+++ Update +++ Neue Bärenspuren bestätigt
„Der Bär ist größer als Bruno“ - Oberaudorfer Jäger befürchtet gewaltiges Exemplar
In den Bergen hoch über Oberaudorf bleibt der Bär das Thema Nummer eins. Spuren deuten auf ein großes Exemplar hin - deutlich größer als Problembär Bruno. Und das Landesamt für Umwelt ermittelt weiter: Schon wieder sind neue Spuren aufgetaucht.
Oberaudorf - Gesehen hat den Bären von Oberaudorf noch niemand. Doch Berufsjäger Sepp Hoheneder hat eine Ahnung. „Der Bär ist größer als Bruno“, sagt er in Erinnerung an den 2006 erschossenen „Problembären“. Seine „Trittsiegel“ hatte der weiterhin nicht identifizierte Oberaudorfer Bär vor wenigen Tagen in der Nähe der Felix-Alm zurückgelassen.
Gut sechs Tage nach den ersten bestätigten Meldungen über sein Auftauchen, zwei Tage nach dem Fund gerissener Schafe unterhalb des Wildbarren bleibt die Unsicherheit in der Region groß. Auch weil die Gerüchte ins Kraut schießen. Von Bärenspuren bei Bayerischzell berichtete am Freitagmorgen (21. April) die BILD. Die Experten am Landesamt für Umwelt (LfU) identifizierten diese Spuren allerdings als Dachsspuren.
Am Freitagnachmittag wiederum wurde bekannt, dass erneut Foto-Belege eingesandt wurden. Diese Aufnahmen eines Skitourengehers aus Rosenheim am Sudelfeld müsse man noch prüfen, sagte ein Sprecher des LfU auf OVB-Anfrage. Am Freitagabend gab das LfU dann erneut eine Bestätigung von Braunbärenspuren heraus. Dass es sich dabei um die Spuren vom Sudelfeld handelt, ließ sich bis Redaktionsschluss nicht bestätigen.
Machte sich der Bär über ein Reh her?
Zu klären ist möglicherweise eine weitere Spur, von der Sepp Hoheneder berichtet. Er sei in der Nacht auf Freitag zum Kadaver eines Rehs gerufen worden, das von einem Auto angefahren worden war. „Da lag vor dem Tatzelwurm, unweit eines Bauernhofes, ein Rehkadaver neben der Straße, der rund 50 Meter weitergeschleift und abgenagt worden war.“ Rippen seien herausgerissen, Lunge und Leber gefressen worden. Welches Tier das Reh verschleppt hat, dürfte sich erst durch eine Analyse der DNA-Spuren belegen lassen. Aber Hoheneder ist sich sicher: „Ein Fuchs schafft es nicht, das Reh so weit zu schleppen.“
Immerhin: Es scheint sich laut Landesamt für Umwelt um keinen Bären vom Schlage Brunos oder dessen Schwester Gaia zu handeln, die kürzlich erst einen Jogger im Trentino tötete. „Der Bär verhält sich nach den bisherigen Erkenntnissen dem Menschen gegenüber unauffällig“, heißt es in einer Antwort des LfU auf OVB-Anfragen.
Auch Problembär Bruno gelangte mal übers Inntal nach Bayern
Viele Gerüchte, wenig Gewisses: Der neue Bär ist ein großer Unbekannter. Wird er sich wie Bruno entwickeln, den er jetzt schon an Größe übertreffen könnte? Das später als „Problembär“ bekannte Tier hatte sich am 25. April 2006 vom Naturpark Adamello-Brenta aus auf den Weg gemacht. Am 20. Mai wurde er im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gesehen, es war die erste Bärensichtung überhaupt in Bayern, nachdem 1835 bei Ruhpolding der letzte heimische Bär geschossen worden war.
Die nächsten Tage trieb sich Bruno zwischen Walchensee und Achensee herum, bevor er am 23. Juni bei Kiefersfelden erneut bayerischen Boden betrat. In den 35 Tagen seit seinem Debüt in Bayern bis zu seinem Abschuss am 26. Juni im Rotwandgebiet soll er nach offiziellen Angaben mindestens 31 Schafe gerissen haben, dazu Ziegen. Außerdem plünderte er gerne Bienenstöcke.
Bären sind Allesfresser
Eine abwechslungsreiche Kost, die Bären-Kenner Moritz Klose vom WWF für braunbärentypisch hält. „Bären sind Allesfresser“, sagt er. „Zu 80 Prozent ernähren sie sich vegetarisch, von Zweigen, Wurzeln, Baumfrüchten, dazu auch von kleinen Tieren wie Mäusen, Larven und Würmern.“ Auch Fische können auf ihrem Speisezettel stehen. In selteneren Fällen hielten sich Bären an Jungtiere wie Rehkitze. „An Schafe gehen sie, wenn sie leicht zu erreichen sind.“ Seine Beute tötet der Bär mit roher Kraft, oft mit einem Prankenhieb auf Kopf oder Nacken.
Höchst umtriebig: Braunbären bewegen sich über weite Strecken
Braunbären leben alleine und verbringen nur zur Paarungssaison kurze Zeit zusammen. Während der Winterruhe wirft die Bärenmutter ein bis drei Jungtiere. Der Nachwuchs bleibt meist bis zum dritten oder vierten Frühling bei der Mutter. Braunbären gelten als neugierig und nicht standorttreu.
Auch Bruno zeigte sich in den gut zwei Monaten seiner Flucht höchst beweglich. Kaum länger als einen Tag hielt er sich in einem Gebiet auf, marschierte vor allem nächtens gerne auch mal über 40 Kilometer. Auch das ist für den WWF-Experten ein bärentpyisches Verhalten. „20 bis 30 Kilometer sind für ihn kein Problem“, sagt Klose, „in Extremfällen sollen Exemplare auch schon 100 Kilometer zurückgelegt haben.“
Bären sind allerdings nicht nur ausdauernde Wanderer, sie sind auch exzellente Sprinter. Ein erwachsenes Exemplar beschleunigt seine 100 bis 300 Kilo auf bis zu 55 Stundenkilometer. „Weglaufen ist keine gute Idee“, sagt Moritz Klose, „man verliert auf jeden Fall.“
Oberaudorfs Bürgermeister sucht das Gespräch mit Betroffenen
Auch wenn Behörden in dem Oberaudorfer Bär aktuell noch kein Problem-Exemplar erkennen wollen, äußert sich Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhardt besorgt. Er müsse zugeben, dass er die „Kombination aus sehr intensiver Nutzung der Berglandschaft durch den Menschen in Bayern und das Erscheinen eines Bären im selben Gebiet als extrem kritisch einschätze“, teilte Bernhardt über Facebook mit. Weiter kündigte Bernhardt ein baldiges Treffen mit Vertretern der Landwirtschaft, des Tourismus und des Gemeinderats an, um das weitere Vorgehen abzustimmen und „vor allem die Probleme vor Ort an die geeigneten Stellen weiterzugeben“.