40 Jahre WFV Wasserburg
Kampf gegen Schreckgespenst „Verödete Stadt“: Das verdankt Wasserburg den Ehrenamtlichen
Leere Schaufenster, gesichtslose Ketten-Läden: All dies gilt für Wasserburg nicht. Die Altstadt lebt. Das hat sie vor allem dem Wirtschafts-Förderungs-Verband (WFV) zu verdanken. Seit 40 Jahren sorgt er für Einkaufserlebnisse. Über den Kampf gegen das Schreckgespenst der verödeten Innenstadt.
Wasserburg – Es war der passende Ort für das Jubiläumsfest des Wirtschafts-Förderungs-Verbands (WFV): Er hatte in die Wiesn-Alm auf dem Badria-Festplatz geladen. Das Frühlingsfest wird hier am Mittwoch, 8. Mai, eröffnet. Die Wiesn ist auch das Event, das die meisten Bürger im Wasserburger Land mit dem WFV verbinden. Denn das Volksfest ist beliebt und das Aushängeschild des Vereins. Es war auch ein Grund für die Gründung des Verbands, der das Fest unter seine Fittiche nahm.
„Stadt wird WFV immer unterstützen“
Auch wenn er in den vergangenen 40 Jahren so manchen Sturm und einige politische Kontroversen – erst jüngst über die neuen Bushaltestellen in der Altstadt – überstehen musste: „Die Stadt wird den WFV immer unterstützen“, versprach Bürgermeister Michael Kölbl in seinem Grußwort beim Festakt, der musikalisch von den „Pfentildrugga“ umrahmt wurde. „Beeindruckend, wie stark der WFV in Wasserburg verwurzelt ist“, freute sich auch Vorsitzender Andreas Bonholzer angesichts der Tatsache, dass Verwaltung und Stadtrat in großen Abordnungen beim Fest vertreten waren. Gekommen waren außerdem Geschäftspartner, Sponsoren, Vertreter aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben sowie viele ehemaligen Vorstandsmitglieder.
Kein Vorsitzender war in den vergangenen 40 Jahren so lange im Amt wie Manfred Gerer: Er leitete den Vorstand für sieben Perioden, also 14 Jahre. Für den Unternehmer (Innkaufhaus) gab es großen Applaus. Weitere Vorsitzende in 40 Jahren waren Xaver Sinzinger, Josef Wimmer, Urs Hasler, Thomas Schmeling, Moritz Hasselt und jetzt Andreas Bonholzer.
Alle engagieren sich im Ehrenamt
Applaus brandete außerdem auf für die geehrten Hermann Klobeck, Markus Ruepp und Markus Pöhmerer, seit 40 Jahren Mitglied. Und für Anna Schmaderer aus der Geschäftsstelle, Wolfgang Helmdach, der Macher im Hintergrund, für Christian Huber (Festzug bei der Wiesn) und Gerd Maas (Stadtspiel, entwickelt mit einem P-Seminar des Gymnasiums), Christoph Klobeck (Entwickler der „Wunscherfüller“-Gutscheinaktion in der Pandemie) sowie Oliver Winter (zuständig für rechtliche Fragen) und Christine Deliano (musikalische Samstage). Sie und viele weitere stehen für die vielen Menschen, die sich im WFV für eine lebendige Stadt engagieren: alle im Ehrenamt. Das sind viele zusätzliche Stunden nach Feierabend. Wenn die Ladentür geschlossen wird, geht es bei vielen WFV-Mitglieder weiter, um Veranstaltungen und Aktionen zu organisieren und umzusetzen.
Wasserburg-Gutscheine sind der Renner
Der Bürgermeister zählte sie auf: Neben dem Frühlingsfest sind es noch der Christkindlmarkt ( „einer der schönsten zwischen München und Salzburg“), das Weinfest, die musikalischen Samstage, die Weihnachtsbeleuchtung, Werbung und Marketing für die Stadt und die Wasserburg-Gutscheine. 2020 hat der WFV nach Angaben von Bonholzer allein 16.500 Exemplare verkauft. Seit Einführung kam ein Gegenwert von 2,2 Millionen Euro zusammen. Kaufkraft, die in Wasserburg bleibt und dank der Gutscheinaktion nicht abfließt. „Ganz klar, der WFV ist der Motor für die Attraktivität von Wasserburg“, zog Kölbl Bilanz.
Busunternehmen fahren Christkindlmarkt an
Vorsitzender Bonholzer, im Hauptberuf Mitglied im Sparkassenvorstand, untermauerte dies auch mit Zahlen: Der Verein habe 200 Mitglieder, eine Bilanzsumme von 555.000 Euro und im letzten Jahr vor der Pandemie einen Umsatz von 260.000 Euro erwirtschaftet. Veranstaltungen wie das Frühlingsfest und der Christkindlmarkt hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten zu echten Magneten gemausert: auch dank des zeitweise größten Festzugs in Südostbayern (Wiesn) und der Eisbahn beim Weihnachtsmarkt. Letzterer werde heuer zum Anziehungspunkt für Busreisende werden: Dem WFV sei es gelungen, Reiseveranstalter für den Christkindlmarkt zu interessieren, die ihn 2024 besonders intensiv anfahren würden.
Dass der WFV ein Erfolgsmodell ist, aber es nicht immer leicht hat beim Versuch, innovativ zu sein, verdeutlichte der „Wasserburg-Flüsterer“, Jörg Herwegh. Der Theaterleiter und Kabarettist aus Wasserburg nahm die Aktivitäten humorvoll unter die Lupe. Und machte auch vor seiner Heimatstadt nicht halt: „In Wasserburg ist gar nichts normal“, stellte Herwegh angesichts so mancher in seinen Augen kurios anmutender Debatte, etwa um die Ökobilanz der Eisbahn, fest. Und: „Hier weiß jeder schon alles, bevor es passiert ist.“ So gerate auch der WFV nicht selten in den Fokus einer öffentlichen Debatte, aus der es so schnell kein Entkommen gebe. Als Beispiele nannte Herwegh den Bushaltestellenstreit, die Auseinandersetzungen um die Einstellung eines Stadtmanagers oder die Diskussion um die Ökobilanz der Eisbahn.
Stille, Leerstand, Ein-Euro-Billig-Läden: Das treffe Wasserburg nicht, wohl aber Rosenheim, teilt er gegen die Nachbarstadt aus. Der Vorstand des WFV bekam auch sein Fett weg, weil er sehr männerlastig sei. In der Tat gibt es hier mit Christine Deliano nur eine Frau. Herweg erinnerte ebenso wie der Verein an Höhen und Tiefen der Arbeit: Es gab sogar einen Bierkrieg, der einen Vorsitzenden zum Rücktritt zwang, gute Zeiten mit der Messe Präsenta und schlechte, als eine ähnliche Veranstaltung nicht mehr ankam. Und manchmal kämpfe der Verein, der die Geschäftsleute, Freiberufler und Gewerbetreibenden vertritt, also von Natur aus zupackende Menschen, mit den Tücken der Bürokratie und den Befindlichkeiten der Kommunalpolitik. Trotzdem sei es gelungen, das Schreckensgespenst einer verödenden Innenstadt zu verhindern: mit dem Blut der Leidenschaft für die Stadt Wasserburg, das in den Adern der WFV-Aktiven pulsiere.


