„Wir fürchten, dass das Dorf das nicht packt“
„Rott rotiert“ gegen Unterkunft für 500 Flüchtlinge: Das ist die erste große Protest-Aktion
Kleines Dorf, großer Widerstand: Fast 3500 haben die Online-Petition der Bürgerinitiative (BI) „Rott rotiert“ unterschrieben. Ein Mega-Erfolg im Kampf gegen eine Sammelunterkunft für bis zu 500 Flüchtlinge. Jetzt plant die BI am 26. November die erste große Aktion. Wie die Gegner sich beteiligen können und warum der erste Versuch einer Klein-Demo vor dem Verwaltungsgericht landete.
Rott – Plakate, Banner, eigener Whatsapp-Kanal, Online-Petition, Unterschriftenaktion: Die Bürgerinitiative „Rott rotiert“ hat seit Bekanntwerden der Pläne des Landratsamtes, im Gewerbegebiet Am Eckfeld eine Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 500 Flüchtlinge einzurichten, über viele Kanäle mobil gemacht. Erklärtes Ziel: die geplante Unterkunft in Rott zu stoppen. „Wir sind in Sorge, dass das Dorf das nicht packen kann“, bringt Heike Bachert die Befürchtungen vieler Bürgerinnen und Bürger auf den Punkt.
„Wir sind nicht laut“
Aufklären, informieren, Sorgen klar benennen: All dies geschehe in Rott trotz naturgemäß hochkochender Emotionen im steten Bemühen um Sachlichkeit. „Wir sind nicht laut, wir wollen nur zeigen, dass eine solche Einrichtung nicht in unser Dorf passt“, sagt Günther Hein, ebenfalls Mitglied des Kernteams in der BI. Leise statt laut, friedlich statt provokativ: So möchte die Initiative auch ihren Protest gestalten. Deshalb gibt es als erste größere Kundgebung keine Demo mit lautstarken Auftritten über Megafon, sondern eine Lichterkette. Am Sonntag, 26. November, sind alle, die die BI beim Widerstand gegen die Flüchtlingsunterkunft unterstützen wollen, ab 17 Uhr aufgerufen, sich im Kaisergarten einzufinden.
Lichterkette geplant
Eine Lichterkette, die das Dorf im gemeinsamen Bemühen um einen Stopp der Pläne des Landratsamts „umarmt“ und vereint: Das passt nach Meinung von Klemens Seidl, ebenfalls Mitglied im BI-Kernteam, am besten in die Adventszeit. Und auch zum Kommunikationsstil der Bürgerinitiative, die für die weiteren geplanten Demonstrationen Wert darauf lege, besonnen aufzutreten. „Wir wollen den betroffenen Bürgern eine Stimme und die Möglichkeit geben, um diese für die Gemeinde und die Bürger nicht trag- und zumutbare Sammelunterkunft zu verhindern. Dies tun wir, basierend auf unseren Werten, politisch neutral. Wir distanzieren uns klar von jeder Art von Extremismus und ausländerfeindlichem Auftreten“, so das Kernteam.
„Die Menschen, die zu uns flüchten, können nichts dafür“, ergänzt Seidl. Auch sie würden darunter leiden, wenn sie in einer ehemaligen Industriehalle „menschenunwürdig auf engstem Raum ohne jegliche Privatsphäre“ miteinander leben müssten. Betroffen seien Menschen, die eine lange Flucht mit teilweise traumatischen Erfahrungen hinter sich hätten. Konflikte seien auch angesichts der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Geflüchteten vorprogrammiert, ist die Bürgerinitiative überzeugt. Sie befürchtet, dass diese Probleme nicht nur die Unterkunft betreffen, sondern auch in den Ort getragen werden könnten. „500 Rotter, die in einer Halle wochenlang zusammen leben müssten, das würde auch nicht friedlich ablaufen“, ist Seidl überzeugt.
Viele Bürgerinnen und Bürger fürchten laut Hein, Bachert und Seidl um ihre Sicherheit. Ein Bevölkerungswachstum um bis zu 506 Menschen in einer Gemeinde mit 4300 Einwohnern, 2000 davon im nahen Ortskern von Rott: Das kann nicht gutgehen, sind sie überzeugt. Mittlerweile ist aus dem Protest, der auch bei einer Online-Petition zum Ausdruck gebracht werden kann, eine landkreisweite Bewegung geworden. Bereits 3.443 (Stand 22. November, 13 Uhr) haben virtuell unterschrieben, etwa 500 bis 1.000 Unterschriften würden analog hinzukommen. Diese liegen in der Gemeindeverwaltung aus, außerdem in Geschäften und Gastronomiebetrieben – vom türkischen Döner-Imbiss bis zum bayerischen Wirtshaus, freut sich Bachert über die Unterstützung.
1000 Kommentare
Sie und die Mitglieder des fünfköpfigen Kernteams sind auch von Tür zu Tür gegangen, haben mit vielen Rottern gesprochen. Sie stellen fest: „Die Bevölkerung ist in großer Sorge, nicht nur in der Nachbarschaft der Halle, sondern auch im übrigen Dorf.“ Die Gemeinde werde überfordert. Fast 1.000 Kommentare auf der Plattform der Online-Petition zeigen laut Hein, dass auch landkreisweit viele mit den Rottern fühlen.
Diese wollen auch zeigen, dass ein kleines Dorf einen großen Widerstand organisieren kann. Wobei das Kernteam einräumt, dass es sich um eine Herausforderung handele, die viel Kraft und Durchhaltewillen erfordere. Der erste Versuch einer kleinen Aktion, bei der die Initiative erste Demonstrationserfahrungen sammeln wollte, scheiterte. Die BI hatte beim Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen einen „Spaziergang“ von 20 Personen angemeldet. Sie wollten am Wohnort des Eigentümers der Rotter Gewerbehalle, ein Bürger aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, für eine kleine Zeitspanne auf- und abgehen, sich auf diese Weise zeigen und die Botschaft übermitteln: „Wir sind da und zeigen unsere Widerstandsbereitschaft“. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen genehmigte diese „Klein-Demonstration“ nicht, laut BI mit der Begründung, sie verletze das Persönlichkeitsrecht des Bürgers.
Mit Eilantrag vor Verwaltungsgericht
Das Kernteam der BI zog nach eigenen Angaben mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht und scheiterte auch dort. Dieser ablehnende Bescheid wurde von der Polizei an die Haustür gebracht. „Erschütternd“ findet Hein diese Vorgehensweise, „nicht akzeptabel“ Bachert die Begründung. „Wo bleibt unser Persönlichkeitsrecht?“, fragt sich das Kernteam. Dem Vermieter der Halle seien für eine kurze Zeitspanne keine fremden 20 Spaziergänger vor seiner Haustür zuzumuten, den Bewohnern des Gewerbegebietes in Rott jedoch täglich bis zu 500 in direkter Nachbarschaft? Die BI verstehe die Welt nicht mehr.
„Wir lernen täglich dazu“, sagt Bachert, die am Sonntag, 26. November, zum ersten Mal wieder seit 1986, als sie als junge Frau bei einer Friedensdemo war, an einer Kundgebung teilnehmen wird. Fast tagtäglich steht das Kernteam der BI miteinander in Kontakt, zweimal wöchentlich trifft es sich, auch ein Helferkreis mit 40 bis 50 Bürgerinnen und Bürgern, die Aufgaben übernehmen, ist gegründet. „Wir sind die breite Mitte der Gesellschaft“, charakterisiert Seidl die Aktiven. Sie brauchen nach Überzeugung von Bachert einen langen Atem im Kampf gegen die geplante Asyl-Ankunftseinrichtung im Gewerbegebiet Am Eckfeld. Denn Rott wurde von der Entscheidung quasi überrollt, der Mietvertrag für die Immobilie ist bereits unterschrieben, sogar Bürgermeister Daniel Wendrock wusste nichts von den Bemühungen des Landratsamts um das Gebäude. Er erfuhr erst am Tag nach der Landtagswahl von den Planungen, „eine skandalöse Entscheidung des Landratsamts“, wie die BI angesichts der Tatsache findet, dass es vor Ort keine angemessene Infrastruktur, keine sozialen Einrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten gebe und sich das Gebäude in einer Sackgasse in einem von vielen Lkw befahrenen Gewerbegebiet befindet.

