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„Aktenführung mangelhaft“

Verwaltungs-Chaos von Kirchdorf: Was „Detektive“ enthüllen und welche Rolle Amazon im Krimi spielt

Hatte die undankbare Aufgabe, die Rechnungen im Chaos-Jahr 2023 zu kontrollieren: Gemeinderat Martin Köpernik (links), Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses in Kirchdorf. Hier hatte sich Bürgermeister Christoph Greißl (Mitte) bereits den Fragen der Bürger in einer Extra-Veranstaltung gestellt. Ordnung in die Finanzen bringt derzeit als kommissarische Kämmerin Cornelia Taubmann, Expertin für Finanzrecht.
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Hatte die undankbare Aufgabe, die Rechnungen im Chaos-Jahr 2023 zu kontrollieren: Gemeinderat Martin Köpernik (links), Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses in Kirchdorf. Hier hatte sich Bürgermeister Christoph Greißl (Mitte) bereits den Fragen der Bürger in einer Extra-Veranstaltung gestellt. Ordnung in die Finanzen bringt derzeit als kommissarische Kämmerin Cornelia Taubmann, Expertin für Finanzrecht.

Erster Akt: geplatzte Ratssitzung – Abgang Gemeinderat, zweiter Akt: Bürgerversammlung – Generalabrechnung, dritter Akt – Happy End? So ging es Dienstagabend (19. März) weiter im Drama um das Chaos in der Verwaltungsgemeinschaft Reichertsheim-Kirchdorf. Warum es mittlerweile eher ein Krimi ist.

Kirchdorf – Die Akteure, die bisher eine Rolle spielten im Drama um den Zusammenbruch der Verwaltungsgemeinschaft von Reichertsheim und Kirchdorf: zwei überforderte Bürgermeister, eine mittlerweile gekündigte Geschäftsstellenleiterin, die im Verdacht steht, das Chaos ausgelöst zu haben. Außerdem Gemeinderäte und Rathauschefs, die sich zwar um Aufarbeitung bemühen, bei denen die Nerven aber mittlerweile blank liegen, und externe Kräfte einer Beratungsfirma, die von Statisten zu Hauptdarstellern werden, weil es ohne sie derzeit nicht geht.

Jetzt stand in Kirchdorf ein weiterer Akt auf der Tagesordnung. Im Fokus: die Bilanz des Geschäftsjahres 2023. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Gemeinderates hatte die undankbare Aufgabe, Zahlen zu kontrollieren, für die es zum großen Teil überhaupt keine Vorgänge und Belege gibt.

Doch bevor Ausschussvorsitzender Martin Köpernik (FWG Berg) die Hauptrolle übernahm, ging der Vorhang auf für Bürgermeister Christoph Greißl (FWG Kirchdorf). Wird er noch einmal auf die vorherige Sitzung eingehen, die der Gemeinderat geschlossen aus Protest gegen Greißls Krisenmanagement verlassen hatte? Oder auf die vor wenigen Tagen stattgefundene Bürgerversammlung, bei der sich der Rathauschef und das Gremium den kritischen Fragen der Kirchdorfer stellten? „Konstruktiv“ sei die Aufarbeitung in der Versammlung gewesen, sagte Greißl. Nun ständen er und der Gemeinderat in Zugzwang, das Verhältnis zueinander wieder aufzubauen und zu stabilisieren. Das war`s. Vorhang zu.

Wie Detektive hatten in den Wochen zuvor die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, Petra Mittermair (FWG Berg), Andreas Reuß ( FWG Kirchdorf) und Martin Köpernik (FWG Berg), versucht, das Chaos in der Finanzverwaltung und Geschäftsführung zu entwirren. Eine undankbare Aufgabe. Unterstützung gab es durch Jürgen Seifert, geschäftsführender Gesellschafter der hjs Consulting GmbH, und Cornelia Taubmann, extern eingesetzte kommissarische Kämmerin.

Kein Kontrollsystem, keine ordnungsgemäße Haushaltsführung

Köpernik stellte mit deutlichen Worten fest: 2023 habe es keine ordnungsgemäße Haushaltsführung in Kirchdorf gegeben, kein Kontrollsystem, kein Vier-Augen-Prinzip, keine Klärung über Bestellvorgänge. Transaktionen seien vielfach ohne Belege vonstattengegangen, Beträge häufig nicht auf den richtigen Posten verbucht worden. Es werde Wochen dauern, bis jeder Vorgang kontrolliert sei. Deshalb rate der Rechnungsprüfungsausschuss, nur größere Beträge zu prüfen, um sich nicht weiter zu lähmen. Diese Vorgehensweise unterstützten auch Seifert und Taubmann. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, alle Vorgänge einer Kontrolle zu unterziehen, bei denen es um unbelegte Zahlungen ab einem Wert von über 2000 Euro ging.

Köpernik und Mittermair forderten außerdem ein internes Kontrollsystem, das die Rechnungsvorgänge einem standardisierten Verlauf zuordnet und auf digitalen Prozessen basiert. Seifert legte den Finger in eine weitere Wunde: Der enorme Rechnungsrückstau zeige auch auf, dass 2023 in der VG und den beiden Mitgliedskommunen die Verantwortung nur an einer Person – der im November gekündigte Geschäftsleiterin – gehangen und eine Verteilung auf Sachgebiete nicht stattgefunden habe. Es gelte zu klären, ob auch Gelder herausgegangen seien, die vom Bürgermeister oder Gemeinderat hätten genehmigt werden müssen. Im Rechnungsprüfungsbericht heißt es deshalb wortwörtlich: Es habe „keine vollständige Belegprüfung“ stattfinden können, „damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kosten enthalten sind, die mutmaßlich privat durch die Geschäftsleitung veranlasst sind.“

Bei Amazon bestellt

Taubmann stellte außerdem Fehler in der Finanzverwaltung fest: Unter anderem habe die Berechnung der VG-Umlage auf nicht mehr korrekten Einwohnerzahlen basiert. Konkrete Vergleiche vom Haushaltsansatz mit den tatsächlich ausgegebenen Geldern hätten häufig gefehlt. Außerdem habe es Bestellungen auf der Online-Plattform Amazon gegeben, bei denen die Vorgänge im Nachhinein Ämtern und Liegenschaften hätten zugeordnet werden müssen.

Bescheide wie etwa jener für die Neugestaltung des Dorfplatzes waren verloren gegangen. „Aktenführung mangelhaft“, lautete das Urteil von Taubmann. Seifert sprach von aufwendigem Gesuche, Ordner – in einem Fall acht auf einen Schlag – seien nicht mehr auffindbar gewesen. Das führe dazu, dass das Amt für Ländliche Entwicklung, das die Dorfplatzgestaltung bezuschusst, Mittel kürzen will. Auch das gelte es nun im Nachhinein zu verhindern.

„Dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen“

Wie konnte das nur passieren? Auch diese Frage stand immer wieder im Raum. Deutlich wurde auch, dass die Kommunikation der beiden Bürgermeister nicht optimal verlaufen ist. Greißl versprach, er werde mit seinem Amtskollegen Franz Stein aus Reichertsheim öfter das Gespräch suchen. „Wir dürfen uns nicht auseinander treiben lassen, das ist 2023 passiert.“

Gemeinderat Josef Schneider (FWG Kirchdorf) hakte nach: Wie es habe sein können, dass die Probleme niemand bemerkt habe,? Greißl und Köpernik zeigten sich überzeugt, wenn sich die neue digitalisierte und standardisierte Finanzverwaltung eingespielt habe, würden die Kontrollmechanismen funktionieren.

Neues Personalproblem

Taubmann sah trotzdem nach wie vor ein großes strukturelles Problem in der VG: die Personalsorgen in Kämmerei und Kasse sowie Steueramt. Erneut soll im Bereich Finanzverwaltung eine Kündigung eingegangen sein. „Wenn niemand an Schreibtischen sitzt, nützt alles nichts“, warnte Seifert. Derzeit seien zwei Stellen nicht besetzt, weil Mitarbeitende gekündigt hätten oder erst gar nicht gekommen seien, zusätzlich zur Geschäftsleitung, bei der es im Juni endlich eine Nachbesetzung gebe. Der Personalmangel ist laut Taubmann jedoch ein generelles Problem im öffentlichen Dienst.

Trotz vieler Fragezeichen und nach wie vor laufender Prüfungsvorgänge konnten Verwaltung und Gemeinderat jedoch einen „einigermaßen verlässlichen Jahresabschluss für 2023“ feststellen. Er ist auch die Basis für den Haushalt 2024, der in einer gemeinsamen Klausur mit Reichertsheim vorberaten worden war. Zwar gibt es noch offene Fragen etwa zur Höhe der VG-Umlage, noch ungeklärte Kontenbewegungen, die Ansätze verändern könnten. Doch Kirchdorf steht finanziell gut dar: Die Gemeinde benötigt laut Taubmann keinen Kredit. Der Verwaltungshaushalt ist in Einnahmen und Ausgabe mit 3,783 Millionen Euro und einer freien Finanzspanne als Zuführung an Vermögenshaushalt in Höhe von 818.000 Euro veranschlagt, der Vermögenshaushalt wird vermutlich mit 1,757 Euro Million Euro in den Etat eingestellt. Dass ausreichend Geld da ist, auch für Investitionen und in der VG-Rücklage, liege jedoch auch daran, dass 2023 kaum investiert worden sei und auch 2024 noch von der Aufarbeitung geprägt sei.

„Uns fehlt die Kommunikation“

Taubmann appellierte an die Gemeinde, die Kämmerei nicht mehr mit der Frage, was in den Haushaltsentwurf eingestellt werden solle, alleinzulassen. „Uns fehlt ein stückweit die Kommunikation“ berichtete Taubmann. Vorbildlich mache es nur die Feuerwehr, die ein perfektes Management ihrer Finanzströme mit der Gemeinde aufweise. „Sie müssen mehr miteinander reden“, so Seifert eindringlich. Das tat der Gemeinderat bereits in der Sitzung: Er bat im Haushalt um einen vorsichtigeren Ansatz zu den Gewerbesteuereinnahmen: 1,3 Millionen statt 1,8 Millionen Euro. Der Haushaltsentwurf wurde noch nicht verabschiedet, der Gemeinderat nahm das vorgeschlagene Zahlenwerk jedoch einstimmig zur Kenntnis.

Das Drama steuert also auf ein Happy End zu. Doch es wird wohl noch ein paar Akte geben. Und noch viel Arbeit für die „Detektive“ auf den Spuren verloren gegangener Belege, Akten und Unterlagen.

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