Die Tonlage in der Politik wird rauer
Millionen-Defizit bei Romed: Nervosität steigt - droht Schließung eines Standorts?
Erst waren es 23 Millionen, dann 29,5 – jetzt ist ein Minus von 35 Millionen oder mehr Euro im Gespräch: Die roten Zahlen des Klinikverbunds für Stadt und Landkreis Rosenheim steigen, die Krise bei Romed scheint zu eskalieren. Auch der Ton wird schärfer. Droht eine Schrumpfkur für Romed mit seinen vier Standorten?
Rosenheim – Es wurde unruhig im Rosenheimer Stadtrat: In nichtöffentlicher Sitzung wurde am Mittwoch (26. Juli) die Romed-Krise diskutiert. Es ging um die Defizite beim Romed-Klinikverbund. Steigt das Defizit womöglich bis auf 40 Millionen Euro an? Das unkt zumindest SPD-Fraktionschef Abuzar Erdogan.
Das wäre in der Tat ein Schock, nachdem zunächst von 23,6, dann von 29,5 Millionen Euro Minus die Rede gewesen war. Zumindest Erdogan nahm diese Steigerung vor dem Stadtrat zum Anlass zu einer Generalabrechnung. Er warf Romed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram „Salami-Taktik“ vor, forderte Aufklärung. Sollte sich die Einschätzung bewahrheiten und sollten hausgemachte Fehler dahinter stecken, werde sich die SPD dafür einsetzen, dass der Romed-Geschäftsführer dem Stadtrat Rede und Antwort stehe. So berichtet Erdogan gegenüber dem OVB aus der Sitzung.
OB März und Landrat Lederer stärken Geschäftsführer den Rücken
Der Ton in der Romed-Krise verschärft sich damit. Die beiden Romed-Aufsichtsratsvorsitzenden, Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März und Landrat Otto Lederer (beide CSU), stärken dem Romed-Geschäftsführer indes weiter den Rücken. Oberbürgermeister März reagierte gar deutlich verschnupft auf die Attacke: „Den Vorwurf der ,Salami-Taktik‘ weise ich entschieden zurück“, sagte er auf Anfrage des OVB.
Landrat Lederer reagiert auf die Vorwürfe mit Unverständnis. Was die Planungen für den Wirtschaftsplan 2023 angehe, seien die Romed-Kliniken von „seriösen Annahmen“ ausgegangen. Die Verhältnisse hätten sich geändert, die Geschäftsführung habe dementsprechend reagiert und den Aufsichtsrat informiert. „Dieses transparente und durchaus übliche Verfahren als Salami-Taktik zu bezeichnen, ist nicht nachvollziehbar“, sagte Lederer dem OVB.
Romed: Tarifabschlüsse und Inflation machten Strich durch die Rechnung
Man habe zu einem Zeitpunkt für 2023 geplant, da weder Tarifabschlüsse noch inflationsbedingte Preissteigerungen absehbar gewesen seien, sagt Romed-Geschäftsführer Jens Deerberg-Wittram gegenüber dem OVB. Ein weiteres Problem: ein geringerer Umsatz aufgrund „extrem sprunghafter Krankheitsquoten“.
Jedenfalls: Diesem Plan habe der Aufsichtsrat einstimmig zugestimmt. In der nächsten Sitzung vom 5. Juli sei die aktuelle Hochrechnung mit minus 29 Millionen prognostiziert worden. „In dieser Zahl waren jetzt erstmals die Tarifabschlüsse und realistischere Preisentwicklungen sowie Umsätze enthalten“, sagt Jens Deerberg-Wittram. Die Zahl von minus 40 Millionen will er indes nicht bestätigen - sie stamme von der SPD.
Romed-Minus: Wie stark schwächte Corona den Personalstand?
Romed nennt die hohen Krankenstände in Folge der Corona-Pandemie als einen Grund für Defizite. Ein Faktor, den auch Insider außerhalb der Geschäftsführung bestätigen. Volker Schmidt, langjähriger Betriebsratsvorsitzender bei Romed und aktuell Patientensprecher, berichtet auf OVB-Anfrage, dass Erschöpfung und Überforderung am besonders stark betroffenen Romed-Klinikum in Rosenheim 2023 erst richtig durchschlügen. Andere Kliniken, die während der Corona-Pandemie schwer belastet gewesen seien, hätten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Aus seiner Tätigkeit im Landesbezirksvorstand von Verdi wisse er, wie schwer viele Häuser im Freistaat kämpften.
Auch Mühldorf steht vor Millionen-Defizit
Zumindest, was die überraschenden Kostensprünge betrifft, lässt sich ein Beispiel dafür in der näheren Umgebung finden. Auch der Landkreis Mühldorf steht unter Druck – wegen der Verluste der heimischen Krankenhäuser. Landrat Max Heimerl berichtete vor dem Mühldorfer Kreisausschuss, dass der Verlust in diesem Jahr wesentlich höher ausfallen werde als veranschlagt: womöglich über 30 Millionen statt 22,5 Millionen Euro.
Romed: Gibt es noch weitere Kostenfallen?
Was Kritiker unter anderem im Romed-Aufsichtsrat bestärkt, sind mögliche Kostenfallen für Romed etwa in der Planung für den Neubau in Prien. Dort droht nach Medienberichten ein Radiologe mit juristischen Schritten, da er über den Umbau und die Folgen für seine Praxis nicht ausreichend informiert worden sei. Die Kritik könne man nicht nachvollziehen, entgegnet die Romed-Geschäftsleitung, der Radiologe sei „mehrmals persönlich und schriftlich“ informiert worden. Dem OVB gegenüber wollte sich der Radiologe nicht äußern.
Teure Neubau-Pläne für Prien
Fakt ist, dass Prien tatsächlich und auf jeden Fall teurer kommen wird als geplant. Im Zeitraum vom Antrag auf Vorwegfestlegung im November 2021 bis zur endgültigen Annahme im Mai 2022 ist der Baukostenindex aufgrund von Lieferkettenproblemen, Preissteigerungen und Personalproblemen der Branche um 26 Prozent gestiegen. Mit diesem Anstieg um ein Viertel erklären sich die Mehrkosten: 72,9 Millionen statt 57,6 Millionen Euro. „Die Fördersumme wird selbstverständlich auch entsprechend der Indexsteigerung erhöht“, sagt der Romed-Geschäftsführer.
Romed-Minus wird Konsequenzen haben
Bei einem Minus von 29,5 Millionen Euro hätten Stadt und Landkreis Rosenheim schwer zu tragen. Die beiden Kommunen übernehmen jeweils die Hälfte der Last. Was wird dem Rotstift zum Opfer fallen? „Das wird sich final erst in der Haushaltssitzung des Stadtrats im Dezember ergeben“, sagt Rosenheims Oberbürgermeister März gegenüber dem OVB. Die internen Beratungen hätten aber „selbstverständlich“ bereits begonnen.
Auch für viele Gemeinden dürfte das Minus Konsequenzen haben. „Da könnte es manchen Haushalt durcheinanderwirbeln“, sagt Großkarolinenfelds Gemeindechef Bernd Fessler, Sprecher der Bürgermeister im Landkreis. Noch sei es aber verhältnismäßig ruhig unter den Kollegen.
Landrat Otto Lederer meint, man könne noch keine seriösen Angaben über das endgültige Defizit machen. „Themen wie Einsparmöglichkeiten, Investitionen und eine Erhöhung der Kreisumlage werden aber sicher eine noch größere Rolle spielen als in der Vergangenheit.“
Spielräume der kommunalen Politik schwinden
Während sich der Ton in der Auseinandersetzung um Romed verschärft, wird auch deutlich, dass die Spielräume schwinden. Immer wieder betonen Landrat und Oberbürgermeister, dass die Krankenhäuser seitens des Bunds unterversorgt seien. Vor dem Hintergrund der immensen Herausforderungen an die Finanzen des Bundes scheinen aber größere Mittel außer Reichweite zu sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forciert nicht zuletzt deswegen seine Krankenhausreform – und brachte die Schließung kleinerer Einrichtungen in Städten ins Spiel.
Schrumpfkur für die Standorte?
Droht nun auch in der Region Rosenheim eine Schrumpfkur? Noch sind derlei Fragen pure Spekulation. Allerdings auf der Basis von Fakten: In Wasserburg hat Romed gebaut, in Prien will man demnächst damit beginnen. Rosenheim ist das Flaggschiff des Verbunds. Droht dann also beispielsweise dem Standort in Bad Aibling auf lange Sicht das Aus?
Alles auf den Prüfstand
Es wird nun alles auf dem Prüfstand landen. Ein Mitglied des Aufsichtsrats, das lieber ungenannt bleibt, kündigte an, dass man genau nachsehen werde, wo Verluste aufliefen, und was davon hausgemacht und was der Krise des Gesundheitswesens anzulasten sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Thema „Schließung“ nicht irgendwann auf der Tagesordnung auftauchen werde.