„Können uns nicht wegducken“
Proteste und Einwände: Warum der geplante Solarpark in Eiselfing einen neuen Konflikt auslöst
Hier tut sich ein neues Spannungsfeld auf: Freiflächen-Photovoltaikanlagen drohen Äcker und Wiesen zu verdrängen. Energiewende gegen Landwirtschaft? Es ist schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Das zeigt ein Beispiel aus Eiselfing. Über den schwierigen Kompromiss zwischen Energie und Lebensmittel.
Eiselfing - Auf den ersten Blick ist das Vorhaben zukunftsweisend: In Eiselfings Ortschaft Perfall soll ein Solarpark entstehen. Auf 1,5 Hektar will eine Antragstellerin eine Freiflächen-Photovoltaikanlage errichten. Der Gemeinderat Eiselfing hat sich die Entscheidung für das Projekt nicht leicht gemacht, berichtet Bürgermeister Georg Reinthaler (Grüne) auf Anfrage. Denn das Areal nah des Gasthauses Perfall werde landwirtschaftlich genutzt - von einem örtlichen Bauern. Jetzt will die Eigentümerin, dass aus dem Acker eine Fläche für die Stromgewinnung wird. Geplante Gesamtleistung der Module, die maximal drei Meter hoch aufgestellt werden sollen: 1,9 Megawatt Peak.
„Können uns nicht wegducken“
„Wir wollen unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Diese muss auch vor Ort umgesetzt werden. Wir können uns da nicht wegducken, wenn ein solcher Antrag kommt“, findet Reinthaler. Das sah auch der Gemeinderat so. Er beschloss einstimmig, einen Bebauungsplan für das Vorhaben aufzustellen.
250 Unterschriften gesammelt
Der Bürgermeister räumt jedoch offen ein: „Optisch ist die Anlage sicherlich gewöhnungsbedürftig.“ Das ist einer von mehreren Kritikpunkten, die per Stellungnahmen im Briefkasten des Eiselfinger Rathauses landeten. Zahlreiche Bürger haben ihre Einwände deutlich gemacht. Über 200 haben sogar eine Unterschriftenliste gezeichnet, die eine Anliegerin, die anonym bleiben möchte, initiiert hat. Alles Gegner des Solarparks. Sie argumentieren unter anderem, dass der Weiler Perfall durch die geplante Anlage aufgrund ihrer Dimension ein völlig neues Bild bekomme. Wertvolles Ackerland werde aus der Bewirtschaftung genommen. In der Nähe würden Biotope und Schutzgebiete von den geplanten Modulen beeinträchtigt. Bürger befürchten, dass die verbauten elektrischen Teile surren, bei Regen Lärm verursachen. Es geht um drohenden Wertverlust für Grundstücke und um eine landschaftliche Idylle, die beeinträchtigt werde. Kritiker sind der Meinung, dass es bessere Flächen für einen Solarpark gibt: an Erdwällen entlang von Autobahnen, über Parkplätzen, auf Brachland.
Am Dienstag, 2. Mai, wird der Gemeinderat erneut über die Thematik beraten. Dann steht das Ergebnis der ersten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes für das Sondergebiet auf der Tagesordnung (19.15 Uhr im Rathaus, Punkt 3 des öffentlichen Teils). Es gilt für das Gremium, die Stellungnahmen der Behörden und Verbände sowie die Einwände der Bürgerinnen und Bürger zu diskutieren - und erneut abzuwägen. Eine schwierige Aufgabenstellung, denn über 200 Unterschriften - bei einer Einwohnerzahl in Eiselfing von rund 2.900 - sprechen für sich.
Reinthaler erinnert jedoch an die Vorgaben, die der Gemeinderat bereits beschlossen hat und die die Dramatik aus der Sachlage nehmen sollen: Die PV-Freiflächen-Anlage müsse eingegrünt werden durch Hecken und Sträucher. Ökologische Ausgleichsflächen würden auf dem Grundstück selber bereitgestellt - zu 100 Prozent. Von weitem sei der Solarpark deshalb nicht einsehbar. Die landwirtschaftliche Fläche soll außerdem umziehen - auf einem anderen Grundstück könne wahrscheinlich der Ackerstatus wieder angeboten werden. In nur 150 Meter Luftlinie Entfernung sei bereits eine Trafostation zum Anschluss an das Stromnetz vorhanden.
Bürgerbeteiligung angestrebt
Außerdem erhält die Bevölkerung die Chance, sich am Solarpark zu beteiligen. Das genaue Modell werde derzeit ausgearbeitet. Auch die Stadtwerke Wasserburg sollen eine Chance zur Beteiligung erhalten, so Reinthaler weiter.
Er räumt ein, dass es vor einer großflächigen Zupflasterung von Nutzgrund wichtiger sei, Dächer mit PV zu bestücken. „Wir können jedoch keinen zwingen“, sagt er angesichts der Tatsache, dass es in punkto Dachflächen noch viel Potenzial auch in Eiselfing gibt. Auch das Klimaschutznetzwerk Rosenheim-Traunstein, von dem sich die Gemeinde beraten lässt, poche darauf, zuerst die Dächer zu nutzen, bevor es in die Freifläche gehe. Kommunale Liegenschaften müssten vorrangig auf den Prüfstand.
Beispiel Wasserburg: Hier hat der Stadtrat beschlossen, alle geeigneten kommunalen Gebäude mit PV auszustatten - nach einem gemeinsamen Konzept von Liegenschaftsamt und Klimaschutzmanager. Reinthaler sieht auch den Flächenkonflikt auf dem Land. Händeringend würden Grundstücke gesucht - für die landwirtschaftliche Nutzung, als Ausgleich für Bebauungen, für den Naturschutz - und jetzt auch noch für die Energiegewinnung. In Eiselfing kommt noch die Suche nach neuen Wasserschutzgebieten hinzu. Der Klimaschutz mit der Notwendigkeit zur Energiewende übe zusätzlichen Druck auf einen ohnehin überhitzten Flächenmarkt aus. Darauf verweist regelmäßig auch der Kreisobmann der Bauern, Josef Andreas aus Pfaffing. Er warnt eindringlich davor, landwirtschaftlichen Nutzgrund zu opfern. Die Nahrungsmittelproduktion gerate in Gefahr, wenn der Flächenfraß so weitergehe.
Dennoch: Das Areal in Perfall eigne sich für eine Freiflächen-PV-Anlage, ist Reinthaler trotz aller kritischen Stimmen überzeugt. Hier könne die Energiewende vor Ort ein großes Stück vorankommen. Mit Spannung wird jetzt erwartet, wie der Gemeinderat am Dienstag, 2. Mai, diskutiert und abstimmt.