*Update*
Reaktion auf Kritik aus der Bevölkerung: Darum wurde Demo dreier Gruppen in Rott abgesagt
„Rott rot(t)iert“, Bauern und Spediteure: Sie wollten am Montag (8. Januar) in Rott gemeinsam demonstrieren – gegen Entscheidungen der Ampel und die Flüchtlingspolitik, die mit großen Erstaufnahme-Einrichtungen, wie in Rott geplant, kleine Kommunen überfordere. Ein Schulterschluss, der jetzt doch nicht stattfindet.
Update um 11.11 Uhr: Schulterschluss findet doch nicht statt
Die geplante Demonstration im Gewerbegebiet Am Eckfeld, die ursprünglich für Montag, 8. Januar, geplant war, ist abgesagt. Diese Entscheidung gaben die Organisatoren in einer Pressemitteilung am Sonntagmorgen, 7. Januar, bekannt. Der Beschluss sei eine Reaktion „auf zahlreiches Feedback aus der Bevölkerung“.
Die Kritik habe deutlich gemacht, dass die verschiedenen Themen, die ursprünglich in der Demonstration angesprochen werden sollten, nicht miteinander vermischt werden sollten. „In Anbetracht der klaren Botschaft, die aus der Bevölkerung kam, wird die Demonstration nicht stattfinden.“
Die Bürgerinitiative „Rott rottiert“ betont, dass sie sich stets für die Belange der Gemeinde in Bezug auf die geplante Erstaufnahmeeinrichtung einsetze und dabei einen respektvollen und gewaltfreien Dialog pflegen wolle. Die Entscheidung zur Absage der Demonstration spiegele das Bestreben wider, auf die Bedenken und Präferenzen der Bevölkerung einzugehen. Die BI erklärt in ihrer Pressemitteilung, dass sie weiterhin aktiv bleiben werde und weitere Aktionen geplant seien.
Erstmeldung:
Rott am Inn – Was die Bauern ärgert und was sie fordern, ist mittlerweile überall bekannt: eine Rücknahme der Streichung von Steuervergünstigungen, zum Teil hat die Regierung bereits eingelenkt. Auch wogegen die Bürgerinitiative „Rott rot/t)iert“ schon mehrfach auf die Straße gegangen ist, weiß mittlerweile fast jeder: Die Mitglieder wehren sich gegen die geplante große Erstaufnahme-Einrichtung für bis zu 506 Geflüchtete, die das kleine Dorf in ihren Augen überfordere. Am Montag, 8. Januar, wird ab 14.30 Uhr erneut protestiert am Standort für die vorgesehene Unterkunft im Gewerbegebiet am Eckfeld. Diesmal ist auch noch eine dritte Gruppe dabei: Vertreter des Speditionswesens.
Einer von ihnen ist Günther Hein, er ist doppelt betroffen: Seine Spedition ist Anlieger der geplanten Aufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge und Asylbewerber in Rott. 500 Menschen direkt nebenan in einer Straße, die eine Sackgasse darstellt und in der seine Lkw ein- und ausfahren: Hein fürchtet gefährliche Situationen. Sein Unternehmen sieht er nicht nur als Opfer einer fehl geratenen Flüchtlingspolitik, sondern auch als Betroffener der aktuellen Entscheidungen der Ampel-Koalition. Sie hat die Erhöhung der Maut für Lkw auf Autobahnen und Bundesstraßen beschlossen. Seit dem 1. Dezember zahlen Speditionen fast doppelt so viel für ihre Laster, für einen Kilometer laut Hein fast 35 Cent.
Viel in schadstoffarme Lkw investiert
Für sein Unternehmen besonders bitter, denn er hat nach eigenen Angaben in schadstoffarme Lastwagen investiert: Sieben fahren im Unternehmen Hein Co2-neutral mit Bio-LNG, ein Kraftstoff, der aus Biogas von organischem Abfall wie Hausmüll, Schlamm oder Dung entsteht. Er habe sich darauf verlassen, dass diese Investition in die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz gewürdigt, also die Mautbefreiung fortgesetzt werde, betont Hein. Doch diese Ausnahme sei nicht, wie versprochen, verlängert worden. Jetzt seien auch diese Fahrzeuge mautpflichtig.
Die Mehrkosten müssten Speditionen an ihre Kunden weitergeben. Die Marktlage im Jahr 2024, in dem die Wirtschaft schwächele, sei jedoch so angespannt, „dass jeder mit dem spitzen Bleistift rechnet“. Letztendlich würden die Mehrkosten für den Transport beim Endverbraucher aufschlagen. „Der zahlt im Geschäft dann mehr für seine Lebensmittel“. Die Branche rechne mit einem Inflationsanstieg von ein bis zwei Prozent.
„Versteckte Steuererhöhung“
Für Hein stellt die Kettenreaktion der Mauterhöhung eine „versteckte Steuererhöhung“ dar. Nicht nur viele Transportunternehmen aus der Speditionsbranche seien gefährdet, auch die arbeitende Bevölkerung müsse dies mit ausbaden. Die Zusammenhänge seien jedoch schwer zu vermitteln: Für viele Menschen sei es selbstverständlich, im Supermarkt gut gefüllte Regale vorzufinden. Dass so gut wie alle Produkte transportiert werden müssten und es viele Zwischenschritte bis zur fertigen, kaufbereiten Ware gebe, bei denen auch Fahrten per Lkw stattfinden müssten, sei vielen nicht bewusst. Nur während der Pandemie sei das Bewusstsein für die Lieferströme und die Versorgung der Bevölkerung etwas stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt.
„Die Bauern haben eine ähnliche problematische Situation wie wir“, findet Hein. Auch dieser Berufsstand werde durch hohe Mehrkosten durch einen Wegfall von notwendigen Steuerbefreiungen belastet. Das könne zur Aufgabe von Betrieben führen und dauerhaft die Ernährungslage gefährden. „Deshalb der Schulterschluss“, sagt Hein. Zusammen mit den Bauern wollen die Spediteure am Montag, 8. Januar, in Rott Stärke zeigen und auf in ihren Augen „unfaire politische Entscheidungen“ hinweisen. Einseitig würden einige Berufsstände wie die Landwirtschaft und das Speditionswesen zum „Sündenbock“ gemacht und zur Kasse gebeten, um Löcher im Haushalt zu stopfen. „Genug ist genug“, findet Hein.
Nepomuk Poschenrieder, Sprecher der Bürgerinitiaitve „Rott rot(t)iert“, freut sich, dass der Schulterschluss von BI, Landwirten und Spediteuren gelungen ist. Angesichts der Tatsache, dass am Montag, 8. Januar, zeitgleich unter anderem Demos in München, Rosenheim und Berlin stattfinden, kann er nach eigenen Angaben schlecht einschätzen, wie viele Protestler den Weg nach Rott finden werden. „100 bis 150 oder mehr? Wir müssen es abwarten.“ Er ist überzeugt, dass auch in Rott zahlreiche Demonstranten auch aus den Berufsgruppen kommen, weil ihnen der Aufwand und Weg beispielsweise Richtung Landeshauptstadt zu weit ist. In Rott seien ebenfalls auffahrende Bulldogs zu erwarten, die um 14.30 Uhr im Gewerbegebiet Am Eckfeld in Stellung gehen würden. Die Reden würden gegen 15 Uhr beginnen, vermutlich werde für jede Interessen- und Berufsgruppe ein Vertreter sprechen, teilt Poschenrieder auf Anfrage mit.
Besprechungen mit Polizei und Ordnungsamt
Mit der Polizei und dem Ordnungsamt des Landratsamts fanden laut seinen Angaben am Donnerstag, 4. Januar, Besprechungen zu Fragen der Sicherheit bei der Kundgebung am Montag, 8. Januar, statt. Sie steht nach Angaben der Organisatoren im Zusammenhang mit der Aktionswoche des Bauernverbands, die vom Speditionswesen unterstützt wird, nicht aber mit dem in sozialen Netzwerken vor allem auf Kanälen von rechtsextremen Gruppen „ausgerufenen“ sogenannten „Generalstreik“.
Beim Landratsamt angemeldete Demonstration
In Rott finde eine ordnungsgemäß beim Landratsamt angemeldete Demonstration statt. In einer Pressemitteilung unterstreicht die BI den friedlichen Charakter. Es gehe um demokratische Teilhabe und Meinungsäußerungen. Alle Organisatoren distanzieren sich „von jeglicher Form von Hass, Diskriminierung, Gewalt und extremistischem Verhalten“.
Bei der Vorbesprechung mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei ging es am Donnerstag, 4. Januar, auch darum, eine Rettungsgasse am geplanten Standort für die Erstaufnahme-Einrichtung freizuhalten, berichtet Poschenrieder. Eine Lösung sei gefunden worden, doch das Gespräch habe ein Hauptproblem der geplanten Sammelunterkunft für Geflüchtete deutlich aufgezeigt: die Gefahren in einer engen Sackgasse, in der Lastwagen der Spedition an- und abfahren würden, direkt neben einem Haus für bis zu 506 Menschen.