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Söder, Aigner und Aiwanger in Oberaudorf

Politiker-Aufmarsch am Berggasthof Bichlersee: Der Wolf und die Wahl im Visier

Simone Braun, Wirtin vom Bergasthof Bichlersee, spricht, umringt von Markus Söder, Ilse Aigner, Hubert Aiwanger und Thorsten Glauber.
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Ein paar Worte zum Wolf: Simone Braun, Wirtin vom Bergasthof Bichlersee, spricht, umringt von Markus Söder, Ilse Aigner, Hubert Aiwanger und Thorsten Glauber.

Daumen runter für den Wolf, Daumen hoch für die Almbauern: Bei einem Ortstermin am Berggasthof Bichlersee in Oberaudorf informierten Ministerpräsident Söder und Tourismusminister Aiwanger über die Wolfsverordnung. Vor einem Großaufgebot an Almbauern und Medien ging es außerdem um den Bär - und einiges mehr.

Oberaudorf - Man kann davon ausgehen, dass Ministerpräsident Markus Söder genau in diesem Augenblick schöne Bilder durch den Kopf gingen. Es war der Augenblick, als Oberaudorfs Jagdvorstand Alois Kammerloher davon sprach, dass der Größere den Kleineren fresse. Nun ist Markus Söder ganz eindeutig höher gewachsen als sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Aber trotzdem waren es sicher nur die schönen Bilder vom frisch überzuckerten Sudelfeldgebiet, die während Kammerlohers Worten ein geradezu schelmisches Lächeln auf Söders Gesicht zauberten.

Wölfe schießen: Nicht nur eine Verordnung, mehr ein Versprechen

Harte Politik und weiche Almwiesen - das geht so eben nur in Bayern zusammen. Hart will die Politik vor allem bei den Wölfen durchgreifen. Das ist seit Dienstag ein Versprechen, als das Kabinett eine verschärfte Wolfsverordnung beschlossen hat. Um sich zur Wolfspolitik der Staatsregierung dort zu äußern, wo sie auf besonderes Interesse hoffen konnten, hatten sich Hubert Aiwanger und Umweltminister Thorsten Glauber (ebenfalls Freie Wähler) am Berggasthof Bichlersee angesagt. Dort also, wo gleich zweimal Schafe gerissen wurden. Einmal sicher von einem Braunbär, wenige Tage später vermutlich von einem Wolf.

Ein Riss, und dem Wolf geht es an den Kragen

Seitdem sind die großen Beutegreifer zwar ein Problem der ganzen Alpenregion, wie Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhardt nochmals unterstrich. Groß sind Ärger und Verunsicherung aber vor allem in Oberaudorf. Es setzen sich dann auch noch Markus Söder und Landtagspräsidentin Ilse Aigner auf die Gästeliste, neben Bauernpräsident Günther Felßner und Ernst Weidenbusch, Präsident des bayerischen Jagdverbands. Und es war auch gut so, denn sonst wäre Hubert Aiwanger womöglich ganz allein vor den vielen Dutzend Landwirten und Medienleuten am Berggasthof gestanden: Thorsten Glauber kam, vermutlich wegen der Blockabfertigung, eine gute halbe Stunde zu spät.

„Super, super, super Signal an die Almwirtschaft“

Vom Bär war weniger die Rede, es ging vor allem dem Wolf an den Pelzkragen. Der Wolf und die Almwirtschaft, die passten nicht zusammen, das betonte Söder, „der Mensch steht an erster Stelle“. Neu sei nunmehr, dass „kein Einzelwolf“ mehr gefunden werden müsse, der ähnlich wie bei „XY... ungelöst“ erstmal zur Fahndung ausgeschrieben werden müsse, wie Söder witzelte. Ein Riss genüge, dann könne „in der Gegend generell der Wolf entnommen werden“.

Von einem „super, super, super Signal an die Almwirtschaft“ sprach Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), und von einem eher strengen Signal an Berlin. Denn dort säßen die, die wenig Verständnis für die Almbauern besitzen. Dem Fingerzeig an die Bundesregierung schloss sich Thorsten Glauber an.

Bei den Betroffenen mischen sich Wut und Erleichterung

Wut über Mangel an Respekt und Verständnis, aber auch Erleichterung über die Wolfsverordnung mischten sich bei Betroffenen. Etwa bei Ortsbauer Sepp Steinmüller: „Man denkt sich jeden Tag in der Früh, hoffentlich ist heute alles in Ordnung.“ Er und andere Bauern hätten Kinder, „die man nicht mehr bedenkenlos draußen spielen lässt“. Er appellierte an die Menschen, die Rolle der Bergbauern und Weidetierhalter für die Umwelt zu akzeptieren. „Weidewirtschaft ist die ideale Form der Landwirtschaft, wir erhalten alle wichtige Funktionen vom Ökosystem und stellen hochwertige Nahrungsmittel her.“

Kreisbäuerin Katharina Kern wiederum sprach von der Unmöglichkeit von Zäunen und Herdenschutz. „In spätestens drei Wochen bringen wir die Tiere auf die Alm“, viel Zeit sei da nicht - zumal in der Region von Oberaudorf, das das größte zusammenhängende Almgebiet Deutschlands besitze.

Schafhalter greift Landesamt für Umwelt an

Schafhalter André Sigl war seine Betroffenheit deutlich anzuhören. Von ihm stammten die Fotos zerfetzter und angenagter Schafe, die unweit des Tatorts an Zaunpfosten hingen. „Wir sind vom Amt für Umwelt am Wochenende so dermaßen im Stich gelassen worden“, schimpfte er. „Das Amt ist nicht vorbereitet, das muss man klipp und klar sagen.“ Dort erhalte man weder Antwort noch Hilfe. „Wir brauchen keine Zäune, wir brauchen kein Geld für tote Viecher, wir brauchen vor allem keine toten Viecher.“ Das müsse auch den Leuten klar sein, „die in der Stadt wohnen“.

Simone Braun, Wirtin vom Berggasthof Bichlersee, lenkte den Blick über die Almwirtschaft hinaus auf den Tourismus. Oberaudorf sei eine Tourismusregion, „wir stecken viel Engagement und Arbeit in den Ausbau unserer Wanderwege“. Nun bekomme man Anfragen von Gästen, ob es sicher sei, wisse aber oft nicht wirklich, was man sagen könne. Und schließlich sei man doch eine Region für den Familienurlaub. „Wollen wir warten, bis einem Kind was passiert?“

Hubert Aiwanger fordert schafsdichte Zäune

Stillecht in waidgrünen Lodenstoff gewandet ging Aiwanger am schärfsten gegen Wolf und Widerspenstige vor. „Wenn die meinen, man könnte die Tiere wolfsdicht einzäunen, dann sollen sie uns das beweisen“, rief Aiwanger. „Dann sollen s‘ ihre Wölfe schafsdicht wegzäunen.“ Großes Gelächter. „Wir haben es satt, dass uns Menschen von weit weg jeden Tag die Welt erklären.“ Und außerdem seien nicht die „Großstadtökologen“ die Retter der Umwelt, sondern die Laute in den Bergen: „Ihr seid die Tierschützer“. Großes Bravo.

Bei aller Euphorie: Wie rechtssicher ist das Ganze eigentlich?

Bei allen entschlossenen Worten: Hundertprozentig sicher wirkten weder Söder noch Aiwanger. Bei der Rechtssicherheit scheint es Zweifel zu geben. „Es gibt tausend Rechtsfragen, die dahinterstehen“, sagte Söder, überhaupt so viele Pläne und Vorgaben, „an manchen Stellen wird das schon absurd“.

Also bloß keine Klagen, das fand auch Aiwanger. Und appelierte an die Richter. Die müssten zusehen, dass „sie diese Gesellschaft hier draußen nicht im Stich lassen dürfen“. Man dürfe es nicht so weit kommen lassen, dass die Menschen „hier draußen den Glauben an den Rechtsstaat verlieren und sagen, wir müssen uns am Ende selber helfen“.

Im Visier ist nicht nur der Wolf, sondern auch ein Termin im Oktober

Auf der Terrasse der Berggasthofs diskutierten Bergbauern über die Wolfsverordnung noch, als die Politiker bereits zu den Autos gingen. „Hört sich sehr nach Wahlkampf an“, sagte ein stämmiger Mann aus Bernau. „Ist mir gleich. So lange es uns Landwirten hilft“, sagte sein Gegenüber vom Samerberg.

Auch wenn es nach dem eingangs erwähnten Vorsitzenden der Jagdgenossenschaft geht, muss die Politik Ausdauer lang nach dem 8. Oktober beweisen. Alois Kammerloher sprach vom Winter, vom Rotwild und vom Schutz des Bergwalds. „Was ist los, wenn ein Wolf oder Bär ins Wildgatter kommt?“ fragte er - sieht so aus, als seien Wolf und Bär weit mehr als nur ein Thema für den heißen Wahlsommer.

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