Hitzige Haushaltsdebatte
„Pure Unvernunft“? – Attacke von CSU-Stadträtin zur Finanzpolitik löst in Wasserburg Protest aus
Die Opposition nutzt die Haushaltsdebatte im Stadtrat zum Rundum-Schlag: Heike Maas, Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, teilte aus wie selten. Wie die Stadträte danach zum Gegenangriff übergingen und welche Rolle Badria, Depot und Sportplätze dabei spielen.
Wasserburg – „Pure Unvernunft“, eine Finanzpolitik „auf Pump“: Schlagworte aus der Rede von Heike Maas, deren Fraktion aus CSU und Wasserburger Block dem Haushalt 2024 zwar zustimmte, aber mit deutlichem Zähneknirschen. Warum ist Maas so sauer? Weil in ihren Augen viel schiefläuft in Wasserburg. Das sieht nicht nur die SPD anders, auch von den Grünen und vom Bürgerforum sowie von den Freien Wählern gab es heftige Gegenwehr. So wurde aus der in der Regel recht langweiligen Haushaltssitzung, in der auch heuer zweieinhalb Stunden Reden gehalten wurden, zum Schluss doch noch eine „lebendige Debatte“, wie sie Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) freundlich charakterisierte. Wer genau hinhörte, bemerkte jedoch deutlich, dass Feuer unterm Dach ist.
Bürgermeister Kölbl: „Grundsolider Haushalt“
Was war passiert? Nach dem Vortrag von Kämmerer Konrad Doser zum Haushalt 2024, der unspektakulär ist, dessen Finanzplanung jedoch aufzeigt, dass der Stadt ab 2025 gewaltige Millionenprojekte ins Haus stehen, bewertete Bürgermeister Michael Kölbl die Zahlen. Angesichts der vielfältigen Krisen in der Welt, die sich auch auf Wasserburg auswirken würden, seien viele Menschen verunsichert, bedauerte er. Doch Wasserburg sei gut gerüstet für die Zukunft: mit einem „grundsoliden Haushalt“, per Saldo schuldenfrei, mit einem aufgefüllten Sparbuch (Rücklagen von elf Millionen Euro). Heuer gehe es eher um das Planen, ein Jahr zum „Durchatmen“. In den nächsten fünf bis zehn Jahren investiere die Stadt etwa 40 Millionen Euro in die Zukunft: unter anderem in den Wohnungsbau (Essigfabrik), in ein neues Feuerwehrhaus, in einen Wertstoffhof, in die Erweiterung der Grundschule Am Gries sowie in die Kläranlagen-Modernisierung. Diese Investitionen seien nur machbar, wenn sie gestreckt würden.
SPD: „Gute Daseinsvorsorge“
SPD-Fraktionsvorsitzende Friederike Kayser-Büker zeigte sich ebenfalls überzeugt, die Stadt habe eine „solide Finanzplanung“. „Kostenstreckung ist das Zauberwort der kommenden Jahre.“ Fast alle geplanten Ausgaben im Haushalt würden entweder kommunale Pflichtaufgaben betreffen oder Beschlüsse, die der Stadtrat gefällt habe. Im Fokus stehe die Daseinsvorsorge: Deshalb komme die Stadt an den Investitions-Brocken Kläranlage, Feuerwehrhaus, Wertstoffhof, Grundschule, Kinderbetreuung sowie Wohnungsbau nicht vorbei. Eine gut funktionierende Infrastruktur bedeute Sicherheit und Planbarkeit für die Menschen, „eine gute Daseinsvorsorge stärkt das Vertrauen in die Demokratie“, ist Kayser-Büker überzeugt.
Bürgerforum/ÖDP/Freie Wähler: „Müssen aufpassen“
Dass es nicht die Zeit für Wunschkonzerte ist, unterstrich auch Edith Stürmlinger für die bunte Fraktion aus Bürgerforum/Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg/ÖDP. Auch sie sprach von großen Pflichtaufgaben, für die 2024 noch nicht so viel Geld ausgegeben werden müsse, in den Folgejahren jedoch umso mehr. „Ob wir das schaffen? Wir müssen aufpassen“, lautete ihr Appell. Denn Wasserburg brauche in den Augen ihrer Fraktion dringend auch noch ein „Kulturzentrum“ mit Probenräumen für junge Bands und Platz für kreative Events. Und auch in Reitmehring gebe es Handlungsbedarf, dort stehe es um die Infrastruktur nicht gerade zum Besten.
Grüne: „Handlungsspielraum gering“
Christian Stadler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, zeigte sich zufrieden mit dem Haushalt. Viele Herzensprojekte der Fraktion wie mehr Fahrradfreundlichkeit, die Stärkung des ÖPNV und die inklusive Umgestaltung von Spielplätzen fänden sich wieder. „Wunschlos glücklich“ sei die Fraktion natürlich nicht. Die geplanten Maßnahmen zur Energiewende und CO₂-Einsparung gäben nicht annähernd wieder, was notwendig wäre. Stadler wies darauf hin, dass der Handlungsspielraum im aktuellen Etat gering sei: Den Mammutanteil im Verwaltungshaushalt (49 Millionen Euro), der die laufenden Einnahmen und Ausgaben abbildet, seien unabwendbare Fixkosten, der Vermögenshaushalt (acht Millionen Euro) samt Investitionsprogramm werde dominiert von Großprojekten, an denen kein Weg vorbeiführe.
CSU/Wasserburger Block: „Schluss mit Wunschkonzert“
Heike Maas, Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, reihte sich in den verhalten optimistischen Blick in die Zukunft jedoch nicht ein. Im Gegenteil: Sie malte in ihrer Rede ein eher düsteres Bild der nächsten Jahre. „Wir nehmen richtig viel Geld ein und schaffen es trotzdem nicht, für unsere großen Investitionen Mittel anzusparen“, betonte sie angesichts der Tatsache, dass 2023 ein Top-Jahr bei den Gewerbesteuer-Einnahmen war (14,3 Millionen Euro), für die freie Spitze, für den Übertrag vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt, jedoch nur 1,67 Millionen übrig bleiben würden.
Investitionswelle vor sich hergeschoben?
Maas findet außerdem: „Wir schieben seit Jahren eine Investitionswelle von über 50 Millionen Euro vor uns her.“ Wenn vorher kein Geld angespart worden sei, müsse die Stadt Kredite aufnehmen, diese müssten dann getilgt werden, außerdem seien Zinsen zu zahlen. Das Rezept der Stunde heiße „Ausgaben strecken“, entnehme sie den Ausführungen des Bürgermeisters. „Im Klartext: Wir machen weiter wie bisher und schieben die Belastungen einfach in die Zukunft.“ Der Finanzplan zeige auf, dass die Stadt über viele Jahre in ihrer Reaktionsfähigkeit eingeschränkt werde und das „Prinzip Hoffnung“ herrsche. Wasserburg müsse die Ausgaben hinterfragen, etwa im Verwaltungshaushalt, dessen Volumen sich in 20 Jahren verdoppelt habe: von 24 auf 49 Millionen Euro. „Schluss mit dem Wunschkonzert“, sei deshalb das Motto der Stunde.
„Wir leisten uns ein städtisches Museum und ein Depot“, nannte sie als Beispiel. „Viel Geld für die Vergangenheit.“ Jedes Jahr gebe es einen Defizitausgleich von einer Million Euro für das Badria, zusätzlich noch einen Investitionskostenzuschuss über einer Million. „Wie lange will und kann sich die Stadt das Badria in der jetzigen Form noch leisten?“ Eine Idee aus der Abteilung „Wünsch dir was, egal, was es kostet“ sei der Umbau des Salzstadels in ein Kulturzentrum.
Außerdem liege ein Antrag für die Folgenutzung des alten Feuerwehrhauses vor. Zwei Großkomplexe mit Gesamtinvestitionen von 20 bis 24 Millionen Euro. „Das ist doch verrückt!“ Die Stadt habe schon genug Gebäude, deren „immensen Umbau- und Modernisierungskosten“ sowie der spätere laufende Unterhalt überwiegend von der Kommune zu stemmen seien. Stattdessen solle sich die Stadt lieber um drängende Probleme kümmern: etwa um Lösungen für eine alternde Gesellschaft.
Kritik am Umgang mit den Bürgern
Maas warf der Mehrheit im Stadtrat außerdem ein „bemerkenswertes“ Demokratieverständnis vor. Wenn sich ihre Fraktion gegen ein Vorhaben ausspreche, wie bei den Bushaltestellen am Marienplatz, sei sie weder stur noch unbelehrbar, „nein, wir haben einfach eine andere Meinung“. Zudem finde die Fraktion, dass die Meinungen der Wasserburger nicht ernst genug genommen würden: Die 500 Unterschriften gegen die Bushaltestellen seien ignoriert worden. „Das ist kein respektvolles, motivierendes, wertschätzendes Miteinander mit unseren Bürgern.“
Nach diesen Ausführungen gab es kein Halten mehr. Sepp Baumann, Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg, eröffnete gewohnt unterhaltsam die Abteilung Gegen-Attacke: Er ärgere sich, dass Maas den Eindruck erwecke, es sei „alles Mist in Wasserburg“. Sie trete nach, weil ihre Fraktion sich nicht habe durchsetzen können, wie bei der Entscheidung über die Bushaltestellen am Marienplatz. Er empfehle, angesichts dieses von Maas betont düsteren Bildes über die Finanzpolitik, nicht als Bürgermeisterin zu kandidieren, spielte er auf Maas mögliche Bewerbung an. Rathauschef in Wasserburg zu sein, „das muss ja eine furchtbare Aufgabe sein“, witzelte Baumann.
Welche Maßnahmen sind „sinnfrei“?
Welche Maßnahmen die Fraktion von CSU/Wasserburger Block denn als sinnfrei empfinde, wollte Stürmlinger angesichts dieser Wortwahl von Maas genauer wissen. Diese verwies auf all jene Projekte, bei denen ihre Fraktion dagegen gestimmt habe. Stadler wollte klargestellt wissen, dass das neue Depot nicht, wie von Maas behauptet, hohe Folgekosten verursache. Die 150.000 Euro im Haushalt seien für den Umzug eingeplant, das sei eine einmalige Ausgabe, Personalkosten würden sich nicht erhöhen.
Werner Gartner (SPD) hakte ebenfalls nach: Ob zu den großen Zukunftsinvestitionen, die nicht über Schuldenaufnahme finanziert werden sollten und deshalb zu streichen seien, auch die geplanten neuen Sportplätze gehören würden, wollte er von Maas wissen. Bekanntlich setzt sich die CSU immer stark ein für weitere Trainingsmöglichkeiten, unter anderem für die Löwen.
Maas ließ sich nicht in die Enge treiben: Ihrer Fraktion gehe es grundsätzlich darum, zu schauen, was notwendig sei und bei den Investitionen Schwerpunkte zu setzen. Wo das im Detail sein könne, stehe noch nicht fest. „Wischi-Waschi“, sei diese Antwort, fand Gartner.
„Schwimmen statt baden“?
Kayser-Büker wollte wissen, was Maas mit ihrer Aussage zum Badria gemeint habe: Maas hatte hier die Frage in den Raum gestellt, ob nicht ein neues Konzept entwickelt werden sollte, nach dem Motto „schwimmen statt baden“. Maas verwies auf den Workshop zur Badria-Zukunft, der Konzepte entwickeln werde. Wolfgang Schmid sprang Maas bei und erklärte: Die Fraktion stelle sich die Frage, ob sich die Stadt die Freifläche draußen am Badria dauerhaft leisten könne. Im Sommer würden viele die Seen bevorzugen, das Badria müsse dann Hallen- und Freibad vorhalten.





