Unbezahlte Rechnungen
Verwaltungs-Chaos in Reichertsheim und Kirchdorf: Wo war das Landratsamt?
Monatelang blieben in Reichertsheim und Kirchdorf im vergangenen Jahr Rechnungen liegen. Zudem gab es bis Dezember 2023 keinen funktionierenden Haushalt. Die Frage ist: Warum ist das Landratsamt als Rechtsaufsicht nicht eingeschritten?
Reichertsheim/Kirchdorf – Das Chaos in der Verwaltungsgemeinschaft von Kirchdorf und Reichertsheim war Ende 2023 perfekt: Viele unbezahlte Rechnungen, kein funktionierender Haushalt, unbearbeitete Anträge. Die Verwaltung, insbesondere die Finanzverwaltung von Reichertsheim und Kirchdorf, war kaum handlungsfähig. Inzwischen haben die Bürgermeister Christoph Greißl (Kirchdorf) und Franz Stein (Reichertsheim) um Entschuldigung gebeten und das Ruder herumgerissen.
Personelle Probleme und eine zeitgleiche EDV-Umstellung hätten die Situation so verschärft, hieß es seitens der Bürgermeister. Dennoch stellt sich die Frage: Wo war das Landratsamt? Hätte die Rechtsaufsicht als übergeordnete Behörde nicht einschreiten müssen? Denn Tatsache ist, dass die Verwaltungsgemeinschaft viel zu spät mit der Abgabe ihres Haushalts dran war.
Abgabefirst bis 30. November des Vorjahres
Das bestätigt auf Anfrage auch Pressesprecher Wolfgang Haserer vom Landratsamt Mühldorf. „Eine Gemeinde hat ihren Haushalt bis zum 30. November des Vorjahres vorzulegen“, erklärt er. Auf diese Frist würden die Gemeinden durch die Kommunalaufsicht jährlich hingewiesen werden. Allerdings bestehe die Möglichkeit, die Frist zu verlängern. „Sollte die Verwaltung diese Frist nicht einhalten können, wird sie um entsprechende Begründung gebeten.“
Von dieser Fristverlängerung würden die meisten Kommunen im Landkreis Mühldorf auch Gebrauch machen, wie Haserer bestätigt. Die überwiegende Zahl der Landkreiskommunen lege den Etat in der ersten Jahreshälfte des Haushaltsjahres vor“, so Haserer. Im Falle von Reichertsheim war es aber zwei Wochen vor Weihnachten. Eingeschritten ist das Landratsamt nicht, denn die Behörde sah nach eigenen Angaben keinen Grund.
„Keine Auffälligkeiten“
„Das Landratsamt stand im Verlauf des Jahres 2023 mehrmals in Kontakt mit der Verwaltungsgemeinschaft und hat zu einzelnen Vorfällen um Stellungnahme gebeten“, erklärt Haserer. Bei den genannten Einzelfällen hätten sich jedoch keine Auffälligkeiten gezeigt, welche eine tiefergehende Prüfung erfordert hätten.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Umstände im Bereich des Finanzwesens hätten dann die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden Kontakt mit dem Landratsamt Mühldorf aufgenommen. Zusätzlich habe die Verwaltungsgemeinschaft ein externes Beratungsunternehmen zur Unterstützung hinzugezogen. Auch die Kommunalaufsicht und die staatliche Rechnungsprüfungsstelle stünden der Verwaltungsgemeinschaft beratend zur Verfügung. Die Ausführung der Finanz- und Kassengeschäfte, sowie die Verwaltungstätigkeiten obliege den Gemeinden jedoch selbst, so Haserer.
Keine Probleme mit Pseudo-Etat
Bei dem verabschiedeten Pseudo-Etat, der für beide Kommunen dieselben Haushaltsposten wie im Jahr 2022 mit einem Zehn-Prozent-Inflationsaufschlag beinhaltet, sieht die Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamts bisher keine Probleme. „Die finanziellen Handlungsmöglichkeiten einer Gemeinde sind stets durch die geltende Haushaltssatzung geregelt. Die Gemeinden der VG Reichertsheim können also innerhalb des beschlossenen Haushalts handeln“, erklärt der Pressesprecher. Die Kommunen seien in der Planung ihrer Finanzen weitgehend frei und könnten in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit selbst planen und verwalten. „Sollten die vorgesehenen Mittel nicht ausreichen, ist eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen“, erklärt Haserer weiter.