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„Jedes Gewässer hat seine Tücken“

„Besorgniserregende Entwicklung“: Etliche 2024 in Bayern ertrunken – auch in der Region

„Immer weniger Kinder und Erwachsene können sicher schwimmen”, weiß Anna Seibeck von der DLRG Bad Aibling.
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„Immer weniger Kinder und Erwachsene können sicher schwimmen”, weiß Anna Seibeck von der DLRG Bad Aibling.

Es sind erschreckende Zahlen, die die Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) veröffentlicht hat. 70 Menschen sind 2024 in Bayern infolge eines Badeunfalls gestorben. Auch in der Region gab es Todesfälle. Wo die Gefahren liegen – und wieso es besonders häufig Senioren und Kinder trifft.

Rosenheim/Bad Aibling – „Immer weniger Kinder und Erwachsene können sicher schwimmen”, sagt Anna Seibeck von der DLRG Bad Aibling. Es sind erschreckende Entwicklungen, die sich auch in den Zahlen der Badeunfälle widerspiegeln. In Bayern verstarben 2024 insgesamt 70 Menschen infolge von Badeunfällen, wie die neusten Zahlen der DLRG belegen. Die meisten davon in Flüssen (27) und Seen (24). Aber auch in Kanälen, Bächen und Teichen sind Menschen tödlich verunglückt.

Badeunfälle: Selbstüberschätzung häufige Ursache

Auch in der Region kam es zu tragischen Unglücken. So ist vergangenes Jahr am 1. August ein 84-Jähriger beim Baden im Chiemsee verstorben. Und auch im Landkreis Mühldorf und Altötting ist 2024 jeweils eine Person bei einem Badeunfall ums Leben gekommen. Die Zahlen sind erschreckend. Klar ist: „Viele Badegäste überschätzen ihre eigenen schwimmerischen Leistungen“, erklärt Seibeck. „Hinzu kommen dann die Unterschätzung von Schwimmdistanzen, was in Kombination mit der Selbstüberschätzung zu Erschöpfungszuständen führen kann.”

Unterschätzt werden oft auch die Gewässer in der Region. „Grundsätzlich birgt jeder See seine eigenen Gefahren, da jedes Gewässer seine Tücken und gefährlichen Stellen hat”, macht Seibeck gegenüber dem OVB klar. Ein Beispiel dafür sei der Höglinger Weiher, der als Baggerweiher unterschiedliche Uferbeschaffenheiten aufweise. An einigen Stellen werde es schnell tief und könne so für Nichtschwimmer zur Gefahr werden, betont die DLRG-Expertin. Bei Flüssen hingegen unterschätzten Menschen oft die Strömung.

Im vergangenen Jahr: 70 Menschen in Bayern ertrunken

Die bayernweiten Zahlen der DLRG zeigen, dass besonders Senioren im vergangenen Jahr beim Baden tödlich verunglückt sind. 14 der 70 Verstorbenen waren zwischen 71 und 80 Jahre alt. Elf waren zwischen 51 und 60 Jahre alt und zehn zwischen 61 und 70 Jahre. Aber auch bei den 21- bis 30-Jährigen sind im Jahr 2024 in Bayern insgesamt zehn Menschen ertrunken. 

Sowohl Senioren als auch Kinder seien besonders gefährdet, merkt Seibeck an. Denn: „Beide Gruppen neigen stärker als der Durchschnitt der Badegäste zur Selbstüberschätzung und können entweder noch nicht oder gegebenenfalls nicht mehr sicher schwimmen.“

Lehrer spricht von „besorgniserregender Entwicklung“

Dass Kinder oftmals nicht mehr richtig schwimmen lernen, ist auch Leonhard Sedlbauer von der Johann-Rieder-Realschule in Rosenheim in den letzten Jahren aufgefallen. „Um dieser besorgniserregenden Entwicklung entgegenzuwirken, initiieren wir an der Schule eine Aktionswoche zum Thema ‚Sicher Schwimmen lernen’“, sagt Sedlbauer. Dadurch können die Schüler ihre Schwimmfähigkeiten weiterentwickeln, ihre Sicherheit im Wasser erhöhen und gemeinsam mit ihren Klassenkameraden ein aktives und sportliches Programm erleben. Außerdem können die Kinder die Prüfungen für Schwimmabzeichen der DLRG ablegen. 

„Das sichere Schwimmen wird durch das Deutsche Schwimmabzeichen Bronze bescheinigt“, sagt Seibeck. „Die Anzahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen können, hat sich seit dem Jahr 2017 bis zum Jahr 2022 verdoppelt“, merkt die DLRG-Expertin an. Laut einer Forsa-Umfrage seien rund 60 Prozent der Grundschüler und jeder zweite Erwachsene nach eigenen Angaben Nichtschwimmer oder schlechte Schwimmer.

Schwimmen lernen: Familien fehlt es an Bewusstsein oder Möglichkeiten

Doch woran liegt das eigentlich? „Ein wichtiger Faktor ist, dass Kinder heutzutage weniger Zeit im Wasser verbringen als früher. Freizeitaktivitäten haben sich verändert – viele verbringen mehr Zeit mit digitalen Medien oder anderen Hobbys, bei denen Schwimmen keine Rolle spielt“, erklärt Sedlbauer. Aber auch die Corona-Pandemie und die dadurch ausgefallenen Schwimmkurse hätten ihre Spuren hinterlassen. „Zudem fehlt es in manchen Familien an Bewusstsein oder Möglichkeiten, das Schwimmen rechtzeitig zu fördern, sodass Kinder erst spät oder gar nicht sicher Schwimmen lernen.“

Viele Eltern wüssten zwar, wie wichtig es ist, dass Kinder rechtzeitig Schwimmen lernen, sagt Sedlbauer. Andere wiederum verließen sich komplett auf die Schule. Und: „Manche Eltern haben zudem Schwierigkeiten, einen passenden Kurs zu finden oder zeitlich unterzubringen.“ Dass das Angebot oftmals ein Problem ist, betont auch Seibeck. Der DLRG-Expertin zufolge stehen immer weniger Schwimmbäder zur Ausbildung zur Verfügung. „Oft fehlen nicht nur die Schwimmbäder, sondern auch ausreichend qualifizierte Schwimmlehrerinnen und Schwimmlehrer“, ergänzt Sedlbauer.

Sobald es die Angebote gibt, werden diese allerdings dankend angenommen, weiß der Lehrer. „Die meisten Kinder nehmen Schwimmkurse mit Begeisterung an. Gerade in der 5. Klasse sind viele hoch motiviert, ihre Fähigkeiten im Wasser zu verbessern“, sagt Sedlbauer. Aber auch Kinder, die noch unsicher sind oder Angst haben, profitierten von ebensolchen Aktionswochen, wie sie die Johann-Rieder-Realschule anbietet. „Der Wunsch, schwimmen zu können, ist in der Regel groß – oft fehlt es nur an den richtigen Gelegenheiten.“

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