Sommerinterview mit Andreas Friedrich
Ortsumfahrung, Lärmschutzwände, Bahnhof ohne Dach: Nun äußert sich Priens Bürgermeister im Interview
Prien steht vor großen Aufgaben. „Dieser ganze Klima-Komplex wird die Gemeinde in den nächsten Jahren deutlich stärker fordern, als es bisher der Fall war“, sagt Bürgermeister Andreas Friedrich. Im OVB-Interview äußert er sich zu den strittigen Themen. Das sind seine Pläne.
Prien – Die Ortsumfahrung Prutdorf, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgebauten historischen Dächer am Bahnhof und die geplanten Schallschutzwände entlang der Bahntrasse sind nur ein paar der Themen, die die Bürger und auch die Verwaltung in Prien teilweise seit vielen Jahren beschäftigen. Wir haben mit Bürgermeister Andreas Friedrich (ÜWG) über die ersten drei Jahre seiner Amtszeit und seine Pläne für die Marktgemeinde gesprochen.
Herr Friedrich, Sie haben gerade die Halbzeitmarke Ihrer ersten Amtszeit überschritten. Ist das Amt bisher so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Andreas Friedrich: Ja. Ein kurzes, knappes Ja! Es ist tatsächlich so, wie man es sich vorgestellt hat. Die ersten beiden Jahre waren im Rückblick auch irgendwo verlorene Jahre aufgrund der Corona-Einschränkungen. Der 1. Mai 2020 war mitten im Lockdown, da hat sich auch kein richtiges Bürgermeister-Feeling eingestellt. Man war im Grunde wie ein Krisen-Dirigent. Was in dieser Zeit völlig gefehlt hat, war der zwanglose Austausch mit dem Bürger. Wenn Sie heute als Bürgermeister zu einer Versammlung gehen, dann passiert es unweigerlich, dass sich im Laufe des Abends jemand zu einem setzt und einem sagt, dass diese Sache gerade gut läuft oder aber mit saurer Miene sagt, diese eine Sache habe ihm gerade noch gefehlt. Mittlerweile hat sich das wieder völlig eingespielt, so wie es eigentlich sein sollte. Ich habs bisher nicht bereut und es passt für mich.
Während Ihres Wahlkampfs haben Sie auch mit der Aussage geworben, der Mensch solle im Mittelpunkt stehen und nicht die Bürokratie. Für die meisten Bürger ist Bürokratie ein Unwort. Sind Sie da schon vorangekommen?
Friedrich: Das ist tatsächlich, man mag es kaum glauben, aber auch für die Beschäftigten im Rathaus ein ziemliches Unwort. Gefühlt ist man teilweise an einem Punkt, an dem man sich selbst verwaltet. Weil man etwas Positives tun will, etwas Gutes schaffen, und in der Gemeinde Verbesserungen herbeiführen möchte und man stößt überall an entweder bürokratische Hemmnisse, dass einem übergeordnete Behörden teils Knüppel zwischen die Beine werfen oder man trifft auf so viele Statistikpflichten, dass man sich tatsächlich zum Teil überlegt, packe ich dieses Projekt überhaupt an, weil man weiß, was da für ein Wust an Formularen zurückkommt, die man ausfüllen muss.
Wüssten Sie spontan ein Beispiel dafür?
Friedrich: Krasses Beispiel, wir haben an der Ostseite des Bahnhofs eine Radabstellanlage geschaffen. Das Ding ist toll und wird mittlerweile auch gut angenommen und die Fahrräder sind da gut abgestellt. Hätte ich gewusst, dass man im Nachgang für die Abrechnung der Bundesfördermittel noch etliche Berichte schreiben muss, über das prognostizierte CO2-Einsparungspotential, über die ganze Öffentlichkeitsarbeit, die in Zusammenhang mit diesem Projekt stand, dann muss ich sagen hätten wir diesen Antrag nicht gestellt. Gebaut hätten wir es wahrscheinlich trotzdem, aber ohne Fördermittel. Bei größeren Projekten ist man als Gemeinde aber auf Zuschüsse angewiesen. Ohne wäre es beispielsweise nie denkbar gewesen, dass wir diesen sechs-gruppigen Kinderhort gebaut hätten, mit dem wir zum Schulstart unsere Schulkindbetreuung auf eine neue und viel breitere Basis stellen.
Ohne Bürokratie geht also gar nichts?
Friedrich: Ganz ohne geht es in Deutschland nicht, auch in Prien nicht. Was mir daran wichtig ist, und das ist auch die Stelle, wo ein Bürgermeister ansetzen kann, dann sind das die Einzelfälle. Wenn es irgendwo nicht vorangeht oder Bürger nicht weiterkommen aufgrund der vielen Bürokratie. Das sind dann die schönen Momente im Leben eines Bürgermeisters, weil man oft sehr unbürokratisch helfen kann, oder sagen kann, wenn sich in der Verwaltung jemand verrannt hat, Du, schlag ein Ei darüber, wir machen das jetzt so und so. Das sind die kleinen Erfolgserlebnisse und das war im Wahlkampf auch gemeint mit „Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen – nicht die Bürokratie“.
Um auf die Priener Themen zu sprechen zu kommen. Hier vor dem Rathaus ist immer viel Verkehr. Sie haben auch mal mit einer Umfahrung für Prien geworben. Ist das realistisch oder wie ist da der Stand?
Friedrich: Schau ma mal. Die Verkehrsproblematik in Prien ist ja bekannt und ist ein Dauerbrenner. Das Ganze geht eigentlich schon seit 40 oder 50 Jahren so. Es dreht sich auch immer um die gleichen Fragen. Verkehrsbrennpunkte sind natürlich unser Zentrum, der Marktplatz, die Bernauer Straße, die Seestraße und auch die Alte Rathausstraße. In meinen Augen hat es die Gemeinde auch schon vor 40 Jahren versäumt, Nägel mit Köpfen zu machen und entsprechende Grundstücke zu sichern, zumindest für eine innerörtliche Umfahrung vom Marktplatz.
Es könnte sich also etwas ändern?
Friedrich: Es gibt zwei Ansatzpunkte, um die Verkehrsmenge aus dem Zentrum herauszubekommen. Zum einen arbeiten wir hinter verschlossenen Türen an einer innerörtlichen Umfahrung vom Zentrum. Da haben wir uns auch schon zwei wichtige Grundstücke gesichert, aber die Umsetzung kann dauern. Der andere Ansatz, und den kann jeder öffentlich im Ausbauplan einsehen, ist für die Staatsstraßen in Bayern. Da gibt es noch immer den Plan einer großen Ortsumfahrung für Rimsting und für Prien. Allerdings nur in einer einfachen Skizze vom Planungsstand her. Eine konkrete Planung dafür gibt es noch nicht.
Von wann stammt denn dieser Ausbauplan? Viel scheint da ja noch nicht passiert zu sein.
Friedrich: Der Plan ist von 2011 und im Internet einsehbar (Anm.d.Red: Projekte RO260-07, RO270-07). Da ist dieses Projekt skizziert, aber nur als roter Strich auf einer Landkarte. Aktuell sind wir ja auch kapazitätstechnisch von der Verwaltung her gebunden mit der Ortsumfahrung in Prutdorf.
Wie ist da der aktuelle Stand? Gegen die Umfahrung hatte sich ja auch Widerstand gebildet.
Friedrich: Die Klage wurde ja vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Das heißt, da beginnt jetzt wieder die Abstimmung mit dem Staatlichen Bauamt in Rosenheim, anschließend der Grunderwerb, die Ausschreibung der Bauleistung und anschließend dann der Bau. Mir schwebt aber vor, wenn es mit der Ortsumfahrung Prutdorf losgegangen ist, dass man sich auch mit der Gemeinde Rimsting zusammentut und das Staatliche Bauamt auffordert diese Überlegung aus dem Ausbauplan der Staatsstraßen in eine konkrete Planung zu überführen. Nur mit einer konkreten Planung sehe ich, ob diese Idee einer Umfahrung überhaupt zu realisieren ist, oder ob da so viele Landschaftsschutzgebiete oder Biotopkartierungen auf dem Weg liegen, dass man da keine Trasse zusammenbekommt.
Wenn wir von der Straße zur Schiene kommen. Ein großes Streitthema in der Gemeinde sind die Schallschutzwände, die entlang der Bahntrasse entstehen könnten. Von bis zu sechs Meter hohen Wänden waren da die Befürchtungen. Kann das wirklich so kommen?
Friedrich: Von Seiten der Bahn sind drei Meter hohe Wände geplant, an der Schienenoberkante gemessen. Die Debatte wird bei vielen sehr emotional geführt, vor allem bei den Betroffenen, das verstehe ich auch. Im Kern geht es da letztendlich um die Frage, machen wir nichts und erhalten damit die vorhandene Optik, die jetzt auch nicht unbedingt schön und sehenswert ist, oder tun wir etwas für den Gesundheitsschutz. Denn Lärm macht krank. Ich habe selbst lange in Prien direkt an der Bahn gelebt. Da sieht man im Regelfall nichts, was so sehenswert ist, dass man da nicht auch eine Wand haben könnte. Das ist meine persönliche Meinung dazu. Natürlich kann es einzelne Grundstückssituationen geben, wo die Wand so nah am Haus ist, dass man künftig fast kein Tageslicht mehr hätte. Ein Fall ist mir da bekannt, da sind zwei Häuser nebeneinander. Da hat die Bahn aber schon, bevor die Planung überhaupt begonnen hat, einen Auftrag an das Planungsbüro gegeben, dass man dort eben mit transparenten Elementen arbeitet.
Wie ist denn da der aktuelle Stand der Planungen?
Friedrich: Die Bahn hat ein Planungsbüro eingeschaltet. Die sind am planen, wo diese Lärmschutzwände letztlich hinkommen sollen. Das was immer öffentlich diskutiert wird ist ja nur das Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung, wo die Bahn grundsätzlich ermittelt hat, dass wir für den Ort bis zu drei Lärmschutzwände bekommen können. Also im Grunde an der gesamten Strecke München - Salzburg. Wie die dann aber letztlich ausgestaltet werden, wie lang die Wände wirklich werden, sind die wirklich überall drei Meter hoch und wo gibt es transparente Elemente? Diese Planung liegt noch nicht vor.
Zu dem Thema wurde ja auch ein Bürgerantrag eingereicht…
Friedrich: Mit dem Bürgerantrag tue ich mir ein bisschen schwer. Wir werden ihn im September oder spätestens im Oktober behandeln. Angepeilt wäre schon der September, weil ja dieser Antrag zwei Kernforderungen beinhaltet. Erstens, die Bahn soll die Planung sofort stoppen und zweitens soll ein Bürgerdialog gestartet werden, in dem ganz klar herausgearbeitet wird, was die Wand für das einzelne Grundstück bedeuten würde? Und genau das kann ich hier gar nicht machen, weil kurz gesagt, über was soll ich denn mit dem Bürger sprechen, wenn noch keine Planung vorliegt? Nur aus der schalltechnischen Untersuchung lassen sich keine Rückschlüsse ziehen.
Um beim Thema Bahn zu bleiben, hat die Bahn ja für weitere Aufregung in Prien gesorgt, als sie Ende April ohne Rücksprache mit der Gemeinde die historischen Dächer des Bahnsteigs am Bahnhof entfernen ließ. Besteht die Aussicht, dass neue, ähnliche Dächer die alten ersetzen?
Friedrich: Ich hoffe es! Die Gemeinde Prien hat ja nicht umsonst im Vorgänger-Gremium dieses Verfahren betrieben, dass die Bahnsteigüberdachung in die Denkmalliste aufgenommen wird. Für den Rückbau hatte die Bahn eine Zustimmung der Oberen Denkmalschutzbehörde, erwirkt mit einem bahneigenen Gutachten, das ausgesagt hat, dass diese Überdachung womöglich nicht mehr standsicher ist, vor allem, wenn ein Zug schnell vorbeifährt könnte er die vorhandene Wellblechabdeckung abreißen. Das war ausschlaggebend für den Rückbau der Dachhaut. Als Auflage hat die Bahn bekommen, dass sie die noch stehenden Säulen vor Witterungseinflüssen schützen muss. Dem ist die Bahn nachgekommen. Das kann man auch sehen. Was nicht geschützt ist, und das war auch keine Auflage, sind die Längsstreben. Die rosten aktuell fröhlich vor sich hin.
Aber das wird doch wohl nicht so bleiben, oder?
Friedrich: Ob ein Ersatz und in welcher Form ein Ersatz gebaut wird, muss untersucht werden. Ich hätte gerne, dass das zügig und originalgetreu wiederhergestellt wird. Ich fürchte aber, dass eine neue Überdachung erst ab dem Jahr 2027 kommen wird, nämlich dann, wenn die Bahn die komplette Strecke München - Salzburg neu bauen möchte und in diesem Zug auch die ganzen Bahnsteige neu macht.
Verlassen wir den Verkehr. Flüchtlinge waren bisher in der Turnhalle des Ludwig-Thoma-Gymnasium untergebracht, künftig sollen sie an einem neuen Standort in der Jensenstraße unterkommen. Ist der Bau im Zeitplan?
Friedrich: Vorweg, zur Belegung der Turnhalle. Die hat von Seiten der Schule für ganz viel Anpassungsbereitschaft im Stundenplan und auch beim TuS für viel Arbeit und Kopfzerbrechen gesorgt. Da kann man sich nur beim TuS und den Lehrern am Gymnasium und dem Schulleiter bedanken, dass diese Situation so lange mitgetragen wurde. Mit dem Entschluss der Gemeinde ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, ist die Belegung der Turnhalle hoffentlich für längere Zeit Geschichte. Die Unterkunft soll bis zum Herbst, spätestens im Winter, bezugsfertig sein. Die Gemeinde hat den Altbestand auf dem Grundstück abgerissen und alles für das Aufstellen der Wohncontainer vorbereitet. Wann die tatsächlich geliefert werden, dazu haben wir aktuell noch keine Rückmeldung.
Wenn Sie nun in die zweite Hälfte ihrer Amtszeit starten, was steht denn noch für Sie und die Gemeinde an in den kommenden Jahren?
Friedrich: Dieser ganze Klima-Komplex wird die Gemeinde in den nächsten Jahren deutlich stärker fordern, als es bisher der Fall war. Dann steht natürlich die kommunale Wärmeplanung an, in dem Zuge vielleicht auch nochmal die Erweiterung unserer bestehenden Hackschnitzelanlage. Es steht gemeinsam mit der Gemeinde Frasdorf ein wichtiges Projekt an in Sachen Kinderbetreuung in Wildenwart, dort soll eine interkommunale Krippe, Kindergarten und Hortbetreuung errichtet werden. Da soll es im nächsten Frühjahr mit der Baumaßnahme losgehen. Aktuell sind wir massiv an der Sanierung des Erlebnisbades Prienavera mit drin, was auch unter energetischen Gesichtspunkten betrieben wird. Das sollte bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Und ein großer Dauerbrenner ist die Entwicklung des Bahnhofsumfelds. Das Thema wird uns bestimmt die nächsten drei Jahre begleiten.
