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Große Raubtiere in der Region Rosenheim unterwegs

Verfallen Sie nicht in Panik, auch wenn Sie es gerne täten: Was ein Experte gegen Bären rät

Was tun, wenn man auf einmal vor einem Bären steht? Bären-Experte Moritz Klose vom World Wide Fund (WWF) hat ein paar Tipps.
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Was tun, wenn man auf einmal vor einem Bären steht? Bären-Experte Moritz Klose vom World Wide Fund (WWF) hat ein paar Tipps.

Der Bär ist angekommen in der Region Rosenheim. Wie gefährlich ist Meister Petz für Mensch und Weidetier, wie verhält man sich, bevor man ihn sieht? Und wie im Ernstfall? Experte Moritz Klose vom WWF äußert im OVB-Exklusivgespräch klare Fakten.

Oberaudorf - Der Bär ist angekommen in der Region Rosenheim. In der Umgebung von Oberaudorf, am Bichler See, tötete er zwei Schafe, ein drittes musste später eingeschläfert werden. Spuren hinterließ er an der Felix-Alm. Wie gefährlich ist Meister Petz für Mensch und Weidetier, wie verhält man sich, bevor man ihn sieht? Und wie im Ernstfall? Experte Moritz Klose vom WWF äußert im OVB-Exklusivgespräch klare Fakten.

Was tun, was lassen im Falle einer Begegnung mit einem Bären.

Muss ich mich zum Wandern nunmehr bewaffnen?

Moritz Klose: Nein, das müssen sie nicht. Wenn Sie im Bärengebiet unterwegs sind und einen Bären sehen, ist es empfehlenswert, auf sich aufmerksam zu machen. Ein Bär greift ja nicht einfach so an. Entweder, der Bär wird erschreckt, oder er fühlt sich in die Enge gedrängt. Wenn ich unterwegs bin, der Bär mich nicht mitbekommt und ich unvermittelt vor ihm auftauche, ist das ungünstig. Ich war selbst schon im Bärengebiet unterwegs. Da macht man auf sich aufmerksam, ruft oder klatscht in die Hände, damit der Bär weiß, dass man in der Gegend ist.

Was mache ich, wenn er dennoch unvermittelt vor mir auftaucht?

Klose: Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und keinesfalls in Panik zu verfallen. Bewegen Sie sich langsam, sehr ruhig, versuchen Sie nicht, davon zu laufen. Ziehen Sie sich langsam zurück.

Welche Ausrüstung empfehlen Sie? Gibt es zum Beispiel irgendwelche Geräuschfrequenzen, die so ein Bär nicht mag?

Klose: Ich empfehle, was auch in Bärengebieten in Nordamerika empfohlen wird, wo ich selbst schon Bären gesehen habe. Machen Sie vorher auf sich aufmerksam. Manche Wanderer tragen dort Glöckchen am Rucksack, ich hab ab und an ein kleines Liedchen gesungen. Andere unterhalten sich laut, wenn sie zu zweit oder in einer Gruppe unterwegs sind.

Was ist von Pfefferspray zu halten?

Klose: In Nordamerika gehört auch Bärenspray zur Standartausrüstung, das ist Pfefferspray mit einer besonders großen Reichweite. Das ist sehr wirksam, wenn es richtig eingesetzt wird. Es besteht jedoch mit einem einzelnen Bären in Bayern keine Veranlassung, dass jetzt zur „Bewaffnung“ mit Pfefferspray aufgerufen werden sollte.

Experte: Die Art schützen, nicht unbedingt den Problembären

Die Bärin, die den Jogger getötet hat, wurde lebend gefangen, nachdem sich Tierschutzverbände für sie eingesetzt hatten. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Klose: Ich bin kein Tierschützer, ich bin Arten- und Naturschützer. Ich verstehe, dass Tierschützern am Wohl jedes einzelnen Tiers gelegen ist. Ein einzelnes Tier kann aber die Akzeptanz gefährden, deswegen bin ich der Meinung, dass zum Wohle der Art manchmal einzelne Individuen getötet werden müssen. Für ein erwachsenes Tier wie Gaia, dass ein Leben in Freiheit gewöhnt ist, ist allerdings auch aus Tierschutz-Gesichtspunkten das Leben in Gefangenschaft keine artgerechte Option.

Erst Menschen machen den Bären für den Menschen gefährlich

Was macht Bären gefährlich?

Klose: Die Hauptgefahr ist, wenn Bären angefüttert werden, wenn sie also Futter mit dem Menschen assoziieren. Die Mutter von Bruno und Gaia wurde von Hoteliers im Trentino bewusst angefüttert, damit die Touristen Bären zu Gesicht bekommen. Und deswegen wurden die Bären zu Problembären. Kein Bär wird als Problembär geboren, er wird dazu gemacht. Wenn er sich zum Beispiel an die menschliche Nähe - eben durch Futter- gewöhnt.

Raubtiere sollen nach dem Willen mancher Politiker überhaupt schneller abgeschossen werden können, es genügen dafür „Verhaltensauffälligkeiten“.

Klose: Man muss das klar differenzieren, vor allem auch beim Wolf: Ist da die Bestandsreduktion bei regulärer Bejagung gemeint oder der Abschuss auffälliger Tiere? Ich bin gegen die reguläre Bejagung, sie trägt nicht zur Konfliktlösung bei. Markus Söder zum Beispiel will Wölfe schneller „entnehmen“ lassen. Damit ist aber keinem Weidetierhalter geholfen. Und man braucht ja dann immer noch Herdenschutzmaßnahmen, egal ob ein Wolf unterwegs ist oder fünf. Beim Bären ist es ähnlich. Wenn man frühzeitig eingreift, wenn man Individuen mit problematischem Verhalten entdeckt, dann sollte man einschreiten. Aber Aktionismus und wahlloses Abschießen helfen nicht weiter.

„Population ist über die Erwartungen hinaus“

Wie viele Bären sind eigentlich im Trentino unterwegs?

Klose: Um die 100 Bären. Man muss schon sagen, dass sich die Bärenpopulation dort sehr gut entwickelt hat, nachdem der Bär in den 90er Jahren kurz vor dem Aussterben war. Anfang der 2000er hat man angefangen, Bären gezielt anzusiedeln. Man hatte mit 40 bis 60 Bären gerechnet, die sich dauerhaft ansiedeln werden. Mittlerweile ist man da schon über die Erwartungen hinaus.

Geht die Zahl langsam auch über die Aufnahmefähigkeit einer Region hinaus?

Klose: Das hängt auch davon ab, wie sich Akzeptanz entwickelt, und davon, wie Konflikte vermieden werden. In den vergangenen Jahren gab es ein paar solcher Situationen, wie jetzt der tragische Vorfall. Aber die weit überwiegende Anzahl der Bären verhält sich unauffällig, vorsichtig und macht keine Probleme. Die Herausforderung aus Sicht der Bären ist, dass ihr Gebiet etwas isoliert ist, durch Straßen, Schienen und Siedlungen. Sie können nicht gut ausweichen. Nun sind welche in Österreich oder Bayern aufgetaucht – aber das ist eher selten. Insofern könnte es hilfreich sein, die Lebensräume besser zu verknüpfen.

Experte sieht keine Gefahr für den Tourismus

Ist der Bär eine Gefahr für den wichtigen Erwerbszweig des Tourismus im und am Mangfallgebirge?

Klose: Ich sehe keine Gefahr für den Tourismus. Es kann sogar sein, dass Menschen gezielt in die Region kommen, um Spuren zu finden oder in der Hoffnung, den Bären selber zu Gesicht zu bekommen. Im Trentino sind viele Menschen genau deswegen angereist. Der zeitliche Zusammenhang des tragischen Vorfalls mit dem Jogger mit dem Auftauchen eines Bären in der Region Rosenheim – das ist Zufall. Ich glaube aber nicht an negative Folgen.

Ist das Gebiet mit seinen vielen Siedlungen, mit seinen Straßen und der Almwirtschaft für Bären überhaupt geeignet?

Klose: Ich denke schon. Aber ich gehe nicht davon aus, dass sich Bären wirklich dauerhaft dort niederlassen. Bärenvorkommen im bayerischen Alpenraum werden immer grenzübergreifend mit Österreich sein. Weil das Gebiet etwas zu zersiedelt ist. Die Bären werden uns selber zeigen, ob sie den Raum für geeignet halten oder nicht. Es ist entscheidend, dass man versucht, Konflikten vorzubeugen, was Weide- und Almwirtschaft betrifft.

Herdenschutz: „Bayern hat noch Nachholbedarf“

Hat Bayern da schon genug getan?

Klose: Nein, da besteht in Bayern noch Nachholbedarf, zum Beispiel, was die Fördermöglichkeiten für Herdenschutz angeht. Söder sagt, man müsse die Rudelbildung verhindern. In Brandenburg sind 50 Rudel unterwegs. In Sachsen 40. Aber auch da funktioniert die Koexistenz in weiten Teilen. Aber dafür muss man Weidetierhalter eben auch gezielt und konsequent unterstützen.

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