Beratungsstelle und Begegnungszentrum
Einsam, krank, hilflos: So unterstützt der Bürgerbahnhof Wasserburg Menschen in Not
Verschuldet, einsam, krank, hilflos: Der Bürgerbahnhof Wasserburg unterstützt Menschen in Not, sogar wenn sie außerhalb der Innstadt leben. Einblicke in eine Arbeit, die zunehmend gefragt ist, nicht nur bei Menschen, die drohen, durch das soziale Netz zu fallen.
Wasserburg – Die Mutter aus einer Gemeinde im Wasserburger Land ist verzweifelt: Ihr halbwüchsiger Sohn verlässt die Wohnung nie. Sie trägt allein die Verantwortung für Miete und Lebensunterhalt. In dieser Notlage wendet sich die Betroffene an den Bürgerbahnhof Wasserburg. Leiterin Ethel D. Kafka stellt fest: Der junge Mann hat keine gültigen Ausweispapiere, deshalb nicht einmal eine Krankenversicherung. Bewerbung um einen Ausbildungsplatz: unmöglich. Kafka coacht die Mutter, hilft ihr, sich Hilfe bei der Caritas zu holen. Schließlich gelingt das scheinbar Unmögliche: Der junge Mann durchbricht seine Lethargie und verlässt zum ersten Mal nach langer Zeit die vier Wände, um sich um seine Papiere als Basis für ein neues Leben in Selbstständigkeit zu kümmern. Ein Anfang ist gemacht.
Ein kleiner, wenn auch wichtiger Erfolg, findet die Leiterin des Bürgerbahnhofs in Wasserburg. Sie kennt viele solcher Fälle. Etwa auch jenen eines älteren Ehepaars mit Migrationshintergrund, das große gesundheitliche Probleme hat, einsam und zurückgezogen lebt, ohne PC oder Laptop. Es bekommt Unterstützung, um Ausweispapiere zu beantragen, Hilfe, um im nächsten Schritt eine ambulante Pflege zu erhalten. Ein Schritt aus der Isolation ist gemacht.
„Jeder Tag ist anders bei uns im Bürgerbahnhof“, sagt Kafka angesichts der Vielfalt der Fälle, die hier bearbeitet werden. Nicht immer sind sie so krass wie in diesen beiden Beispielen. Nicht immer sind die Klienten so hilflos. Manchmal geht es auch nur darum, durch einen Antrag durchzusteigen. Doch der Beratungsbedarf steigt seit Jahren konstant weiter an, berichtet die Leiterin. 2019 waren es noch knapp unter 300 Beratungen pro Jahr, 2023 schon 441. Für heuer zeichnet sich nach Informationen von Kafka bereits jetzt ab, dass ähnlich viele Anfragen zu bearbeiten sein werden.
Es geht um sozialrechtliche Fragen, um Hilfe bei Antragstellungen oder im Kampf durch den Behördendschungel. In einem Drittel aller Fälle sind weitere Termine notwendig, weil die Thematik so komplex ist, dass eine Beratung nicht ausreicht, oder Klienten mit sprachlichen Hindernissen zu kämpfen haben, berichtet Kafka.
Auf Nachfrage von Georg Machl (CSU) bestätigt sie im Stadtrat, dass ein Drittel der Fälle von Menschen vorgetragen werden, die nicht in Wasserburg, sondern im Altlandkreis wohnen. Wasserburg als Mittelzentrum leistet mit der Sozialberatung im Bürgerbahnhof also einen wichtigen Beitrag für die Umlandgemeinden, betonte Machl. Friederike Kayser-Büker, SPD-Fraktionsvorsitzende und Seniorenbeauftragte, sieht dies ähnlich. Die Entscheidung vor acht Jahren, den Bürgerbahnhof als zentrale Anlaufstelle für soziale Fragen als städtische Einrichtung zu etablieren, sei die richtige gewesen. Das sieht der Stadtrat ebenso: Er spendete dem Arbeitsbericht von Kafka Applaus, eine seltene Geste in öffentlicher Sitzung.
Mehr als eine Beratungsstelle
Der Bürgerbahnhof ist jedoch noch mehr als eine Beratungsstelle: Hier finden auch Wohlfahrtsverbände und soziale Einrichtungen sowie Selbsthilfegruppen Räumlichkeiten: für Treffen, Projekte, Sitzungen, Sprechstunden. Die Anfragen von externen Stellen steigen kontinuierlich, berichtete Kafka. Der Bürgerbahnhof sei außerdem intensiv vernetzt mit anderen Einrichtungen. Er nehme an runden Tischen teil, unterstütze aus dieser Vernetzung heraus Einrichtungen wie das Café Ratsch für die Senioren und den Arbeitskreis Asyl oder helfe mit, wenn es gelte, soziale Leistungen der Stadt wie den Wasserburg-Pass zu aktualisieren. Die Einrichtung stoße Projekte an wie das Freiwillige Soziale Schuljahr (FSSJ) an, ein Riesenerfolg: Die Zahl der teilnehmenden Schulen in Wasserburg, die Jugendliche zu ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Freizeit motivieren konnten, ist stark gestiegen. Sogar eine Mutter kam über das Engagement ihres Kindes selber ins Ehrenamt.
Auch das fördert der Bürgerbahnhof: Hier kann sich jeder, der sich ehrenamtlich engagieren möchte, melden und Hilfestellung bei der Suche nach dem passenden Einsatz erhalten. Ohne Ehrenamt funktioniert auch der Bürgerbahnhof selber nicht, berichtete Kafka, die für 25 Stunden wöchentlich angestellt ist bei der Stadt. Unterstützt wird sie unter anderem durch Joachim Boy vom VdK.
