Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Die „Macher“ aus Wasserburg über ihr Erfolgsrezept

„Positiv verrückt“? Wie das Wasserburger Innkaufhaus dem Kaufhaus-Sterben trotzt

Sibylle und Tobias Schuhmacher führen in Wasserburg das „etwas andere Kaufhaus“.
+
Sibylle und Tobias Schuhmacher führen in Wasserburg das „etwas andere Kaufhaus“.

Erneut müssen die Rosenheimer um ihr Kaufhaus bangen. Denn die Kette Galeria Karstadt Kaufhof hat zum dritten Mal Insolvenz angemeldet. Ist die Zeit der Warenhäuser vorbei? Das Innkaufhaus in Wasserburg tritt den Gegenbeweis an. Warum es so anders ist und wie sich das Inhaber-Ehepaar Schuhmacher „in diesem harten Business“ durchsetzt.

Wasserburg – Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März war jüngst zu Gast im Wasserburger Innkaufhaus. Nicht zum Einkaufen, sondern um zu erfahren, wie es das Geschäft schafft, nicht in den Strudel der Kaufhaus-Krisen zu geraten. Die Inhaber, Sibylle und Tobias Schuhmacher, bringen auf den Punkt, warum es ihrem Geschäft seit vielen Jahren gut statt schlecht gehe: „Wir sind einfach anders“, sagen sie.

Setzen auf Einkaufen als Erlebnis: Sibylle und Tobias Schuhmacher.

Anders in der Tat, das weiß beispielsweise jeder, der dem Innkaufhaus auf Instagram folgt. Dort tritt Sibylle Schuhmacher (45) in witzigen Reels auf: als Mannequin, das die eigene Mode präsentiert, ganz aktuell mit Ehemann Tobias (48), verkleidet als „Top-Gun-Piloten“, die in Faschingskostümen durch den Schnee stapfen. Auch Mitglieder des Teams machen regelmäßig mit: in Reels, die keinen Anspruch auf Perfektion haben sollen und deshalb authentisch wirken.

„Wir sind positiv verrückt“

„Wir sind positiv verrückt“, sagt Sibylle Schuhmacher lachend. „Wir brennen für unser Geschäft.“ 2023, ein Jahr, in dem viele große Warenhäuser geschlossen haben, hat das Innkaufhaus erfolgreich gemeistert. „Wir sind in einigen Bereichen sogar gewachsen, generell haben wir, inflationsbereinigt, ähnlich abgeschlossen wie 2022“, sagen die Geschäftsführer.

Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn auch das Innkaufhaus hat in den gut 50 Jahren des Bestehens schwere Zeiten bewältigen müssen: 1998 stand das Haus in Flammen und musste für drei Monate schließen, 2016 erlebten die Wasserburger einen noch größeren Schock: Die Zukunft stand auf der Kippe, aus dem Kauf- sollte ein Ärztehaus werden. Doch dann übernahm die Tochter von Firmengründer Manfred Gerer, Sibylle Schuhmacher, mit Ehemann Tobias das Ruder. Sie mussten das Schiff bald durch eine Mega-Krise steuern: die Pandemie. Und entwickelten das Konzept des „Erlebnis-Kaufhauses“ mit Events wie Modenschauen und Aktionen, Vorträgen und Lesungen.

Diese Neustrukturierung passt in die Zeit, finden die Schuhmachers. Sie verweisen jedoch auch auf zwei Rahmenbedingungen, die sie ebenfalls unterscheiden von Mitbewerbern: Das Innkaufhaus gehört nicht zu einem großen Konzern, es ist inhabergeführt und die Immobilie in der Wasserburger Altstadt in Familienbesitz. Mit 12.000 Quadratmetern Verkaufsfläche auf drei Etagen und 30 Mitarbeitern ist das Haus außerdem kleiner als beispielsweise Karstadt in Rosenheim.

Schneller entscheiden und flexibel reagieren

„Wir können als Inhaber außerdem schnelle Entscheidungen fällen“, sagt Tobias Schuhmacher, flexibel könnten er und seine Frau auf Trends reagieren. Die Hierarchien im Innkaufhaus seien zudem flach. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürften mitreden, wenn es beispielsweise um die Warenbestellung gehe. Sie würden mit auf Messen gehen. „Bei uns im Team duzen wir uns alle“, bringen die Schuhmachers den Kommunikationsstil auf den Punkt.

Warenbestellung oft intuitiv „aus dem Bauch heraus“

Sie sagen von sich außerdem, dass sie bei der Warenbestellung nicht nur zahlengetrieben vorgehen, sondern oft auch intuitiv „aus dem Bauch heraus“. Es gehe darum, frühzeitig Trends zu erkennen, auch mal auf noch nicht so bekannte, kleine Marken zu setzen. Dass dabei auch mal auf das falsche Pferd gesetzt wird, „macht uns keine Angst“, wie Tobias Schuhmacher betont. „Fehler passieren, doch wir lernen daraus und schrecken nicht davor zurück.“ „Experimentieren, ausprobieren, etwas wagen“, charakterisiert seine Frau die Vorgehensweise. „Wir sind Macher.“ Sie ist nicht nur selber aktiv in den sozialen Medien, sondern beobachtet auf diesen Online-Foren auch intensiv, welche Entwicklungen im Einzelhandel vonstattengehen und was der Verbraucher will.

Das Innkaufhaus in Wasserburg.

Was auf keinen Fall geht: sich auf den Lorbeeren ausruhen, betonen die Schuhmachers jedoch auch. Das bedeutet auch: tägliche Präsenz im Geschäft. „Augen und Ohren aufsperren, damit uns nichts entgeht“, flexibel bleiben, sich immer wieder anpassen an neue Begebenheiten.“ „Ein hartes Business“, betont Sibylle Schuhmacher, mit „Sechs-Tage-Woche“, wie ihr Mann ergänzt.

Rosenheim keine „Riesen-Konkurrenz“ mehr

Die Zeiten, in denen die Einkaufsstadt Rosenheim eine Riesen-Konkurrenz zu Wasserburg darstellte, sind nach den Erfahrungen der Inhaber zwar vorbei. Die Kunden kämen aus einem weiten Einzugsgebiet: sogar aus dem Raum München. Das Warenhaus profitiere außerdem sehr von den Touristen, die Wasserburg besuchen. Trotzdem gibt es Sorgen, die auch die Schuhmachers umtreiben. Die Konsumstimmung war 2023 stark geprägt von einer allgemeinen Verunsicherung der Verbraucher: Energiepolitik, Inflation, Krisen in aller Welt, deren Folgen bis nach Deutschland zu spüren sind, sorgen dafür, dass viele Menschen verhaltener Geld ausgeben.

Zu schaffen mache auch dem Innkaufhaus „dieser wachsende Bürokratie-Krempel“, wie Tobias Schuhmacher seufzend feststellt. „Jedes Jahr kommt was dazu, die Auflagen und Vorgaben ersticken uns“, so seine Erfahrung. Auch der Fachkräftemangel bereite Sorgen: Viele Mitarbeitende würden sogar gerne mehr arbeiten, es lohne sich jedoch oft nicht. „Wer fleißig ist, sollte auch mehr auf dem Lohnzettel haben. Leistung muss sich wieder lohnen“, findet Tobias Schuhmacher.

Was ihn und seine Frau außerdem ärgert: Die in ihren Augen vorherrschende Neigung, in einer Salamitaktik Scheibchen für Scheibchen die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel zu verschlechtern – in Wasserburg etwa durch immer häufiger wegfallende Parkplätze. „Wir leben auf dem Land. Der Realität, dass hier das Fahrrad nicht immer die erste Wahl sein kann, dürfen wir uns nicht verstellen“, finden die Inhaber. Sie kritisieren „das oft Dogmatische“ in der Politik, sehen Wasserburg in vielen Punkten jedoch auf einem guten Weg. Die Stadt habe beispielsweise die Gestaltungssatzung geändert und ermögliche auf Altstadthäusern jetzt auch Photovoltaik-Anlagen oder sogar Wärmepumpen. Eine Chance auch für die Immobilie des Innkaufhauses, „wenn da nicht das Wirrwarr der aktuellen Förderpolitik wäre“, wie Tobias Schuhmacher betont. Er und seine Frau begrüßen, dass es jetzt ein Stadtmanagement gibt, dass der Stadtrat attraktive Veranstaltungen wie die Eisbahn beim Christkindlmarkt unterstützt, das Rathaus kooperativ sei, wenn es um Anliegen der Geschäftsleute gehe.

Wasserburg ein „guter Standort“

Wasserburg sei ein guter Standort: Hier gebe es noch viele inhabergeführte Fachgeschäfte und eine breit aufgestellte Gastronomie, eine schöne Altstadt, im Vergleich zu anderen Kommunen günstige Parkmöglichkeiten, viele Veranstaltungen und Feste, die Gäste anlocken würden. Der Gesamtmix in der Stadt stimme. Damit dies so bleibe, müsse die Stadt ebenso konsequent an den Rahmenbedingungen weiterarbeiten wie die große Politik. „Wenn es den Leuten gut geht, geht es auch uns gut“, sagen die Schuhmachers.

Die Konkurrenz durch virtuelle Marktplätze bereitet ihnen übrigens keine Sorgen: „Online gibt es. Punkt. Das Online-Geschäft hat auch seine Berechtigung. Doch es kann niemals einen physischen Laden ersetzen. Fühlen, anlangen, entdecken: Das gibt es nur im stationären Einzelhandel“, bekräftigt Sibylle Schuhmacher.

„Magnet in der Einkaufsstadt“

„Das Innkaufhaus ist eine Institution in Wasserburg, ein Magnet, von dem auch die übrige Einkaufsstadt profitiert“, ist Stadtmanager Simon Arnold überzeugt. Es besitze anders als viele Kaufhäuser großer Ketten Persönlichkeit und stehe für „Klasse“ statt Masse, findet er. Das Erfolgsgeheimnis fasst Arnold so zusammen: „Sorgfältig ausgesuchtes Sortiment, freundliche-kompetente Mitarbeiter, eine umtriebige Leitung“. Das Ehepaar Schuhmacher identifiziere sich mit dem Standort und engagiere sich auch sehr für die Stadtgemeinschaft. Sein Konzept eines „Erlebnis-Kaufhauses“ mit Aktionen, Events und Veranstaltungen belebe Wasserburg, auch abseits der Ladenzeiten. Modern aufgestellt sei außerdem das Marketing, das geschickt die Plattformen der sozialen Medien bespiele.

Kommentare