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Nutzgrund opfern für Photovoltaik?

Essen oder Energie? Warum der Bauern-Obmann im Kreis Rosenheim vor Flächenfraß warnt

Beispiel einer Freiflächen-PV-Anlage.
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Treten in Konkurrenz: Flächen für PV-Anlage im Freien und Grünland.

Dächer statt Äcker. Im Wasserburger Stadtrat hat Landwirt Josef Baumann (Freie Wähler) warnend den Finger erhoben: Nutzgrund für die Nahrungsmittelproduktion dürfe nicht der Energiewende geopfert werden. Warum Bauern-Kreisobmann Josef Andres die Sorge teilt und welche weitere Gefahren er sieht.

Wasserburg/Pfaffing - Die Stadt Wasserburg ist Eigentümerin von etwa 30 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Diese sind in der Regel verpachtet. Ein Teil käme grundsätzlich auch für die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Frage, hieß es im Stadtrat. Die Kommune verzichtet jedoch auf Kündigungen von landwirtschaftlichem Pachtgrund zugunsten von Freiflächen-PV, beschloss der Stadtrat einstimmig. Das Prinzip: Dach- vor Freiflächen.

BBV-Kreisobmann Josef Andres

Das hatte im Stadtrat auch Josef Baumann (Freie Wähler Reitmehring/Wasserburg) gefordert. Er sieht die Gefahr, dass die Energiewende sonst zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion geht. Diese Bedenken teilt auch der Kreisobmann der Bauern, Josef Andres. Der Pfaffinger bestätigt auf Anfrage der Wasserburger Zeitung, dass die Sorge, im Kampf um wertvolle Nutzflächen gegenüber der Energiewirtschaft ins Hintertreffen zu geraten, bei vielen Landwirten umgeht. „Das ist ein großes Thema bei uns“, sagt Andres.

„Die Nahrungsmittelproduktion muss immer zuerst kommen“, appelliert er. Bevor auf landwirtschaftlichen Grund zurückgegriffen werde, um Freiflächen-PV-Anlagen zu errichten, müssten alle Potenziale auf Dächern oder beispielsweise an Parkplätzen oder Autobahnen ausgenutzt werden. Über elf Hektar Wiesen, Felder und Waldflächen pro Tag würden in Bayern schließlich derzeit bereits täglich verbaut, der Flächenfraß sei generell schon groß. Wenn der Kuchen der übrigbleibenden Grundstücke nun auch noch kleiner werde, weil sich auch die Betreiber von Freiflächen-PV-Anlagen ein Stück davon abschneiden wollten, gerate die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in Gefahr.

Warnung vor Abhängigkeit

Andres bringt die Problematik so auf den Punkt: Um autark bei der Stromversorgung zu werden, würden jetzt vermehrt auch PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichem Nutzgrund installiert. Dieser falle dann weg für die Nahrungsmittelproduktion. Das wiederum bringe eine Abhängigkeit vom Ausland, aus dem Getreide, Gemüse, Obst und Fleisch exportiert werden müssten. Klimaschädlich würden diese dann über tausende von Kilometern per Schiff oder Flugzeug herbeigekarrt. Das Beispiel zeigt: Die Katze beißt sich quasi selbst in den Schwanz.

Die Folgen des Ukraine-Kriegs auf die internationalen Warenströme hätten schließlich deutlich gezeigt, wie gefährlich es sei, wenn wichtige Produkte nicht im eigenen Land hergestellt würden, findet der Kreisobmann der Bauern. Eine solche Entwicklung berge nicht nur die Gefahr von Abhängigkeiten, sondern auch, dass Lebensmittel eingeführt werden müssten, die die deutschen Qualitätsstandards nicht halten könnten. „Bei vor Ort produzierten Nahrungsmitteln, wissen wir, wo sie herkommen und was drin ist.“

Selbstversorgung gefährdet

Andres kritisiert in diesem Zusammenhang grundsätzlich die aktuelle Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung, die die Selbstversorgung gefährde. Im Fokus stehe beispielsweise die Tierhaltung. „Wenn wir die bei uns abschaffen, holen wir uns dann das Rindfleisch aus Argentinien her?“, legt er den Finger in die Wunde. Ohne Viehhaltung sehe vor allem der Voralpenraum schlecht aus, denn hier stehe die Grünlandbewirtschaftung für Wiederkäuer im Vordergrund.

Andres sieht noch ein weiteres Problem, das großflächige PV-Anlagen im Freien mit sich bringen würden: Die Beschattung des Grunds grenze die Entwicklungsmöglichkeiten der Natur ein. Es wachse lediglich noch eine Wiese für Schafe. „Die Biodiversität ist in Gefahr.“ Die Investoren für solche Anlagen kämen in der Regel außerdem nicht aus der Region, die Wertschöpfung fließe ab.

Noch ufern Freiflächen-PV-Anlagen im Landkreis Rosenheim nicht aus, stellt Andres fest. Es gebe bereits einige Anlagen, weitere seien in der Planung. Doch ein Blick nach Niederbayern zeige, dass hier schon einige hundert Hektar Nutzgrund zugepflastert worden seien. „Die Entwicklung ist besorgniserregend.“

Kleinere Anlagen sinnvoller

Natürlich könne es auch sein, dass Landwirte selber ihren Grund für solche Anlagen verpachten wollten. „Das kann auch für uns ein lukratives Geschäft sein.“ Jeder Landwirt sei schließlich auch ein Unternehmer. Doch keiner würde die Existenz seines Betriebes gefährden. Je mehr Fläche für eine andere Nutzung abgegeben werde, desto mehr könne ein Bauer existenziell in Bedrängnis geraten.

Andres erteilt generell dem Trend zum Gigantismus - also zu großen Anlagen auch in der Energiewirtschaft - eine Absage. Selbst beim Biogas, das den Bauern bekanntlich zum Energiewirt mache, sei es sinnvoller, kleinere Anlagen dezentral auf den Höfen zu errichten - vor allem für den Eigenverbrauch. Dann es fehle schließlich nach wie vor an Speichermöglichkeiten, die Stromnetze würden sonst überlastet.

Grundsätzlich stellt der Kreisobmann der Bauern fest, die Landwirte ständen derzeit in vielen Themenfeldern im Fokus politischer Entscheidungen, auch beim Klimaschutz. „Wir fühlen uns wie gefangen in einem Spinnennetz, an jedem Faden zieht jemand.“

Solarpark Perfall

Das beste Beispiel für das Konfliktpotenzial, das Freiflächen-PV-Anlagen bergen, ist der Solarpark, der in Perfall (Gemeinde Eiselfing) entstehen soll - auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche. Der Gemeinderat hat das Vorhaben der Antragstellerin, die auch Eigentümerin des Grundstücks ist, einstimmig befürwortet Das Gremium hat sich aber angesichts der Tatsache, dass 1,5 Hektar Ackerfläche verloren gehen und das Landschaftsbild verändert wird, nicht leicht getan. Es galt das Bemühen um die Energiewende vor Ort mit dem Kampf gegen den zunehmenden Wegfall bäuerlichen Nutzgrunds abzuwägen. Derzeit läuft laut Bürgermeister Georg Reinthaler das Bebauungsplanverfahren. Die erste Runde der öffentlichen Anhörung von Behörden und Bürgern ist abgeschlossen. Weit über 200 Kritiker haben sich in einer Unterschriftenaktion gegen die Planung der Freiflächen-PV-Anlage ausgesprochen. Der Gemeinderat wird vermutlich am Dienstag, 2. Mai, über die Ergebnisse der öffentlichen Auslegung beraten. Am Solarpark Perfall sollen sich auch Bürger beteiligen können.

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