CSU-Landesgruppen-Chef im OVB-Redaktionsgespräch
„Ich glaube, wir brauchen genau diese Strecke“: Alexander Dobrindt zum Brenner-Nordzulauf
2025 befasst sich der Bundestag mit dem Brenner-Nordzulauf. CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt äußert sich im OVB-Redaktionsgespräch schon jetzt über das Mammutprojekt: Ist die neue Trasse wirklich notwendig? Und will sie der Bundestag?
Rosenheim – OVB Media hatte CSU-Prominente zur Europa-Runde geladen, anlässlich der Wahlen zum EU-Parlament am 9. Juni. Und neben Landtagspräsidentin und der EU-Parlamentarierin Angelika Niebler kam Landesgruppen-Chef und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt zum Redaktionsgespräch nach Rosenheim. Er äußerte sich bei dieser Gelegenheit zu einem speziellen Europa-Thema: dem Brenner-Nordzulauf. Und sagte, was er von der Blockabfertigung hält.
Wir erleben gerade eine Woche mit vier Tagen Blockabfertigung – rekordverdächtig. Warum geht Deutschland nicht so strikt vor wie Italien?
Alexander Dobrindt: Ich gehöre zu den Kritikern dieser Blockabfertigung. Es ist nichts anderes, als dass sich die Österreicher zulasten der Nachbarn von den Bürden der Mobilität befreien. Und das ist nicht in Ordnung. Bisher hat man es immer vermieden, dagegen in Brüssel zu klagen. Das ist dem Grundsatz geschuldet, dass Deutschland seine Nachbarn nicht verklagt. Ob dieser Grundsatz noch gerechtfertigt ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Wir versuchen jedenfalls, eine Lösung zu finden, vielleicht ein Slot-System.
Dergleichen ist vor einem Jahr verkündet worden. Ministerpräsident Söder und seine Kollegen aus Südtirol und Tirol verkündeten die „Kufsteiner Erklärung“. Aber seitdem ist nichts mehr passiert.
Dobrindt: Naja, das stimmt nicht. Man ist in Verhandlungen darüber, wie man so etwas umsetzen kann. Zwischen der Idee und der praktischen Anwendung vergeht nun mal Zeit. Die Streitigkeiten weiterzutreiben finde ich jedenfalls kein optimales und konstruktives Vorgehen. Ich würde mir auch auf Seiten der Österreicher mehr Konstruktivität wünschen. Wir erleben ja nicht nur die Blockabfertigung, sondern auch anderes, Dosierampeln und so weiter. Das ist unter europarechtlichen Gesichtspunkten höchst zweifelhaft.
Die Österreicher wollen offensichtlich Druck ausüben, damit es mit dem Brenner-Nordzulauf vorangeht. Warum dauert das so lange in Deutschland?
Dobrindt: Der Brenner-Nordzulauf dauert, ja. Das weiß man hier vor Ort besser als jeder andere. Man kann sich natürlich über Trassen ausgiebig streiten. Und dass das Zeit braucht, ist nicht zwingend zu kritisieren. Es muss nur im Einklang mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen passieren. Ständig kriegt man die Frage gestellt, ob das überhaupt sein muss. Werden überhaupt so viele Güter auf der Schiene transportiert werden? Man muss nicht wirklich zweifeln, dass wir in einer Wachstumsregion Europas leben und mehr Verkehr haben werden, egal ob auf der Schiene, auf der Straße oder in der Luft. Die Prognosen besagen, dass wir mit dem Brenner-Nordzulauf im Einklang mit den wachsenden Verkehren sind.
Sie sprechen von dem Bedarf, von dem so viele Politiker auch aus der CSU sagen, dass er erst noch bewiesen werden muss.
Dobrindt: Also, ich kann ja nur aus meiner Zeit im Bundesverkehrsministerium berichten. Ich habe nie etwas anderes vertreten, als dass der Bedarf wächst und deswegen auch die Infrastruktur mitwachsen muss. Ich bin unzufrieden mit der aktuellen Lage. Eine Ampelregierung, die ständig erklärt, es gebe Versäumnisse aus der Vergangenheit, ist aktuell dabei, die Investitionen massiv zu drücken. Das wird überhaupt nichts lösen. Aus meiner Sicht ist der Bedarf da. Das ist auch keine Erfindung von vor Ort oder aus Bayern, sondern es geht hier um europäische Verkehrswege. Wir sollten darauf achten, dass wir das schnell entwickeln, natürlich zusammen mit den betroffenen Regionen, mit den Bürgern. Das ist überhaupt keine Frage. Ich kann mich noch erinnern, dass ich hier vor zweieinhalbtausend Demonstranten gesprochen habe.
Da haben auch Sie vom Bedarf gesprochen, der erst noch festgestellt werden müsse.
Dobrindt: Ich habe aber nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir den Brenner-Nordzulauf brauchen. Und ich sehe auch niemanden aus der Politik, der ihn infrage stellt. Er wird von betroffenen Gruppen infrage gestellt. Ich verstehe, dass man fragt: Brauchen wir das überhaupt? Nur irgendwann muss man an einen Punkt kommen und sagen, ja, ich weiß, es wird diese Verkehre geben.
In Südtirol waren die Widerstände gegen den Brenner-Südzulauf sehr groß. Viele Kritiker konnten aber überzeugt werden. Warum wirbt in Deutschland niemand für ein zugegebenermaßen äußerst umstrittenes Großverkehrsprojekt?
Dobrindt: Es gibt kein Großverkehrsprojekt, das nicht umstritten wäre. Weil es natürlich Belastungen mit sich bringt. Es hat keinen Sinn, so zu tun, es gebe keine zusätzlichen Belastungen durch zusätzliche Mobilität. Ziel muss es sein, die Maßnahmen erstens so verträglich zu gestalten, dass sie für die Betroffenen akzeptabel werden. Und zweitens, die Projekte mit den Betroffenen vor Ort zu entwickeln. Das dauert, ja. Ich weiß, dass wir dafür gesorgt haben, dass es ein Miteinander zwischen den Planungsprozessen und den betroffenen Regionen und Bürgern gab. Und wie Sie gesagt haben, die Italiener haben dafür geworben. Ich werbe auch dafür. Ich glaube, wir brauchen genau diese Strecke. Wir brauchen die Verkehre auf der Schiene, weniger auf der Straße. Und dazu brauchen wir einen größeren Ausbau der Schienenwege. Und da ist der Brenner Nordzulauf als die zentrale Nord-Süd-Achse Europas ein wesentlicher Punkt. Und ja, der betrifft selbstverständlich die Region. Und deswegen muss es hier im verträglichen Maße in der Umsetzung stattfinden.
Wir haben den Eindruck, dass sich die Politik aus dem Ganzen heraushält, obwohl sie ja den Auftrag gegeben hat.
Dobrindt: In der Zeit, in der ich zuständig war, stand ich ziemlich oft als Gesprächspartner zur Verfügung. Und nicht immer nur bei sehr angenehmen Veranstaltungen.
Also, häufiger als Verkehrsminister Wissing waren Sie auf jeden Fall da.
Dobrindt: Ich weiß nicht, ob der aktuelle Verkehrsminister schon mal vor Ort war und sich mit den Betroffenen auseinandergesetzt hat, oder ob er überhaupt schon mal seine Meinung dazu verkündet hat. Unsere Kollegin aus dem Deutschen Bundestag, Daniela Ludwig, beschäftigt sich dagegen rund um die Uhr damit.
Aber auch Frau Ludwig sprach öfter vom Bedarf, der erst nachgewiesen sein muss.
Dobrindt: Damit wir da kein Missverständnis haben: Es ist doch okay, dass ein Bedarf nachgewiesen wird. Ich will nur nicht, dass man versucht, den Bürgern zu vermitteln, es könnte rauskommen, dass wir den Brenner-Nordzulauf nicht brauchen. Diesen Glauben habe ich nicht. Und deswegen bleibe ich dabei: Wir werden diese Strecke planen müssen, aber wir werden sie im Verständnis mit den Bürgern planen.
Eine Frage an Sie als Landesgruppenchef: 2025 wird der Auftraggeber über die Planung der Bahn entscheiden – also der Bundestag. Wie wird die parlamentarische Befassung ausgehen?
Dobrindt: Ich kann keine Vorhersage treffen, wenn ich das Ergebnis der Bahn-Planungen noch nicht kenne.
Die Planungen der Bahn liegen weitgehend auf dem Tisch. Es sind eventuell sogar noch Nachbesserungen möglich, was die Innenüberquerung oder Unterquerung bei Rosenheim betrifft.
Dobrindt: Das werden wir uns im Detail anschauen, gar keine Frage. Aber meine Haltung dazu kennen Sie. Ich halte das für eine notwendige Trasse. Das ist eine europäische Trasse. Wir sollten unsern Teil erfüllen. Aber zu den Detailfragen, die ja erst noch zu klären sind, kann man nicht einfach sagen, da machen wir es so und dort so. Aber: Ich glaube, es wird eine Entscheidung für diese Trasse geben.
Viele Anwohner wollen die Politik bis zum allerletzten Zeitpunkt beeinflussen. Ist die Politik überhaupt noch offen für Anregungen? Etwa, was die Verlegung einer Verknüpfungsstelle in den Wildbarren betrifft?
Dobrindt: Jetzt gehen Sie ein bisschen sehr ins Detail. Jemand, der nicht mehr fachlich befasst ist, kann diese Frage schlichtweg nicht seriös beantworten. Ich kann mich erinnern, dass wir in meiner Zeit alles Mögliche versucht haben, um zum Beispiel den Lärm reduzieren zu können. Weit über das hinaus, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Daran sieht man schon, dass auch noch Veränderungen stattfinden können. Das müssen jetzt die Fachleute machen
