Eindringlicher Appell - Warnung vor Schadstoffen
Bioplastik in den Biomüll? Bloß nicht! Landratsamt Rosenheim räumt mit Mythos auf
Bioplastik hat im Biomüll nichts zu suchen. Ein Grundsatz, gegen den auch im Landkreis Rosenheim immer wieder verstoßen wird. So will das Landratsamt zur Linderung des Problems beitragen.
Rosenheim - Ein leidenschaftlicher Appell und Aufklärung: Das ist die Doppelstrategie, mit der die Kreisverwaltung dafür sorgen möchte, dass der Anteil von Bioplastik weniger wird, der sich noch immer in der Biotonne befindet. „Auch wenn bei der Herstellung keine fossilen Rohstoffe wie Erdöl verwendet werden, bleibt das hergestellte Material Kunststoff“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamtes.
Verkaufsverpackungen nur in Wertstoffhöfen entsorgen
„Vermeiden Sie unnötige Verpackungen, und greifen Sie zu den umweltfreundlicheren Alternativen, beispielsweise wiederverwertbare Mehrwegangebote oder Verpackungen aus recycelten Materialien“, rät die Kreisbehörde den Verbrauchern. Wer Verkaufsverpackungen aus Biokunststoff loswerden wolle, solle diese ausschließlich an den dafür vorgesehenen Containern in den Wertstoffhöfen des Landkreises entsorgen. Nur so könne dieser Müll anschließend sachgerecht weiterverwertet werden.
Landratsamt räumt Gefahr von Missverständnissen ein
Das Landratsamt räumt ein, dass Aufschriften wie „kompostierbar“ oder „biologisch abbaubar“, die sich beispielsweise auf Produkten wie Kaffeekapseln oder Einwegbechern finden, rasch zu „Missverständnissen“ führen. Solche Produkte würden als „Bioplastik“ bezeichnet und dürften nicht in der freien Natur oder der Biotonne entsorgt werden - auch wenn das Wort „Bio“ in der Produktbeschreibung enthalten sei.
Bioplastik baue sich kaum ab, weiß das Landratsamt. Die Kreisbehörde verweist unter anderem auf einen Kompostierungsversuch der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der dies bestätige. Bioplastik erweise sich demnach in einer Kompostieranlage als „Störstoff“ und müsse unter großem Aufwand aussortiert oder verbrannt werden. „Durch die unvollständige Kompostierung mindert sich die Qualität des Komposts aufgrund von Bioplastikresten, Mikroplastik oder möglichen in den Biokunststoffen enthaltenen Schadstoffen wie Weichmacher oder Pestizide“, warnt das Landratsamt.
DUH fordert Verbot von Werbung
Das Urteil der DUH ist eindeutig: „Produkte aus sogenanntem Bioplastik sind meist genauso umweltschädlich wie herkömmliches Plastik. Sie bringen oft neue Umweltprobleme mit sich“, heißt es auf deren Homepage. Deshalb fordert die DUH auch, „Werbung zur Kompostierbarkeit und Abbaubarkeit von Bioplastikprodukten zu verbieten, damit diese nicht mehr fälschlicherweise in der Biotonne landen und produzierten Kompost verunreinigen können“.
Ähnlich kritisch äußert sich der Bund Naturschutz (BN) in Bayern. In einem Papier zu Biokunststoffen spricht der BN von einer „Täuschung“ der Verbraucher. „Das Label ‚Bioplastik‘ führe absolut in die Irre“, meint Janine Korduan, die Expertin für Kreislaufwirtschaft des BN im Freistaat. Viele dieser Produkte seien aus toxikologischer Sicht nicht besser als herkömmliche Kunststoffe.
Auch für Rainer Auer, BN-Kreisvorsitzender im Landkreis Rosenheim, ist der Begriff „Bioplastik“ eine „reine Augenauswischerei“. Gezielte Aktionen zur Verringerung dieser Produkte plane der BN auf Kreisebene derzeit allerdings nicht.
Im Zweifel in die Mülltonne werfen
Josef Andres, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), kennt das Problem ebenfalls, auch wenn es auf den Berufsalltag der Landwirte in der Region eher keine Auswirkungen hat. „Unsere Bauern bringen ja keinen Kompost aus“, so Andres. Er kenne aber beispielsweise Bauern im Landkreis Ebersberg, die kleine Kompostieranlagen betrieben. „Die klauben ganz viel von diesem Plastikmüll aus der Erde, und trotzdem sieht der Kompost teilweise noch chaotisch aus“, weiß Andres. Der Rat des Kreisobmannes an die Verbraucher, wenn ihnen der richtige Entsorgungsweg im Einzelfall nicht bekannt ist. „Im Zweifel in die Mülltonne werfen. Dann wird dieser Plastikmüll in der Verbrennungsanlage verwertet und kann keinen Kompost verunreinigen.“
2021 wurden 17.200 Tonnen Kompost erzeugt
In den Kompostieranlagen des Landkreises in Eiselfing, Bruckmühl und Aschau ist laut Landratsamt hingegen „nahezu kein Bioplastik“ zu finden. Der Grund: Hier wird Grüngut und kein Biomüll kompostiert. Bei Grüngut gebe es nur selten Verunreinigungen. „In Einzelfällen werden zum Beispiel Tüten von Humusverpackungen oder Fäden mitentsorgt, aber das sind Ausnahmen“, antwortet die Behörde auf eine Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Um Verunreinigungen zu vermeiden, durchliefe das Grüngut in jeder dieser Anlagen mehrere Prozesse. In den drei Anlagen seien im Jahr 2021 aus einer Gesamtmenge von rund 44.677 Tonnen Häckselgut, Laub und Gras etwa 17.200 Tonnen Kompost erzeugt worden.
Biomüll entsorgen die Stadt und der Landkreis Rosenheim bei der VIVO GmbH in Warngau im Landkreis Miesbach, ein Kommunalunternehmen für Abfallvermeidung, Information und Verwertung. 11.551,15 Tonnen Biomüll wurde von den Zulieferern des Unternehmens im vergangenen Jahr zur Entsorgung nach Warngau gebracht. Mit 2,68 Tonnen gibt Pressesprecherin Beate Weindl die Liefermenge aus der Stadt Rosenheim an, 394,55 Tonnen Biomüll lieferte der Landkreis in diesem Zeitraum.
Stadt Rosenheim erklärt große Diskrepanz bei Liefermengen
Die große Diskrepanz zwischen den Zahlen von Stadt und Land lässt sich nach Auskunft von Christian Baab von der Pressestelle der Stadt Rosenheim leicht erklären. „Wir haben noch keine Biotonne und auch kein verpflichtendes Bringsystem für Biomüll. Daraus resultiert die Differenz“, so Baab.
Was den Anteil von Bioplastik in dem aus Stadt und Landkreis angelieferten Biomüll betrifft, hat die VIVO keine Erkenntnisse. „Mit der derzeitigen Aufbereitungstechnik lässt sich Bioplastik nicht von herkömmlichem Plastik unterscheiden“, antwortete das Unternehmen auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Die Technik basiere vor allem auf einer Vorsortierung in Handarbeit. Hierbei Plastik von Bioplastik mit bloßem Auge zu unterscheiden, ist laut VIVO nahezu unmöglich. „Erschwerend kommt hinzu, dass die Materialien oft sehr stark verschmutzt sind“, sagt die VIVO.
Alle Fremdstoffe werden aussortiert
Da von der Anlieferung dies Bioabfalls bis zur Absiedlung des Kompostes nur ein Zeitfenster von sieben bis acht Wochen zur Verfügung stehe, würden grundsätzlich alle Fremdstoffe aussortiert - auch Bioplastik und kompostierbare Plastik-Produkte wie Kaffeekapseln, Kleidung oder Essensverpackungen.
Die Sammlung von Verkaufsverpackungen aus Kunststoff liegt laut Landratsamt in den Händen des Dualen Systems Deutschland. Dabei handelt es sich um einen Verbund, der Verpackungen im Auftrag von Unternehmen kollektiv einsammelt. Die Verpackungen, die für das Duale System gedacht seien, würden an den Wertstoffhöfen des Landkreises gesammelt und dann weitergegeben. Alle Verpackungen kämen in Container. Die Trennung laufe dann maschinell und erfolge erst bei der Weiterverarbeitung beim Dualen System.
Zahlen aus der Region zu den anfallenden Müllmengen liegen nicht vor. Das Duale System ließ eine zweimalige schriftliche Anfrage der OVB-Heimatzeitungen unbeantwortet.
