Historische Dachelemente entfernt
„Ein bedrückendes Gefühl“ – Bürgermeister ratlos ob Abrissarbeiten der DB am Priener Bahnhof
Ihre Kunden lässt die Deutsche Bahn im Priener Bahnhof ab sofort im Regen stehen. Obwohl das historische Ensemble der Bahnsteigdächer unter Denkmalschutz steht, wurden jetzt die Dachelemente abgerissen. Zu der Aktion haben die OVB Heimatzeitungen Bürgermeister Andreas Friedrich im Interview befragt.
Prien – Ein skurilles Bild bietet sich seit dem vergangenen Wochenende Reisenden im Priener Bahnhof: Entlang der Bahnsteige ragen auf gusseisernen Säulen Eisenträger links und rechts in die Luft – zu tragen haben sie aber nichts mehr. Darüber nichts als der nassgraue Himmel. Die auf den Trägern montierten Dachelemente, die bis zum Freitag die Reisenden mehr als 100 Jahre vor Wind und Wetter geschützt hatten, sind weg. Abgebaut im Auftrag der Deutschen Bahn – offenbar in einer Nacht- und Nebelaktion.
Damit lässt der Staatskonzern seine Kunden ab sofort im Regen stehen. Auch die Marktgemeinde? Wie die Abrissaktion der Bahn aus Sicht der Kommune bewertet wird, erklärt Bürgermeister Andreas Friedrich (ÜWG) im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen.
Wie haben Sie von den begonnenen Abrissarbeiten erfahren?
Andreas Friedrich: Mitten in der Nacht zum Samstag hat mich aus der Bürgerschaft ein Hinweis erreicht, dass Mitarbeiter einer Firma damit begonnen hätten, Dachelemente abzubauen. Ich habe mir dann am Samstagmorgen im Bahnhof gleich ein Bild von der Situation verschafft und auch mit den Monteuren gesprochen. Deren Aussagen waren im Tenor, der Abbau erfolge aus Gründen der Standsicherheit, bis Montag müsse alles weg sein, deshalb werde die Sperrzeit am Gleis genutzt. Zudem soll eine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde vorliegen.
Wie haben Sie reagiert?
Friedrich: Aufgrund dessen habe ich die Behörde noch am gleichen Tag angeschrieben und auf die Fragen verwiesen, die nach einem Ortstermin im März mit Vertretern der Bahn, der Denkmalschutzbehörde und mir eigentlich noch offen geblieben sind: Ob es nicht andere Lösungsmöglichkeiten geben könnte als Alternative zum Rückbau des historischen Ensembles, was von der Bahn als Folgekonzept zu erwarten ist und ob die angeblich nicht mehr standsicheren Säulen der Konstruktion entsprechend gesichert werden könnten.
Welche Antworten haben Sie bis zum heutigen Dienstag bekommen?
Friedrich: Bislang keine…
Ist die Marktgemeinde zuvor über den Abrisstermin informiert worden?
Friedrich: Nein.
Gibt’s für die Kommune im punkto Denkmalschutz ein Mitspracherecht?
Friedrich: Eine gute Frage – normalerweise werden wir bei allen denkmalschutzrechtlichen Vorgängen im Vorfeld von der Behörde eingebunden. Es gab einen ähnlichen Fall, da ging es um die Entfernung eines Denkmals. Vorab wurde uns ein schriftlicher Antrag vorgelegt, der über die Gemeinde dann ans Denkmalamt weitergereicht wurde. Ich kann nicht sagen, ob die Deutsche Bahn irgendwelche Sonderrechte genießt.
Es scheint schon seltsam, dass die Aktion ausgerechnet an einem verlängerten Wochenende stattfindet, an dem eine Behörde nicht auf Einsprüche reagieren kann…
Friedrich: Der Gedanke drängt sich tatsächlich auf.
Mit welchem Recht kann der Staatskonzern geltendes Recht umgehen?
Friedrich: Die Bahn hatte ein technisches Gutachten vorgelegt, das sich nach meiner Einschätzung allerdings nur auf Sichtprüfungen bezieht. Ob es tiefergehende Untersuchungen gab, ist mir nicht bekannt. Unter anderem hieß es darin auch, dass die vorhandenen Säulen zum Beispiel eine größere Schneelast nicht mehr tragen können.
Wird die Bahn AG für einen adäquaten Ersatz sorgen?
Friedrich: (Zögernd) Das weiß bislang niemand… Bei dem genannten Ortstermin war das Thema Ersatzbau eine zentrale Frage. Die Bahnvertreter hatten aufgeführt, dass die Dächer aus statischen Gründen zurückgebaut werden müssen. Auch der Denkmalschutz hatte nach einem Konzept für die Zukunft angefragt. Als Antwort hieß es nur seitens der Bahn, dass sie dies prüfen würden.
Was ist aus Sicht der Marktgemeinde noch machbar, um dieses historische Ensemble in irgendeiner Form noch zu retten?
Friedrich: Meines Wissens nach wurde die Dachhaut nicht eingelagert, sondern laut der Firma – die den Abbau vorgenommen hat – werden die Dachelemente entsorgt. Für den Erhalt der Säulen gibt es ein von der Denkmalschutzbehörde genehmigtes Konzept. Das heißt, die Bahn muss die Trageelemente sichern, zum Teil mit einem Schutzanstrich oder auch kleinen Blechdächern, aber ein Konzept für einen Wiederaufbau des gesamten Ensembles gibt es offenbar immer noch nicht. Nach meinem Kenntnisstand gibt es eine Aussage der Bahn gegenüber der Denkmalschutzbehörde, dass die Säulen einzelnen technisch begutachtet und die Schäden dokumentiert würden. Mit Ergebnissen sei aber nicht vor Jahresende zu rechnen.
Wie empfinden Sie persönlich diese Bahnaktion?
Friedrich: Es ist ein bedrückendes Gefühl, wie schnell heutzutage eine Ortsbild prägende Substanz verschwinden kann.
