Bad Aiblinger Stadtkabarett
„Ladenhüter“ auf der Bühne: Deswegen gab es bei der Premiere keinen Schnee von gestern
Baustellenbedingt sind die Verkehrswege in Bad Aibling derzeit etwas verschlungen. Zum Teil galt das auch für die Programmführung des Bad Aiblinger Stadtkabaretts mit Michael Stratbücker und Christian Poitsch. Das waren die Höhepunkte der Premiere.
Bad Aibling - Wenn der Abend auch unter dem Motto „Alles muss raus“ stand, so wurde dem Publikum dennoch nicht in Ausverkaufmanier Schnee von gestern geboten. Die Bühnenakteure beackerten in der Buchhandlung „Librano“ ein breitgefächertes Themenfeld, das vielfach lokalen Bezug hatte, aber auch das aktuelle Weltgeschehen nicht aus dem Blickfeld verlor. Überwiegend klar in der Sprache, nicht selten gepaart mit einem wohldosierten Schuss feinsinniger Ironie, die Kabarett so richtig würzig macht, und gelegentlich auch einer verträglichen Prise an kleinen Boshaftigkeiten.
Programmatische Vielfalt
So präsentierten Stratbücker und Poitsch ihre programmatische Vielfalt auf der Bühne - ziemlich direkt, aber nie Grenzen überschreitend. Unterhaltungscharakter und Anstand verschmolzen an diesem Abend zu einer als angenehm empfundenen Einheit. Und ganz nebenbei erwies sich das nach dem Tod von Max Regensburger von drei auf zwei Akteure geschrumpfte Duo der Aiblinger „Ladenhüter“ immer dann als geschickter Meister der Improvisation, wenn der rote Faden einmal kurzzeitig abhandenkam. Fast Symbolbedeutung war da der Tatsache beizumessen, dass Poitsch und Stratbücker natürlich bewusst irreführend nicht nur einmal von der Probe für den großen Auftritt sprachen.
Ziemlich „schlierig“ sei mittlerweile alles in Bad Aibling, meinte Christian Poitsch mit Bezug auf Bürgermeister Stephan Schlier. Der Betrieb des Aiblinger Kurhauses erfolgt noch nicht zur Zufriedenheit de Kabarettisten, dennoch: „Catering ist immer noch besser, als wenn das die AIB Kur selber macht.“
Als „Talstation ohne Berg“ empfindet Christian Poitsch den Marienplatz, nachdem sich in der Adventszeit im Herzen der Stadt Gondeln befinden, die als Aufenthaltsort für eine kleine Pause oder einen kurzen Ratsch dienen sollen. Fast visionär ging das Duo auch der Frage nach, ob man nicht eine Seilbahn-Verbindung zum Hofberg schaffen könne.
Den Spannungsbogen steigernd, gaben die beiden dann gleich ein Geheimnis preis und brachten die Großbaustelle in der Kirchzeile mit dem Bau der zweiten Stammstrecke in München in Verbindung. Der Traum von Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber vom Transrapid, der eine besonders schnelle Verbindung vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen darstellen sollte, wurde kurzerhand umgedeutet. „In 15 Minuten vom Hauptbahnhof nach Bad Aibling, dafür brauchen wir das große Loch.“
Lieber eine Krähe im Hauptaussschuss als ein Lechner auf dem Bürgermeisterstuhl
Die Krähenplage in der Stadt durfte natürlich nicht fehlen. Da wagte sich Stratbücker an einen Vergleich, der mit das meiste Gelächter hervorrief. „Lieber eine Krähe im Hauptausschuss als ein Lechner auf dem Bürgermeisterstuhl.“ Ein Genuss war auch der fiktive Anruf vom gesunden Menschenverstand, den Christian Poitsch erhielt. „Der wird so oft zitiert und nicht beachtet, der brauchte mal jemand zum Ausweinen.“ Rat- und Sprachlosigkeit seien dessen Tod, zeigte sich Poitsch überzeugt.
Landtagswahl aufs Korn genommen
Die Landtagswahl aufs Korn zu nehmen, die dem Stimmkreis Rosenheim West gleich vier Abgeordnete bescherte, war quasi Pflichtprogramm für das Duo. Zwei Sätze widmete Christian Poitsch Andreas Winhart (Afd), die vermutlich mehr über seine Haltung zur AfD aussagten als ein langer Monolog. Wieder bildete ein (wohl) erfundener Anruf das Grundgerüst. „Winhart war am Telefon und hat gesagt, wenn er in unserem Programm vorkommt, müssen wir mit einer Klage rechnen. Ich konnte ihn beruhigen und ihm sagen, dass bei uns nur Leute vorkommen, die Bedeutung haben.“
Da haben die Delegierten etwas falsch verstanden
Auch Franz Bergmüller (ebenfalls AfD) kam nicht ungeschoren davon. „Was soll ich dazu sagen. Das reicht schon, was der selber sagt.“ Während Poitsch es bei Sepp Lausch bei dessen eigener Überraschung bewenden ließ, die sein Einzug ins Maximilianeum bei ihm ausgelöst hat, nahm er sich für Sebastian Friesinger (CSU) schon etwas mehr Zeit. „Söder hat doch gesagt, die CSU möchte weiblicher und jünger werden. Jetzt haben wir einen Hochzeitslader mit Vollbart, der 62 Jahre alt und von kräftiger Statur ist. Es scheint, da haben die Delegierten etwas falsch verstanden.“
Auch was Friesingers politische Fähigkeiten betrifft, geriet der Kabarettist bei dem Abgeordneten aus Albaching - „dieser kleine Ort ganz am Ende des Stimmkreises ist sicher eng mit dem bevölkerungsreichen Mangfalltal verbunden“ - nicht unbedingt ins Schwärmen. „Ich habe immer gedacht, ein Abgeordneter soll sich auskennen im Stimmkreis. Na ja, aber Friesinger kann ja googlen, wenn er etwas nicht weiß.“
Des is fei schiach
Eine besondere Herausforderung, bei der die “Ladenhüter“ ob der Pfiffigkeit der Zuhörer zum Teil an ihre Grenzen gerieten, war das Publikumsspiel. Aus deren Reihen nahmen sie im Dialekt geschriebene Wörter entgegen, die Stratbücker in Gesten auf der Büne umwandeln wollte. Die wiederum sollten das Publikum zum Erraten des jeweiligen Begriffs befähigen. Das funktionierte nicht immer. Wie soll man auch „Gspusi“, „gscheckert“ oder „schiach“ leicht verständlich mimen? „Des is fei schiach“, meinte Stratbücker mit einem tiefen Seufzer angesichts der für ihn nicht vollständig lösbaren Aufgaben.
Hommage an Max Regensburger
Den Anwesenden hat es trotzdem Spaß gemacht, und das war für die Protagonisten das Wichtigste an einem Abend, der fast erwartungsgemäß mit einer Hommage an Max Regensburger endete. Er war der Gründervater der „Ladenhüter“ und deren Motor. Viele Jahre imitierte er in unnachahmlicher Weise am Ende jeder Vorstellung den 2013 verstorbenen weltbekannten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Michael Stratbücker versuchte es mit der Stimme des ebenfalls verstorbenen Willy Brandt und erinnerte an den Besuch des ehemaligen Bundeskanzlers in Bad Aibling in den 70er Jahren. Eine Geste, die einen Kabarettabend mit Rührung ausklingen ließ, an dem nicht alles perfekt lief, dessen Besuch jedoch keinesfalls eine verlorene Zeit war.