Bahn-Chef zu Krisenmanagement und neuen Projekten
Das sind die Gründe fürs Bahn-Schneechaos und diese Sperrungen drohen Rosenheims Pendlern
Nix ging mehr: Der Wintereinbruch erwischte die Bahn kalt. Warum das so war, und was sich in Zukunft für Pendler aus und nach Rosenheim ändern soll, sagte Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel exklusiv dem OVB.
Rosenheim – Ein massiver Schneeeinbruch legte jüngst (ab 3. Dezember 2023) die Bahn lahm, und das über Tage. Warum das so war, was sich daran ändern soll und warum die Pendler der Region Rosenheim Härten entgegensehen, denen ein goldenes Zeitalter des Schienenverkehrs folgen soll, erklärte der DB-Bevollmächtigte für Bayern, Klaus-Dieter Josel (63), dem OVB im Exklusivgespräch.
Was war denn mit der Bahn los? Mit Beginn der kalten Jahreszeit hätte man durchaus mit Schnee rechnen können.
Klaus-Dieter Josel: Wir hatten uns mehr als ein halbes Jahr lang vorbereitet, und wir hatten uns auch gut vorbereitet. Wir hatten unsere Konzepte verbessert und Erfahrungen aus den vergangenen Jahren genutzt. Womit wir nicht gerechnet hatten, das war die Massivität des Schneefalls. In München waren es zum Teil 50 Zentimeter, in der Region manchmal sogar noch mehr. Und es war schwerer Schnee. Der Wetterdienst hatte für Freitagabend (2. Dezember) zunächst 20 Zentimeter angekündigt und dann sukzessive erhöht. Aber als wir die Dimensionen erkannt haben, haben wir sofort alle verfügbaren Kräfte geordert. Es waren zeitweise 1500 Leute unterwegs, die Anlagen freigeräumt haben.
Aber warum dauerte alles so lange?
Josel: So ein massiver Winter war nicht vorhersehbar. So etwas gab es in den vergangenen Jahrzehnten nicht. Wir hatten viele Oberleitungsstörungen. Viele Bäume auch aus der zweiten oder dritten Reihe sind unter der Schneelast umgestürzt. Bäume, die nicht auf unserem Grund stehen. Es lag also nicht daran, dass wir zu wenig Grünschnitt machen. Und in einer Phase, in der alles zugeschneit ist, in der der Schnee einen halben Meter hoch liegt und man physisch kaum herankommt, braucht es Zeit, diese Störungen zu beheben. Bei extremen Witterungsbedingungen müssen wir unsere Räumarbeiten so organisieren, dass von den freien Strecken möglichst viele Züge gleichzeitig profitieren. Daher konzentrieren wir uns zunächst auf die Strecken, auf denen sowohl Reisende im Nah- und Fernverkehr als auch der Güterverkehr unterwegs sind.
Verkehrsminister Bernreiter hat ein Gespräch anberaumt und eine Ansage an Sie auf gut niederbayerische Art angekündigt. Markige Worte.
Josel: So ein Gespräch ist sinnvoll. Wir waren seit Samstag (3. Dezember) in der Abstimmung. Klar ist auch, dass er aus seiner Zeit als Landrat Erfahrungen mit solchen Katastrophen hat, und aus seiner Erfahrung den einen oder anderen Hinweis geben wird. Ich habe das nicht als markiges Wort empfunden.
Was werden Sie ihm denn darüber hinaus noch sagen können?
Josel: Selbstverständlich werden wir das Krisenmanagement am ersten Dezemberwochenende ausführlich und strukturiert analysieren, um die Prozesse und Vorbereitungen für künftige Extremwetterereignisse zu verbessern. Noch konzentrieren wir uns auf den operativen Part, damit alle Strecken wieder befahrbar sind. Parallel machen wir uns Gedanken, was wir besser machen können. Was mir noch wichtig ist: Die Mannschaften, die wir vor Ort im Einsatz hatten, die arbeiteten seit der Nacht auf den ersten Dezember-Samstag fast durchgehend, mit wenig Schlaf. Man muss auch sagen, dass die Leute manchmal gar nicht an die Anlagen herankamen, weil auch die Straßen kaum zu befahren waren.
Macht sich‘s die Politik zu leicht? Herr Bernreiter hat eine Reihe von Finanzministern – ein Ressort nicht in CSU-Verantwortung – und den aktuellen Verkehrsminister Wissing – ein Mann der FDP nach einer Reihe von CSU-Ministern – verantwortlich für die Bahn-Misere gemacht.
Josel: Die Schiene erfreut sich in den vergangenen Jahren einer Renaissance. Auch wegen des Klima-Themas. Wir können diese Herausforderung nur stemmen, wenn wir den umweltfreundlichsten Verkehrsträger Schiene stärken. Und die Politik hat in den vergangenen Jahren so viel Geld wie noch nie für die Schiene avisiert.
Aber erst seit ein paar Jahren.
Josel: Ich bin seit über 30 Jahren bei der Bahn. Lange Zeit hatte die Schiene aus verkehrspolitischer Sicht in Berlin eher ein Nischendasein und genoss nicht die volle Aufmerksamkeit, nicht so, wie es in der Schweiz und Österreich der Fall ist. Daran arbeitet die Bundespolitik jetzt.
Wer zuletzt von München nach Traunstein oder auch nur nach Rosenheim wollte, der erlebte oft Chaos, auch dank widersprüchlicher Auskünfte. Wie kann denn auch noch die Kommunikation schiefgehen?
Josel: Es gab immer wieder die Situation, dass man während der Erkundungsfahrten festgestellt hat, dass es wieder einen Schneebruch gegeben hatte und man die Strecke also doch noch nicht freigeben konnte. Ich wünsche mir auch eine bessere Prognosefähigkeit. Die Mannschaften vor Ort tun ja auch alles, um die Strecke freizumachen. Und dann kommen Naturgewalten. Da kann ich nur um Verständnis bitten. Aber ich gebe zu, das ist ungut.
Wer aus Rosenheim oder Traunstein nach München oder Salzburg will, ist mit technischen Störungen vertraut. Was können Sie denn an Verbesserungen ankündigen?
Josel: In Bayern wird ab 2026, auf dieser Strecke ab 2027 saniert. Wir haben eine Renaissance der Schiene. Glücklicherweise stellt uns die Politik deutlich mehr Geld in Aussicht, und wir können dann unser Bestandsnetz sanieren und modernisieren. Das machen wir in Form einer Generalsanierung. Solche Korridore wie München Rosenheim Salzburg werden wir in ihrer Gesamtheit sanieren. Die Abschnitte München – Rosenheim und Rosenheim Salzburg werden wir jeweils für fünf Monate sperren. Das ist eine große Herausforderung für den Markt, auch für den Umleitungs- und Schienenersatzverkehr. Aber nur so können wir gewährleisten, dass wir intensiv und konsequent alle Gewerke von den Oberleitungen zu den Bahnhöfen sanieren können .
Was den Schienenersatzverkehr betrifft: Da werden Dutzende Busse nicht reichen.
Josel: Wir haben sozusagen zwischen Würzburg und Nürnberg geübt. Dort haben wir die Strecke für zwei Monate gesperrt, um da viele Gewerke zu sanieren und modernisieren. Und es hat gut funktioniert. Wir brauchen dazu eine massive Zahl an Bussen, ebenso an Busfahrern. Dazu hat die Bahn eine beträchtliche Flotte an Bussen angeschafft, im dreistelligen Bereich.
Klingt wie eine Herausforderung.
Josel: Deswegen bereiten wir das langfristig vor. Wir unterhalten uns auch mit den Österreichern und Schweizern. Und die sagen, es ist der richtige Weg. Geradezu alternativlos: Wir müssen aus dem Sanierungsrückstau rauskommen. Wir brauchen ein leistungsfähiges Netz, bauen zum Beispiel zusätzliche Weichenverbindungen ein, damit wir im Störfall eine Überleitverbindung haben. Klar ist aber auch, es wird Behinderungen geben. Die Alternative wäre, wir würden ständig unterm rollenden Rad bauen. Das würde noch länger dauern, und die Beeinträchtigungen wären noch intensiver.