oktober an. „20 Wochen Lieferzeit”, sagt Fellinger. Früher waren vier Wochen normal. Planungssicherheiten gibt es so gut wie nicht. Ein klassisches Lager, in dem all die verschiedenen Anschlüsse und Rohrstärken auf Halde liegen, gibt es nicht.

Die Coronapandemie hat den Markt verändert, Hersteller von Rohren sind pleite gegangen oder haben fusioniert, weiß Geschäftsführer Fellinger. Es gibt nur noch wenige Player, die den Markt - und damit auch die Preise - bestimmen.

„Langfristig wollen wir unser Netz aber weiter ausbauen”, sagt er. Dazu müssten weitere Ortsteile erschlossen, Straßen aufgegraben, Leitungen verlegt werden. Notwendig sind dazu weitere Pumpstationen, die stationär errichtet werden müssten. Dafür benötigt man Grundstücke, Geld - und ein besseres Marktumfeld.

Fellinger sagt: „Bei diesen Marktpreisen ist es derzeit schwierig.” Und so wird vor allem der Netzausbau im Bestand betrieben. Dort, wo bereits Leitungen liegen, schließen sich Hausbesitzer an die Fernwärme dran. Die evangelische Kirche in Berchtesgaden plant einen Anschluss, mehrere Gebäude an der Ludwig-Ganghofer-Straße wollen ans Netz. “Das wird alles noch in diesem Jahr passieren.” Ein weiterer großer Ausbau lässt erst mal auf sich warten.

kp

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