Nach Rissen in Oberaudorf
Den Beutegreifern auf der Spur: Warum es Experten mit Wolf und Bär so schwer haben
Mit Gen-Analyse dem Bären und dem Wolf auf der Spur: So arbeiten mittlerweile die Ermittler vom Landesamt. Allerdings haben die Experten manchmal auch mit Problemen zu kämpfen. So auch im Falle des Bären von Oberaudorf.
Oberaudorf - Spaziergang bei Regen? Gute Sache, dachte sich Sigi Niemeyer, „da sind keine Leute unterwegs“. Und so war sie ziemlich allein auf weiter Flur mit ihrem Hund Sunny, als sie am Montagnachmittag (24. April) womöglich das nächste Kapitel im Bären-Drama aufschlug.
Aufgebrochen waren die beiden vom Tatzelwurmparkplatz aus. „50, vielleicht 60 Meter vorm Bichlersee lag das tote Reh“, berichtete sie dem OVB. „Es hatte eine Verletzung am Bein, Verletzungen am Hals, dazu Kratzspuren.“ Daneben seien die Gedärme des Rehs gelegen. Ein gewaltsamer Tod. Und zwar kaum von einem Jäger verursacht. „Es sei denn, von einem ziemlich schlechten“, da ist sich Sigi Niemeyer ziemlich sicher. Aber wer oder was war es dann?
Experten auf der Spur der Raubtiere: Viele Spuren, nicht immer Konkretes
Man habe zur Zeit sehr viel zu tun, sagt der Sprecher des Landesamtes für Umwelt in Augsburg (LfU), an das sowohl Sichtungen als auch Spuren von großen Beutegreifern gemeldet werden. Und zur Zeit überschlagen sich die Meldungen förmlich. Etwa wegen der Bärenspuren, von denen Skitourengeher diverse Fotos am Sudelfeld aufgenommen haben.
Zu den Spuren gehören auch Risse von Weidetieren. Wie die vom 19. April. Drei Schafe starben. Und als Täter identifizierte das LfU durch Gen-Analyse des Rissabstrichs zweifelsfrei einen Braunbären. Doch der Bär hat offenbar Konkurrenz erhalten. Am vergangenen Wochenende wurden Schafe gerissen. Und zwar laut Landesamt möglicherweise von einem Wolf, sicher aber nicht von einem Bär. Zwei gerissene Schafe meldet das LfU, von drei getöteten Tieren spricht allerdings Tierhalter André Sigl. Auch ein Reh fiel dem Raubtier zum Opfer. Beim aktuellen Fall vom Bichler See seien die Informationen ohnehin noch zu frisch.
Welcher Wolf oder Bär sich gerade wo aufhält? Schwierig zu sagen
Um welche Raubtiere es sich im Einzelnen handelt, ist schwierig zu klären. Schon die Identität des Bärs, dessen Spuren erstmals am 16. April im Landkreis Rosenheim entdeckt wurden, ist bislang ungeklärt. „Durchaus kann es sich um den Bären handeln, der unter anderem in Brandenberg in Tirol gesichtet worden ist“, sagt Christa Entstrasser-Müller, mitverantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des österreichischen Bundeslandes. Einschränken muss man allerdings, dass es den einen Kufsteiner Bären vielleicht gar nicht gibt. „Jäger haben von zwei Bären berichtet“, bestätigt Entstrasser-Müller, „wir können das aber weder bestätigen noch ausschließen.“
Es wird dauern, die Identität des Oberaudorfer Bären zu klären. Bislang gibt es keine Fotos von ihm, die man mit den Fotos einer Wildkamera abklären könne. Und von seinen riesigen Tatzenabdrücken allein lässt sich eine „Individualisierung“ nicht leisten. Das heißt, eine genaue Bestimmung, um welches Exemplar es sich handelt, wird noch dauern.
Ob Bär oder nicht, darum geht es in der ersten Runde
Zwar konnten die Fachleute bei den Rissen vom 19. April einen Braunbären als Täter melden. Doch diese Feststellung der Spezies ist sozusagen lediglich Runde eins. Erst in der zweiten Runde der Gen-Analyse wird festgestellt, um welches Individuum es sich handelt. „Das ist verhältnismäßig schwierig“, sagt Christa Entstrasser-Müller. Gen-Material können die Ermittler aus Speichel, Haaren oder Kot gewinnen. „Doch wenn es da kräftig draufgeregnet hat, dann ist damit oft nicht viel anzufangen.“ Außerdem dauert die Analyse länger. Bis zum Juni oder Juli werde man sich gedulden müssen.
Letzte Sicherheit gibt nur die Gen-Analyse
Schneller lässt sich die Individualisierung bei Wölfen vornehmen. Mit zehn Werktagen rechnet man beim LfU. Dann könnte zum Beispiel schon in der zweiten Maiwoche feststehen, ob am vergangenen Wochenende (22. April) ein oder mehrere Wölfe die drei Schafe am Bichlersee getötet haben. Und ob der oder die Wölfe tags zuvor bereits Tiere im Berchtesgadener Land gerissen haben. Auch darüber wird im Inntal bereits spekuliert.
Allerdings hat diese These einen Haken: Ein Marsch von über 100 Kilometern im Voralpenland mit seinen dicht befahrenen Verkehrsadern wäre auch für einen Wolf nicht einfach zu absolvieren - jedenfalls nicht in einem Tag. Letzte Sicherheit gibt ohnehin nur die Gen-Analyse. Die kann im übrigen Wolf oder Bär auch entlasten. Wie bei einem Riss am 28. März in Tirschenreuth. Da konnte das LfU melden: „Verdacht auf Wolf nicht bestätigt, Hund als Verursacher nachgewiesen.“