Kaum Nachwuchskräfte in der Region Mühldorf
Keine Leberkas-Semmel nach 14 Uhr: Supermärkten fehlt Personal
Immer weniger junge Menschen wollen in einer Metzgerei lernen, Stellen in Supermärkten bleiben unbesetzt. Mit schwerwiegenden Folgen für Kunden der Frischetheken.
Mühldorf/Waldkraiburg – Gegen 14 Uhr gehen beim Metzgergrill in der Vorkassenzone des Mühldorfer Globus-Marktes unter der Woche die Lichter aus. Wer dann noch eine warme Leberkas-Semmel möchte, ist zu spät dran – das Personal ist bereits im Feierabend. „Die Kunden sind natürlich enttäuscht, wenn sie vor einer leeren Theke stehen”, sagt Globus-Geschäftsleiter Tobias Au. „Uns gefällt das ja selbst nicht.”
Aber es fehlt schlicht an Personal. Ein Problem, das bei Globus mit Corona begonnen hat und in den letzten rund vier Monaten akut geworden ist. „Früher haben wir nach einem Fleischer zwei Monate gesucht, heute ein halbes Jahr”, erzählt Personalleiter Peter Malcher.
Wille auszubilden ist da, aber Bewerbungen fehlen
„Wir sind vom Fachkräftemangel massiv betroffen”, sagt auch Josef Wimmer, Geschäftsführer bei Edeka Lechertshuber und Wimmer. Die bewährten Mitarbeiter würden sich schon auf den Ruhestand freuen und von den jungen Menschen möchte kaum jemand den Beruf erlernen. „Wir würden gerne ausbilden, aber die Bewerbungen sind sehr dünn gesät.”
Momentan lernen dreißig Azubis in 16 Filialen in der Inn-Salzach-Region – allerdings nur rund zehn im Bedienbereich. „Das könnten gerne noch zehn mehr sein”, sagt Wimmer. „Die Jungen haben mit Fleisch und Blut nicht so viel am Hut”, nennt er einen möglichen Grund für den fehlenden Nachwuchs.
Die langen Arbeitszeiten schrecken Auszubildende ab
Josef Berghammer, Obermeister der Metzger-Innung Altötting-Mühldorf, glaubt das nicht. „Wir in der Produktion sind alle mit Leidenschaft dabei, auch die Azubis.” Was die jungen Menschen abschrecke, seien vor allem die Arbeitszeiten. „Der Verkauf ist eigentlich das größte Problem, samstags will heute keiner mehr arbeiten”, sagt er. Darum versucht er, seinen Mitarbeitern jeden zweiten oder dritten Samstag freizuhalten. Bei Supermärkten sei die Situation noch angespannter, weil sie längere Öffnungszeiten haben als inhabergeführte Metzgereien.
„Jeder möchte, dass es einen Bäcker und Metzger vor Ort gibt, aber keiner will die Arbeit machen”, sagt Georg Wittmann, Marktinhaber von zwei Edeka-Filialen in Waldkraiburg und einer in Buchbach. Er ist selbst gelernter Metzger, hat sich nach einem Schulpraktikum bewusst für den Beruf entschieden. In seinen Filialen bildet er allerdings nicht aus, weil ihm dazu ein Meister in der Metzgerei fehlt. „Da jemanden zu finden, ist quasi ein Sechser im Lotto”, sagt er.
Eine Frischetheke in Waldkraiburg bereits geschlossen
Aktuell ist er personell gut aufgestellt. Das liegt auch daran, dass er die Frischetheke in der Graslitzer Straße in Waldkraiburg bereits vor zwei Jahren geschlossen und das Personal zusammengelegt hat. „Damals konnte keiner mehr Urlaub nehmen oder krank werden”, erinnert er sich. Nach vier Mitarbeitern habe er ein Jahr lang gesucht, drei ungeeignete Bewerbungen habe er erhalten.
„Zukünftig wird es noch ein riesen Problem, die Bedientheken überhaupt aufrechtzuerhalten”, sagt Edeka-Geschäftsführer Wimmer mit Blick auf die nächsten drei bis fünf Jahre. In den 16 Edeka-Filialen würden 30 bis 35 Vollzeitkräfte im Bedienbereich fehlen. „Und das ist nicht übertrieben”, betont er. Als Reaktion darauf hat das Unternehmen die Öffnungszeiten der Bedientheke Anfang Februar auf 7:30 bis 18 Uhr verkürzt.
Das vorhandene Personal nicht überlasten
In der Karwoche bemühten sich alle befragten Supermärkte um Öffnungszeiten bis zum Ladenschluss. „Auf Dauer geht das so nicht, wir wollen unsere vorhandenen Mitarbeiter nicht überlasten”, sagt Globus-Personalleiter Malcher. Insbesondere im Verkauf seien viele Frauen beschäftigt, die zuhause die Sorgearbeit übernehmen und nicht einfach länger bleiben können. Zudem sei in der Metzgerei – verglichen mit dem Non-Food-Bereich – die Fluktuation schon jetzt hoch.
Bangen um den Ausbildungsstandort Mühldorf-Altötting
„Handwerksberufe wie Bäcker und Metzger, aber auch die Gastronomie, büßen aktuell an Attraktivität ein”, sagt Globus-Geschäftsleiter Au. Der Beruf habe nicht mehr den Stellenwert wie vor zehn bis zwanzig Jahren.
Das sieht Innungs-Obermeister Berghammer auch an der Größe der Berufsschulklassen. Hätten vor dreißig Jahren noch über 40 junge Menschen eine Ausbildung im Bereich Metzgerei begonnen, waren es in beiden Landkreisen zusammen im letzten Jahr 17 neue Azubis. „Wir sind froh, wenn wir die Marke von 16 Auszubildenden in Verkauf und Produktion erreichen”, sagt er.
Gelingt das nicht, könnte das Kultusministerium den Ausbildungsstandort als nicht mehr rentabel einstufen. Die Lehrlinge müssten dann nach München oder Rosenheim zur Berufsschule fahren. „Dann wird es noch schwieriger, junge Menschen für den Beruf zu gewinnen”, meint Berghammer.
„Ein sicherer und zukunftsfähiger Arbeitsplatz“
Marktinhaber Wittmann würde rückblickend wieder mit einer Metzger-Lehre ins Berufsleben starten. „Ich stehe gerne früh auf, arbeite gerne praktisch, mir hat der Beruf Spaß gemacht.” An Informationsveranstaltungen für Berufseinsteiger nimmt er inzwischen aber nicht mehr teil, sagt frustriert: „Die meisten wollen studieren, niemand möchte ins Handwerk gehen.” „Dabei ist es ein sicherer und zukunftsfähiger Arbeitsplatz, die Bedientheke wird immer gefragt sein”, fügt Wimmer hinzu.
„Einem Verkäufer wird es nie langweilig, der Beruf ist sehr abwechslungsreich”, hebt auch Au hervor. In diesen Tagen fängt bei Globus in Mühldorf eine neue Mitarbeiterin an. Der Geschäftsführer hofft, noch eine weitere Stelle besetzen und ab Juni wieder die komplette Verkaufszeit öffnen zu können.

