OVB-Redaktionsgespräch in Rosenheim
„Ganz schwierig“ – aber notwendig: Warum die Grünen für den Brenner-Nordzulauf sind
Klare Ansage zum Europaprojekt, wenige Wochen vor der Europawahl: Die grüne Landeschefin Gisela Sengl und EU-Spitzenkandidatin Andie Wörle zeigen klare Kante beim Brenner-Nordzulauf. Und äußern Verständnis für die Nachbarn.
- Gisela Sengl und Andie Wörle fordern zwei neue Gleise neben den Bestandsgleisen wegen des wachsenden Güterverkehrs.
- Es gibt kaum Zweifel am Bedarf einer neuen Trasse beim Brenner-Nordzulauf laut Berechnungen.
- Neubau-Skeptiker bezweifeln die Notwendigkeit neuer Gleise und bevorzugen die Ertüchtigung der Bestandsgleise.
- Sengl fordert einen fairen Umgang der Bahn mit Anwohnern und sparsamen Flächenverbrauch bei Baustellen.
- Verständnis für Österreichs Blockabfertigung wird geäußert, während Kritik an Salvini geübt wird.
Rosenheim – Redaktionsgespräch im Media Forum des OVB Rosenheim: Wenige Wochen vor der Wahl zum EU-Parlament (9. Juni) müssen europäische Themen auf den Tisch. Und nirgendwo ist die Region Rosenheim stärker von der Politik der Europäischen Union betroffen als in der Frage des Transits. Und da äußern Gisela Sengl, Landeschefin der Grünen, und Andie Wörle, Bayerns Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl, klare Worte.
„Ich bin dafür“, sagte Sengl, die in Nußdorf, Landkreis Traunstein, wohnt. Und Wörle (Hopfen am See) stimmte zu: „Wir sind oft mit dem Bund Naturschutz einer Meinung, da natürlich nicht.“ Beide setzen sich also klar für zwei neue Gleise neben den Bestandsgleisen ein, um den wachsenden Güterverkehr über die wichtigste Alpenverbindung zu bewältigen und den Personenverkehr zu beschleunigen.
Kaum Zweifel an Bedarf für Brenner-Nordzulauf
„Die Berechnungen sagen ja, wir brauchen eine neue Trasse“, sagte Gisela Sengl. „Weil wir mehr Schienenverkehr wollen.“ Gerade an diesem Punkt dürften Initiativen wie der Brenner-Dialog anderer Meinung sein. Die Neubau-Skeptiker bezweifeln, dass für den zu erwartenden Anstieg des Schienenverkehrs wirklich neue Gleise zusätzlich verlegt werden müssen, und fordern stattdessen allein die Ertüchtigung der Bestandsgleise.
Sengl äußert sich da skeptisch. Allerdings sei ihr klar, welche Belastungen das Projekt mit sich bringen werde. „Ich weiß, es ist ganz schwierig. Es ist eine typische Infrastrukturmaßnahme.“ Sie habe auch mit etlichen Landwirten gesprochen, erkenne an, dass das Projekt in seinen Auswirkungen für sie „natürlich schrecklich“ sei. „Das ist für manche Bauern die Existenz, die können quasi aufhören, weil sie ihren Grund dort verkaufen müssen.“
Bahn: Mehr Fairness für Anwohner
Aber – so sagt sie auch: Brenner-Basistunnel und seine Zuläufe in Süden und Norden seien eine europäische Infrastrukturmaßnahme. Von der Bahn könne man allerdings erwarten, dass sie in ihren Planungen den Anwohnern so weit wie möglich entgegenkomme. „Fairer Umgang“ sei einzufordern. Auch bei der Einrichtung der Baustellen. Da gehe es um Flächenverbrauch, „damit könnte man bestimmt sparsamer umgehen“.
Blockabfertigung? Verständnis für die Österreicher
Klare Worte findet Sengl auch zu Matteo Salvini und seinem Vorhaben, die Österreicher wegen der Blockabfertigung vor dem EuGH zu verklagen. „Das ist kein guter Umgang.“ Dafür sei man nicht in der Europäischen Union vereint. „Ich verstehe die Österreicher total“, sagte Sengl vielmehr, „ich würde es genauso machen.“ Österreich bleibe bei der Enge des Brenner-Korridors keine andere Wahl, jedenfalls, bis Brenner-Basistunnel und seine Zuläufe funktionieren.
Das kann noch dauern. 2032 soll der Brenner-Basistunnel eröffnet worden. 2025 wird sich der Bundestag erst mit den Planungen auf deutscher Seite beschäftigen. Laut dem obersten Planer Matthias Neumaier ist mit einer Fertigstellung des Nordzulaufs um 2040 zu rechnen. In den frühen 2030er Jahren sei mit einem Baustart zu rechnen, sagte DB-Netz-Chefin Ingrid Felipe vergangenes Jahr dem OVB.
CSU: Brenner-Nordzulauf krass verschleppt?
Der Brenner-Basistunnel sei eine gute Lösung für die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene, sagt Sengl. Und teilt im OVB-Gespräch nochmals gegen die CSU aus. Bayern habe die Planung des Nordzulaufs „krass“ verschleppt, zumindest in Gestalt der CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer. „Ich glaube, diese Verschleppung war gewollt, weil sich keiner damit auseinandersetzen wollte.“
Um die Zeit bis zur Fertigstellung zu überbrücken, könne man aber auf ein Slot-System zurückgreifen, das Lkw Zeitfenster für den Grenzübertritt eintakte. Ein solches favorisiert auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Nicht in jedem Punkt sind also CSU und Grüne himmelweit auseinander.