Nachgefragt in Altötting, Mühldorf und Rosenheim
Mittagessen „to go“ aus dem Supermarkt: Wo der Trend hingeht und was seine Hürden sind
Mittagspause! Da führt der Weg vieler heutzutage für die Brotzeit oder das warme Mittagessen nicht mehr in eine Gaststube oder Metzgerei, sondern den Supermarkt. Wir haben in den Kreisen Altötting, Mühldorf und Rosenheim nachgefragt, woher der Trend kommt, wo seine Limits sind und welche Auswirkungen das auf klassische Anbieter hat.
Altötting/Mühldorf am Inn/Rosenheim - „Das ist keine Überraschung für mich! Gastronomische und Brotzeit-Angebote sind in großen Schritten seit vielen Jahren ein Trend!“, berichtet Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverband Bayern e. V.. „Angefangen hat es mit Speisenangeboten beispielsweise bei IKEA oder Globus.“ Dabei sei es teils noch darum gegangen, dass diese in der Regel in Gewerbegebieten angesiedelt waren. „Da war dann die Idee beziehungsweise die Attraktion für Kunden: Zuerst ein ausführlicher Einkaufsbummel. Und dann als Abschluss setzt man sich noch hin und stärkt sich mit einer warmen Mahlzeit.“ Doch dies habe sich, zum einen durch die Abnahme der Bedeutung traditioneller Mahlzeiten besonders bei jüngerer Generationen, zum anderen durch die Verlagerung des Angebots der klassischen Gastronomie weg vom Mittagstisch und hin zu Abendessen, nun zu einer neuen Form entwickelt.
„Spitzenreiter sind weiter Klassiker wie die Leberkas- oder Schnitzelsemmel, belegte Brote und so weiter. Aber die werden längst nicht mehr in der Metzgerei sondern an der Theke im Supermarkt gekauft und teilweise man macht dann noch ein paar weitere Besorgungen mit dazu. Noch dazu können Supermärkte da potenziell Dinge wie vegetarische und vegane Kost anbieten und haben auch sogenannte ‚Convenience‘-Produkte, also Dinge, die nur noch ein paar wenige Schritte in der Zubereitung wie Erwärmen in der Mikrowelle bedürfen“, fährt Ohlmann fort, „Das ist derart rentabel, inzwischen bauen manche Märkte auch alles komplett um das Brotzeit- und Mittagsangebot herum auf.“
Nachgefragt in Altötting, Mühldorf und Rosenheim - Mittagessen „to go“ aus dem Supermarkt: Wo der Trend hingeht und was seine Hürden sind
Zwei prominente Beispiele dafür gibt es in Rosenheim. „Da es sehr viele Büros und ein Hotel in der Umgebung gibt, haben wir außerdem darauf geachtet, ein großes Angebot an verzehrfertigem Essen anzubieten“, erklärte Thomas Hildebrandt, der den im September des vergangenen Jahres neu eröffneten Edeka Hildebrandt in den Lokhöfen an der Münchener Straße betreibt. Dementsprechend gibt es dort eine Salatbar, aber auch frisches Sushi und eine große heiße Theke mit täglich wechselnden frischen Mittagsgerichten. Auch bei dem Neubau eines Edeka-Marktes in Berchtesgaden ist eine Frische-Theke ein zentraler Bestandteil.
„Damit unsere Kunden ihre Pausenzeit bestmöglich nutzen können, haben wir alles so angeordnet, dass man von der Hot- zur Salatbar und dann über eine relativ kurze Entfernung noch vorbei an anderen Dingen wie Erfrischungsgetränken oder Snacks rasch zur Kasse gelangt. Wir haben, anders als im Gillitzerblock, vier Self-Checkout-Kassen, für die wir uns bewusst auch für die Mittagskunden entschieden haben, damit diese dort rasch das Bezahlen erledigen und dann noch möglichst viel von ihrer Mittagspause genießen können“, erklärte wiederum der Rewe-Kaufmann Trim Llugiqi bei einem Baustellen-Besuch im künftigen Markt zwischen Nikolaistraße und Ruedorfferstraße. Auch beim Umbau des Rewe-Marktes in Kolbermoor, der 2023 zum Abschluss kam, wurde der Sushi-Shop in einen ruhigeren Bereich verlegt und ein Ticketsystem für die Fleischtheke eingeführt.
Fachkräftemangel kann Bereitstellung von Angebot ausbremsen
Doch ein Blick in den Nachbarlandkreis Mühldorf am Inn zeigt: Auch wenn eine Nachfrage besteht, kann so ein Angebot auf Hürden stoßen. Gegen 14 Uhr gingen damals beim Metzgergrill in der Vorkassenzone des Globus-Marktes unter der Woche die Lichter aus, wie die OVB-Heimatzeitungen berichteten. Der Grund: Personalmangel. „Wir haben das jetzt sehr wahrscheinlich gelöst“, kann Globus-Geschäftsleiter Tobias Au ein Jahr danach berichten, „Zwischenzeitlich hatten wir mehrere Neuzugänge, die müssen nun natürlich noch eingearbeitet werden, aber ich gehe davon aus, dass wir ab Mai wieder zu den ursprünglichen Öffnungszeiten zurückkehren können.“ Allgemein könne er von einer weiterhin hohen Nachfrage berichten. „Wir bieten sogar eine spezielle Gastrokarte an, mittels derer Firmen ihren Mitarbeitern bei uns vergünstigtes Essen anbieten können.
„Auch bei Josef Wimmer, Geschäftsführer bei Edeka Lechertshuber und Wimmer fragte die Zeitung damals an. Diese sind in den Landkreisen Altötting, Mühldorf am Inn und Rottal-Inn mit insgesamt 16 Märkten vertreten. „Die Jungen haben mit Fleisch und Blut nicht so viel am Hut”, nannte damals einen möglichen Grund für den fehlenden Nachwuchs. Ein Jahr darauf seien sie weiterhin vom Fachkräftemangel massiv betroffen, teilt er auf unsere erneute Nachfrage nun mit. Zusammenfassend kann man also an dieser Stelle sagen: Auch wenn der Trend der Nachfrage hin zu Brotzeit und Mittagessen aus dem Supermarkt geht, kann der anhaltende Fachkräftemangel die Bereitstellung eines Angebots zumindest ausbremsen.
DEHOGA-Landesgeschäftsführer: „Sehen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen“
Was aber bedeutet die Entwicklung für Metzgereien und die Gastronomie? „Mir wäre nicht bekannt, dass Kollegen beklagen, dass sie durch eine solche Konkurrenz Kunden verlieren“, berichtet Josef Berghammer, Obermeister der Metzger-Innung Altötting-Mühldorf. Den Wandel bei der Nachfrage beobachtet auch er: „Das sehe ich ja in unserem eigenen Betrieb in Ampfing: Vor allem Convenience-Sachen werden durchaus stärker nachgefragt. Anders als manche Supermärkte können wir aber mit frischer Ware punkten. Es geht hier also beispielsweise um ein fertig paniertes Schnitzel, dass man zu Hause grad noch anbraten muss.“
„Wir sehen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist das erweiterte Angebot für Verbraucher nachvollziehbar, andererseits bedeutet es eine zusätzliche Konkurrenz für klassische Gastronomiebetriebe – insbesondere in der Mittagszeit“, so wiederum Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Bayern e.V., „Ein Faktor für Verbraucher ist neben der schnellen ‚Verfügbarkeit‘ der Gerichte gewiss auch der Preis. Deshalb ist es gut, dass die neue Bundesregierung den Fehler der unterschiedlichen Besteuerung von Speisen schnellstmöglich rückgängig machen will: 7 Prozent Mehrwertsteuer sowohl auf Speisen ‚to go‘ als auch beim ‚Vor-Ort-Verzehr‘.“
„Rechnen mit Ausweitung solcher Angebote!“
„Wir rechnen mit einer weiteren Ausweitung solcher Angebote. Eine Umkehr ist nur denkbar, wenn sich das Konsumverhalten spürbar verändert – etwa durch mehr Wertschätzung für Qualität, Regionalität oder gemeinsames Essen vor Ort. Gastronomiebetriebe müssen hier mit klarer Positionierung und Qualität gegenhalten“, so Geppert weiter, „Die Frage ist natürlich, was können Gastronomiebetriebe tun, um sich angesichts dieser Konkurrenz zu behaupten? Erstens das Profil schärfen: Gäste suchen nicht nur Sättigung, sondern ein Erlebnis. Frisch zubereitete Speisen, regionale Zutaten und saisonale Küche schaffen einen echten Mehrwert gegenüber standardisierten To-Go-Angeboten.“
„Zweitens, Schnelligkeit und Effizienz verbessern: Auch die Gastronomie kann ‚schnell‘ – ohne an Qualität einzubüßen. Ein durchdachtes Mittagsmenü, kurze Wartezeiten und ein klarer Ablauf können viele Gäste halten, die sonst zum Supermarkt abwandern würden. Drittens, Digitale Lösungen nutzen: Vorbestellung per App, digitale Speisekarten oder kontaktloses Bezahlen – was im Supermarkt selbstverständlich ist, kann auch in der Gastronomie neue Zielgruppen ansprechen und Prozesse beschleunigen“, erläutert Geppert und schließt, „Viertens, Kooperationen in Betracht ziehen: Warum nicht mit lokalen Betrieben, Büros oder sogar Märkten kooperieren? Ein Mittagsangebot in Partnerschaft mit umliegenden Unternehmen kann neue Wege eröffnen – auch jenseits der klassischen Gastronomiefläche.“ (hs)




