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Aktueller Bericht zur Sozialraumanalyse

Wohnungsnot im BGL spitzt sich zu: Wenige Landkreise mit höheren Mieten - „Rollt Welle auf uns zu“

Eine Stadt in den Alpen, eingekesselt von Bergen. Auf einer Baustelle entsteht ein Wohnhaus mit mehreren Stockwerken.
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Nicht nur im Talkessel ist die Wohnsituation angespannt. Im gesamten Landkreis wird mehr Wohnraum benötigt.

Der Mangel an Wohnraum gehört zu den wichtigsten Themen im Berchtesgadener Land. Viele Einheimische suchen verzweifelt und dann kommen noch neue hinzuziehende Kreisbewohner hinzu. Das lässt die Emotionen durchaus hochkochen. Paradoxerweise steigt die Anzahl der Wohnungen seit Jahren kontinuierlich. Doch im Rahmen der Sozialraumanalyse stellte das Landratsamt Zahlen vor, die aufhorchen lassen und die eigentlichen Probleme darstellen. Und: Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird vermutlich noch weiter zunehmen.

Bad Reichenhall - Die Suche nach Wohnraum im Berchtesgadener Land sowie der Ärger über steigende Mietpreise und Zweitwohnungen sind zu einem Dauerthema geworden. Alleine die vor etwa einem Jahr veröffentlichte Studie zur Tourismusakzeptanz vom Bergerlebnis Berchtesgaden sorgte für zahlreiche Diskussionen. Auch danach stießen Berichte über Neubauprojekte oder Einheimische, die aus Frust wegziehen, immer wieder für Aufsehen:

Auch im Landratsamt weiß man um die Probleme, die den Schilderungen von Stefan Neiber, Stabstelle Landkreisentwicklung, weiter zunehmen werden. Am Mittwoch (19. Februar) stellte er dem Kreisausschuss für Umweltfragen, Energie, Landkreisentwicklung und Mobilität die neuesten Zahlen aus der Sozialraumanalyse zum Thema Schaffung von Wohnraum vor. Kurios: Die Gesamtzahl der Wohnung nimmt zu. „Das passt nicht zum eigenen Empfinden von uns, aber es stimmt“, so Neiber. Waren es Ende 2019 noch 50.700 Wohnungen im Landkreis, stieg die Zahl bis Ende 2023 auf über 52.000. Auch die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist von 515 (2019) auf 809 (2023) gestiegen.

Dramatische Einbrüche und hohe Mieten

Doch aus den Schilderungen von Neiber wurde schnell klar, woran es hakt: 2023 brach die Anzahl der Baufertigstellungen dramatisch ein. Waren es 2022 noch insgesamt 545, sank die Anzahl 2023 auf 274. „Und man braucht keinen großen Blick in die Glaskugel, dass es 2024 nicht besser aussehen wird.“ Das Bauen sei einfach zu teuer geworden. Dabei gebe es viele Ansatzpunkte, die eventuell auch für das Berchtesgadener Land infrage kämen, etwa die Modulbauweise.

Neiber schilderte weitere Probleme: Einerseits sei das Einkommensniveau im BGL bekanntlich nicht sonderlich hoch, doch andererseits gehöre das Berchtesgadener Land deutschlandweit zu den Landkreisen mit den höchsten Mieten. Er verdeutlichte Letzteres anhand einer Karte vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Die Angebotsmieten von Wohnungen bei Erst- und Wiedervermietung in mittlerer/guter Wohnlage lagen 2023 im ersten Halbjahr zwischen 10,50 bis 11,50 Euro pro Quadratmeter (nettokalt).

Ein einfacher Blick über die Karte genügte, um zu sehen, dass es in Deutschland nicht viele Landkreise abseits der Ballungsräume wie München, Stuttgart, Hamburg oder Berlin gibt, die höhere Angebotsmieten haben. Grundsätzlich seien die Mieten in Süddeutschland besonders hoch, aber Neiber meinte: „Man sieht, wie viel Geld im Berchtesgadener Land für das Wohnen ausgegeben werden muss. Als ländlicher Raum liegen wir damit ziemlich weit oben. Und das bei unserem Einkommensniveau“.

Weitere Herausforderungen

Hinzu kommt: Die Bevölkerungsentwicklung wird weiter zunehmen. Waren es 2010 noch über 102.000 Landkreiseinwohner, stieg die Anzahl dem Statistischen Bundesamt zufolge bis Ende 2023 auf über 108.000. Und dem Bayerischen Landesamt für Statistik zufolge wird sich gegenüber 2022 eine Veränderung bis zum Jahr 2042 von ungefähr 3,8 Prozent ergeben. „Weil mehr Menschen zu uns ziehen, als den Landkreis verlassen, und weil das Durchschnittsalter weiter ansteigen wird, kommen auf die Kommunen weitere Herausforderungen zu“, so Neiber. Immer mehr ältere Einwohner würden bedeuten, dass es mehr seniorengerechte Wohnungen sowie passende Pflegeeinrichtungen bräuchte. „Da rollt eine regelrechte Welle auf uns zu.“

Die vorgestellten Zahlen sorgten auch im Ausschuss für Gesprächsstoff. Hans Metzenleitner (SPD) betonte, dass auch der Fachkräftemangel mit dem Thema Wohnraum zusammenhänge. „Die Gemeinden legen sich ins Zeug, stoßen aber immer wieder auf riesige Widerstände. Wir müssen auch darüber nachdenken - wo es möglich ist -, neue Baugebiete auszuweisen“, betonte er. Dass sich beim Wohnbauwerk BGL Hunderte Suchende in der Warteschlange befinden, „das ist eigentlich ein Skandal“. Er warb dafür, dass Baurecht nicht immer zu restriktiv auszulegen.

Metzenleitner brachte noch ein Beispiel aus der Praxis zur Sprache. „Es ärgert mich furchtbar, dass BayernHeim - als Unternehmen des Freistaats seit 2018 aktiv - in Bischofswiesen das Baugebiet ,Burgergraben‘ übernommen hat und eineinhalb Jahre nach der Übernahme immer noch nichts passiert ist. Das war eigentlich eine tolle Sache, aber das dümpelt vor sich hin. Die Gemeinden können nicht alles lösen“, machte er klar.

„Monitoring“ von Genehmigungen gefordert

Auch Sven Kluba (CSU) forderte eine weniger strenge Auslegung der Baurechte durch das Landratsamt und ein höheres Tempo bei den Baugenehmigungen. „Es gibt genügend Beispiele, bei denen die Bauherren schnell loslegen wollen, aber nicht können.“ Kluba brachte ein „Monitoring“ bei den Genehmigungen ins Spiel, um nachzuvollziehen, wie lange diese dauern und wie oft Anträge abgelehnt werden. „Wir stochern da immer im Raum herum, aber auch hierzu brauchen wir Fakten“, so Kluba.

Landrat Bernhard Kern nahm seine Mitarbeiter in Schutz: „Es ist nicht fair, den Ball in Richtung Landratsamt zu schieben. Die Kommunen wissen schon seit Jahren, dass der Wohnraum ein Thema bleibt. Da gab es genügend Zeit, Bebauungspläne anzupassen“. Seine Mitarbeiten würden dem drängenden Mangel Tribut zollen und hätten auch den Mut, Genehmigungen auszusprechen, „bei denen man drei auch mal gerade sein lässt“. Doch man müsse sich auch an Rechte und Gesetze halten.

Kern zufolge wäre es hilfreich, wenn die Bauberatung der Behörde häufiger genutzt werde. „Es kann nicht sein, dass wir teilweise bis zu acht Sitzungen benötigen, um eine Genehmigung zu erteilen, weil jedes Mal Unterlagen nachgereicht oder Pläne nachgebessert werden müssen. Wenn die Bauträger und Architekten die Beratung in Anspruch nehmen, lässt sich vieles vorab klären und alle Beteiligten sparen sich Zeit. Aber auf meine Mitarbeiter lasse ich nichts kommen.

„Nicht so nicht, wie es hingestellt wird“

Kluba ruderte daraufhin zurück und sprach davon, niemanden ins falsche Licht stellen zu wollen. „In Traunstein gibt es ein Monitoring über die Baugenehmigungen bereits“, warb er für seinen Vorschlag. Richard Lenz (FW) meinte, dass man sich als Gesellschaft bei vielen Dingen selbst im Wege stehe, etwa wenn es um Vorschriften oder die Rechtsprechung gehe. „Und die Vermieter werden mir persönlich zu oft unter Generalverdacht gestellt. Ein Großteil von ihnen sind ehrliche und offene Vermieter. Das Dilemma ist doch, dass es oft nicht so einfach ist, wie es hingestellt wird, und wir nicht so günstig bauen können, wie wir wollen.“

Stefan Neiber von der Stabstelle Landkreisentwicklung machte im Rahmen seines Vortrags noch darauf aufmerksam, dass die Kommunen mit den Zahlen unterstützt werden, um ihnen den Bedarf und die Entwicklung aufzuzeigen. Zudem würden Kontakte vermittelt und Beratungen angeboten. Sehr gut angenommen wurden übrigens die Veranstaltungsreihe „Schaffung von Wohnraum“. Allein beim Vortrag „Wie schaffen Kommunen bezahlbaren Wohnraum/bezahlbares Bauland? Welche rechtlichen Instrumente können die Gemeinden dabei nutzen?“ kamen circa 60 interessierte Zuhörer. Insgesamt kamen zu den fünf Terminen 250 Teilnehmer.

„Und das waren alles Menschen, die sich ernsthaft mit dem Wohnungsbau beschäftigen“, schilderte Neiber. Ob die Reihe 2025 oder erst nach den Kommunalwahlen 2026, wenn in den Gremien der Gemeinden und Städte neue Mitglieder sitzen, fortgeführt wird, ist noch unklar. (ms)

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