Familien appellieren an die Stadt
„Schließung nicht zu rechtfertigen“: Gibt es eine Lösung für das Reitmehringer Schwimmbad?
Kein Baden, planschen und schwimmen mehr in Reitmehring: Die Stadt Wasserburg schließt das Lehr-Schwimmbecken. Nur noch Vereins- und Schulsport findet hier ab Juli statt. Viele Eltern sind empört. Gibt es doch noch eine Lösung?
Wasserburg – „Das ist ein super Bad für den Schwimmunterricht“, sagt Reitmehrings Grundschulleiterin Helga Block. Auch an diesem Freitagmorgen (2. Mai) ist hier eine Klasse am Üben: Die Mädchen und Buben versammeln sich mit ihren Lehrerinnen am Beckenrand, aufgeregt ratschend, voller Vorfreude. Dann geht es ab ins Becken: tauchen, Bahnen schwimmen, kraulen, kurzum: sicher werden im Wasser. Das Lehrschwimmbecken ist 90 Zentimeter bis 1,50 Meter tief, Leinen ermöglichen, es so einzuteilen, dass es für Schwimmanfänger nicht zu gefährlich wird. Es gibt viele bunte und sehr beliebte Schwimmhilfen: Bretter, Ringe, Noodles. Die Raumlust: angenehm warm.
„Wir sind ausgebucht“
„Wir sind völlig ausgebucht“, erklärt Block. Denn im Lehrschwimmbecken in Reitmehring üben nicht nur die Kinder aus den beiden Grundschulen der Stadt, sondern auch aus Babensham, Soyen, Rott, Edling, Pfaffing, Eiselfing und Schnaitsee. Jede der neun Klassen in Reitmehring geht einmal in der Woche ins Bad. Das trainiert, wichtig in Zeiten, in denen viele Kinder nicht mehr richtig schwimmen lernen. Bundesweit spricht die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) davon, dass 60 Prozent der Erstklässler ungeübt sind, Block nennt für ihre Schule einen Prozentsatz von einem Drittel bis zur Hälfte an Nichtschwimmern bei den Schulanfängern.
Das Schulschwimmen wird auch weiterhin stattfinden, ist also gesichert. Doch das Lehrbecken war bisher auch für den öffentlichen Badebetrieb geöffnet: montags und mittwochs von 16.30 Uhr bis 18 Uhr. Dieses Angebot wird im Juli gestrichen, hat die Stadt Wasserburg mitgeteilt. Die Nachricht war neben den Verkehrsproblemen das zweite große Thema bei der Bürgerversammlung in Reitmehring. Elternbeiratsvorsitzende Dr. Ursula Winkler-Budenhofer äußerte sich in der Veranstaltung kritisch. Auch Mutter Annika Becker meldete sich zu Wort mit dem Appell, den Beschluss zu überdenken.
Gerne genutzt von Familien
Das Lehrschwimmbecken in Reitmehring hat laut Winkler-Budenhofer für Familien eine große Bedeutung. Hier würden viele Mädchen und Buben das Schwimmen lernen. Das Becken sei übersichtlich, gut erreichbar, eine Zehnerkarte koste nur 22 Euro. Hier könnten Eltern Klein- und Vorschulkinder bei ihren ersten Kontakten mit dem Wasser begleiten, mit Grundschulkindern üben. Hier fänden auch sichere Schwimmer eine Möglichkeit, sich im Wasser zu bewegen.
Schwimmen ist in den Augen der Elternbeiratsvorsitzenden eine Grundeigenschaft, die jeder erlernen sollte: so wie laufen und Rad fahren. „Skateboardfahren ist ein tolles Hobby, doch das muss ein Kind nicht können, schwimmen aber schon“, nennt sie als Beispiel. Ein Lehrbecken sei deshalb nicht, wie von der Stadt argumentiert, ein Luxusobjekt, sondern eine „überlebenswichtige Einrichtung“. „Ich finde, es ist nicht zu rechtfertigen, den öffentlichen Badebetrieb in Reitmehring einzustellen“, sagt Winkler-Budenhofer. Sie verweist auch darauf, dass viele Senioren das Becken nutzen würden, außerdem sportliche Schwimmer, die hier in Ruhe ihre Bahnen ziehen könnten.
Personelles Problem
Das Becken müsse aufgrund des Schulsports sowieso unterhalten werden. Die drei Stunden öffentliches Baden pro Woche dürften in ihren Augen finanziell nicht zu belastend sein. Rathauschef Michael Kölbl verwies bei der Bürgerversammlung jedoch darauf hin, dass das Problem woanders liege: Als öffentliches Bad sei das Becken aus personellen Gründen nicht länger zu betreiben.
Bisher hatte der Schulhausmeister die Aufsicht übernommen. Er gehe in den Ruhestand, dieser Service entfalle somit. Die Stadt und die Stadtwerke als Betreiberin des Badria seien nicht mehr in der Lage, Personal zu stellen. Doch die Kommune stehe im Austausch mit dem TSV Wasserburg. Wenn ein Verein die Aufsicht übernehme, reiche es aus, einen Rettungsschwimmer zur Überwachung zu stellen, die Stadt müsste jedoch einen Profi beauftragen, so Kölbl.
Badria und Lehrbecken vergleichbar?
Der Rathauschef ist der Meinung, dass das Reitmehringer Lehrschwimmbecken außerdem keinen großen Zulauf habe: 2024 seien hier 641 Eintritte gezählt worden. „Das ist so viel wie an einem Tag im Badria“. Den „Luxus von zwei Bädern“ könne sich eine Stadt heutzutage nicht mehr leisten, so der Rathauschef. In der Tat ist das Badria seit vielen Jahren ein Minusgeschäft, das Defizit beträgt jährlich etwa eine Million Euro.
Die Elternbeiratsvorsitzende Winkler-Budenhofer findet jedoch, der Vergleich zwischen Badria und Lehrschwimmbecken hinke. Die Einrichtung in der Grundschule sei schließlich nur zwei Nachmittage in der Woche geöffnet, zudem nicht in den Ferien. Die Besucherzahlen könnten also nicht miteinander verglichen werden. Das Badria sei ein Erlebnisbad, also eine besondere Einrichtung für Familien. Doch regelmäßig könnten sich viele den Besuch im Badria nicht leisten, etwa wenn es vor allem darum gehe, Kindern das Schwimmen beizubringen, so Winkler-Budenhofer.
Grundschulleiterin Block bestätigt: „Wir als Schule benötigen Unterstützung durch die Eltern beim Schwimmen lernen.“ Intensives Üben sei notwendig, da habe sich der öffentliche Betrieb des Lehrschwimmbeckens in der Vergangenheit besonders bewährt. Sie sagt jedoch auch: „Mir ist bewusst, dass es für die Stadt schwierig ist, es personell zu bewältigen.“ Der nun in den Ruhestand eintretende Hausmeister habe eine Zusatzqualifikation für die Aufsicht gehabt.
Das schlägt der TSV Wasserburg vor
Doch es deutet sich ein Kompromiss ab: über den Sportverein. Vorsitzender Bastian Wernthaler teilt auf Anfrage der Redaktion mit: „Der TSV 1880 Wasserburg hat angeboten, eine Schwimmgruppe oder (gegebenenfalls später) eine Schwimmabteilung aufzunehmen. Es könnte dann ein Vereins-Schwimmen in Reitmehring stattfinden.“ Die Teilnehmer müssten Mitglieder im Verein sein, die Schwimmgruppe entsprechende Beaufsichtigung garantieren. „Hier käme in Betracht, einer qualifizierten Person im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit den Aufwand zu entschädigen. Dies wäre wohl aus den generierten Beiträgen, staatlichen und städtischen Zuschüssen finanzierbar“, so Wernthaler.
Winkler-Budenhofer ist jedoch der Meinung: „Mit dieser Option sehe ich das öffentliche Schwimmen im eigentlichen Sinne als beendet an. Wenn der TSV eine Schwimmabteilung möchte, könnte diese ergänzend Schwimmstunden am Nachmittag anbieten, um eine weitere Auslastung des Bades zu gewährleisten. Sie weist darauf hin, dass ein Vereinsbeitritt für viele Eltern eine Hemmschwelle darstelle. Erwachsene müssten 80, Kinder 35 Euro pro Jahr zahlen. Bei mehreren Kindern komme schon eine beträchtliche Summe zusammen. Wernthaler versteht, dass teilweise eine Mitgliedschaft gescheut werde. Allerdings seien die Beiträge beim TSV 1880 Wasserburg „meines Erachtens wirklich mehr als angemessen“. Zusätzlich bestehe Fördermöglichkeit über den Wasserburg Pass, erklärt er. Neben den Mitgliedsbeiträgen wären kostenpflichtige Schwimmkurse zur zusätzlichen Finanzierung der Schwimmgruppe denkbar. Es entstünden keine Mehrkosten für Personen, die bereits Mitglied im TSV 1880 Wasserburg (also bereits in anderen Abteilungen gemeldet) seien.
TSV Wasserburg wünscht Schwimmabteilung
„Der TSV 1880 Wasserburg bietet die Möglichkeit gerne an, der Verein wünscht sich ohnehin schon lange eine Schwimmabteilung in einer Stadt mit zwei Bädern. Natürlich freue ich mich für die schwimmbegeisterten Reitmehringer/-innen aber auch, wenn eine andere Möglichkeit gefunden werden kann“, teilt er abschließend für den Verein mit.
Winkler-Budenhofer findet abschließend: „Ich kann nur dafür werben, das öffentliche Schwimmen zu erhalten. Die Stadt sollte alles dransetzen, um eine Lösung zu finden. Schwimmen lernen, Bewegung, Sport: All dies ist wichtig für die Gesundheit. Wir brauchen dieses Angebot.“
